Politik kompakt:Neuer Regierungschef in Japan

Naoto Kan wird Ministerpräsident in Japan - er ist der fünfte Regeirungschef in nur drei Jahren.

im Überblick

Der bisherige japanische Finanzminister Naoto Kan ist am Freitag zum neuen Ministerpräsidenten des Landes gewählt worden. Der 63-jährige Reformer tritt die Nachfolge des am Mittwoch zurückgetretenen Yukio Hatoyama an. Die regierende Demokratische Partei (DPJ) wählte Kan zunächst zum Parteichef und dann mit ihrer Mehrheit im Unterhaus auch zum neuen Premier. Seine erste Aufgabe als Premier sei, "das Land wiederaufzubauen" und das Vertrauen der Wähler zurückzugewinnen, sagte Kan. Große Kurswechsel in der Außen- und Wirtschaftspolitik erwarten Beobachter jedoch nicht.

Politik kompakt: Japans neugewählter Ministerpräsident Naoto Kan zeigt die Siegerfaust. Bei der Abstimmung im Unterhaus bekam er 313 der 477 gültigen Stimmen.

Japans neugewählter Ministerpräsident Naoto Kan zeigt die Siegerfaust. Bei der Abstimmung im Unterhaus bekam er 313 der 477 gültigen Stimmen.

(Foto: afp)

Kan gilt als führungsstärker als der bisherige Ministerpräsident Hatoyama. Er hatte der Partei bereits früher zweimal als Vorsitzender gedient. Der bisherige Ministerpräsident Hatoyama hatte mit der plötzlichen Amtsaufgabe die Verantwortung für Finanzskandale übernommen. Außerdem räumte er ein, sein Versprechen gebrochen zu haben, die Bürger auf der Insel Okinawa von den dort stationierten US-Truppen zu entlasten.

Kan wird der fünfte japanische Ministerpräsident in nur drei Jahren. Er war auch an den Finanzmärkten favorisiert worden, die in seiner Ernennung eine Chance sehen, die Schuldenbekämpfung der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft voranzubringen. Japan ist der am stärksten verschuldete Industriestaat: Das Haushaltdefizit liegt bei etwa 200 Prozent der Wirtschaftsleistung.

(rtr/dpa/AP)

Sarkozy unter Korruptionsverdacht, Wahl in Niedersachsen am 1. Juli, Obama will den israelischen Angriff auf die Gaza-Flotte nicht verurteilen und Tschechien bekommt eine bürgerliche Regierung. Ungarn muss sparen, angeblicher Selbstmordversuch eines US-Anwalts in Ruanda. Weitere Kurzmeldungen auf den nächsten Seiten.

Untreuevorwürfe gegen Sarkozy

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy ist in den Verdacht geraten, in eine Korruptionsaffäre verwickelt zu sein. Pariser Presseberichten zufolge stellt ein Luxemburger Polizeibericht fest, dass Sarkozy als Budgetminister 1994 die Gründung des Instituts Heine in Luxemburg beaufsichtigt hat, über das die Staatswerft DCN bei U-Boot-Geschäften mit Pakistan Schmiergeld zahlte. Die Opposition forderte am Mittwoch die Aufklärung der Affäre. Der mit dem Fall befasste Rechtsanwalt Olivier Morice verlangte Sarkozys Rücktritt.

In der Debatte vermengt sich die Affäre um (damals legale) Schmiergelder der DCN bei Auslandsgeschäften mit der Affäre um einen Selbstmordanschlag auf U-Boot-Spezialisten der DCN in Pakistan. Ein Teil der Schmiergelder soll nach Paris zurückgeflossen sein, um 1995 den Präsidentenwahlkampf des Premierministers Edouard Balladur zu finanzieren. Sarkozy war Balladurs Wahlkampfmanager. Balladur verlor aber, und der Wahlsieger Jacques Chirac soll die Auszahlung der Schmiergelder gestoppt haben. Nun besteht der Verdacht, der Anschlag mit elf getöteten Franzosen 2002 sei dafür die Rache gewesen.

Élysée-Generalsekretär Claude Guéant wies den Korruptionsverdacht zurück. Der Polizeibericht nenne nur Unterstellungen und eingebildete Zusammenhänge, sagte er der Zeitung Le Monde (Freitag). Die U-Boot- Verträge seien schon unterzeichnet worden, als Sarkozy noch gar nicht Budgetminister war. Etwa 96,4 Millionen Franc (14,7 Mio Euro) sollen über die Institute Heine und Eurolux geflossen sein. Der Bericht gibt aber keinen konkreten Beweis für Korruption. Eine Aufklärung ist schwierig, weil die Regierung wichtige Dokumente als geheim einstuft. Der Oppositionsabgeordnete Manuels Valls forderte die Freigabe der Dokumente und die Auswertung des Luxemburger Berichts.

(dpa)

Niedersachsen: Ministerpräsidentenwahl am 1. Juli

Der neue niedersächsische Ministerpräsident wird voraussichtlich am 1. Juli gewählt. Staatskanzleichef Lothar Hagebölling sagte am Freitag in Hannover, der scheidende Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) werde seine Amtsgeschäfte bis zum 29. Juni fortführen. Der neue Ministerpräsident wird voraussichtlich bereits am 2. Juli zu einer noch von Wulff geplanten Chinareise aufbrechen.

Die China-Reise habe eine "besondere Bedeutung" und biete "erhebliche Chancen" für Niedersachsen. Deshalb sei derzeit nicht geplant, diese abzusagen. Man gehe davon aus, dass der neue Ministerpräsident diese Verpflichtung übernehme. Da der neue Bundespräsident am 30. Juni gewählt wird, bleibt in Niedersachsen vor dem Abflug nur noch der Termin am 1. Juli. "Die Entscheidung liegt aber natürlich beim Landtag", sagte Hagebölling.

Der niedersächsische CDU-Vorsitzende und Landtagsfraktionschef David McAllister gilt als designierter Nachfolger von Christian Wulff im Ministerpräsidentenamt. Am Donnerstagabend hatte der 39-Jährige seine Bereitschaft zu einer Kandidatur erklärt. Unklar ist noch, wann Wulff seine Rücktrittserklärung als Ministerpräsident abgeben wird. In der Staatskanzlei werde derzeit geprüft, ob dies zwischen seiner Wahl zum Bundespräsidenten und der Annahme der Wahl möglich sei, sagte Hagebölling. Laut Verfassung muss Wulff noch vor der Amtsübernahme seine anderen Ämter niederlegen.

(dpa)

Bundesländer stoppen Kürzungen bei Solar-Förderung

Die Bundesländer haben die von der Regierung zum 1. Juli geplante Kürzung der Solar-Förderung vorerst gestoppt. Eine Mehrheit in der Länderkammer rief am Freitag den Vermittlungsausschuss von Bund und Ländern an. Mehrere Länder, in denen viele Firmen der Solarbranche sitzen, wollen den Abbau der staatlichen Förderung auf 10 Prozent begrenzen. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hingegen wollte die Solar-Subventionen zur Entlastung der Verbraucher ab Juli - je nach Anwendung - zwischen 11 und 16 Prozent kürzen. Die Länder können das Gesetz nicht verhindern. Wahrscheinlich ist aber nun, dass Röttgen Kompromisse machen muss.

(dpa)

Stammesversammlung will Frieden mit Taliban

Die afghanische Stammesversammlung hat dem Plan von Präsident Hamid Karsai zum Frieden mit den radikal-islamischen Taliban zugestimmt. Die versammelten Stammesältesten billigten die Vorschläge des Präsidenten zum Abschluss ihres Treffens am Freitag. "Wir müssen die Friedensbemühungen mit voller Kraft starten", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Dschirga, Khijamuddin Kaschaf. Karsai hatte zum Auftakt des Treffens zu einer nationalen Kraftanstrengung für den Frieden aufgerufen.

Karsai hatte unter anderem vorgeschlagen, einfache Kämpfer der Taliban mit einer Amnestie, Geld und der Aussicht auf einen Arbeitsplatz zum Niederlegen der Waffen zu bringen. Für führende Funktionäre soll nach seinen Vorstellungen ein Asyl im Ausland gefunden werden. Die Veranstalter der Versammlung argumentierten, zum Friedensplan gebe es keine Alternative, da weder die ausländischen Streitkräfte noch die schwache afghanische Armee die Sicherheit des Landes garantieren könnten. Von den Taliban, die 2001 mit Hilfe der internationalen Truppen von der Macht vertrieben worden waren, kam bisher keine positive Resonanz. Stattdessen griffen sie am Mittwoch die Eröffnungszeremonie des Treffens mit Raketen an.

(rtr)

Atom-Laufzeitverlängerung soll im Juli entschieden werden

Die Bundesregierung hat die Entscheidung über eine Laufzeit-Verlängerung von Atomkraftwerken verschoben. Diese Frage solle nun bis Ende Juli geklärt werden, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. Dann solle auch das gesamte Energiekonzept der Regierung inklusive der Frage der "rechtlichen Erfordernisse" vorliegen. Das Energiekonzept sei bislang erst für den Herbst geplant gewesen, fügte Wilhelm ausdrücklich hinzu.

Zuvor hatte sich Kanzlerin Angela Merkel mit fünf Unions-Ministerpräsidenten, Umweltminister Norbert Röttgen und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla getroffen, um den unionsinternen Streit um die Zustimmungsplicht des Bundesrates beizulegen. In dem Konzept solle dann geklärt werden, was eine "moderate" Laufzeit-Verlängerung genau bedeute, sagte eine Sprecherin des Umweltministeriums weiter. Es müsse festgelegt werden, ab wann eine Zustimmungspflicht der Länder entstehe, sagte Wilhelm weiter. Teil der Laufzeit-Verlängerung müssten auch Sicherheitsauflagen für Atomkraftwerke sein, sagte die Sprecherin weiter. Auch die Frage einer Brennelemente-Steuer müsse mit dem Konzept geklärt werden.

(AP)

Obama will Angriff auf Gaza-Flotte nicht verurteilen

US-Präsident Barack Obama hat den israelischen Angriff auf eine Flotte mit Hilfsgütern für den Gazastreifen als "tragisch" bezeichnet. Der Lust von Menschenleben sei unnötig gewesen. Obama ging jedoch nicht soweit, den israelischen Angriff zu verurteilen. Die USA wollten die Ergebnisse einer Untersuchung abwarten, erklärte er im Sender CNN. Israel sollte einer solchen Untersuchung zustimmen, da dieser Vorfall auf lange Sicht nicht gut für die Sicherheit Israels sei.

Gleichzeitig forderte der US-Präsident, den festgefahrenen Nahost-Friedensprozess wieder in Gang zu bringen. "Es ist nun wichtig, dass wir den Stillstand beenden und diese Tragödie als Chance begreifen." Israel habe zwar berechtigte Sicherheitsbedenken wegen der Bedrohung durch die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas. Die israelische Blockade des Palästinenser-Gebiets beeinträchtige aber die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Menschen dort erheblich.

Derweil haben türkische Ermittler begonnen, Beweise für ein Strafverfahren gegen die Verantwortlichen des israelischen Angriffs zu sammeln. Türkische Medien berichten, dass die Staatsanwalt in Ankara Aussagen von verletzten Aktivisten angefordert habe. Außerdem gebe es medizinische Untersuchungen, die Hinweise auf große Brutalität ergeben hätten. Die Ermittler gehen dem Verdacht auf Entführung, Totschlag und Freiheitsberaubung nach. Bei dem israelischen Einsatz gegen die "Gaza-Solidaritätsflotille" waren acht Türken und ein US-Bürger türkischer Herkunft getötet worden.

(rtr/dpa/AP)

Tschechien bekommt bürgerliche Regierung

Tschechien soll eine konservativ-liberale Regierung erhalten. Darauf verständigten sich in einer gemeinsamen Erklärung die neoliberalen Bürgerdemokraten (ODS), die konservativ-liberale Partei TOP 09 und die Gruppierung "Öffentliche Angelegenheiten". Die drei Parteien hatten bei der Parlamentswahl vom Wochenende vor einer Woche eine Mehrheit von 118 der 200 Sitze im Abgeordnetenhaus erhalten. Einzelheiten einer Koalitionsvereinbarung sollen in den nächsten Wochen von Expertenteams der drei Parteien ausgearbeitet werden. Als Ministerpräsident ist ODS-Chef Petr Necas vorgesehen. Ihm müsste jedoch Staatspräsident Vaclav Klaus einen Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Nach Äußerungen beteiligter Politiker der drei Parteien gibt es Übereinstimmung in den Grundzügen, aber Meinungsverschiedenheiten in etlichen Details. Letzteres betrifft unter anderem unter anderem beim Kampf gegen die Korruption sowie der Steuer- und Umweltpolitik.

(SZ)

Ungarn will sparen

Ungarns neue Regierung will im Kampf gegen das Haushaltsloch binnen weniger Tage ein umfassendes Sparpaket vorlegen. Dabei gehe es um "tiefe strukturelle Veränderungen", sagte Regierungschef Viktor Orban am Freitag dem Sender TV2. Innerhalb von 72 Stunden solle der Plan bekanntgegeben werden, sagte ein Sprecher. Ziel sei es, kurzfristig zu sparen und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, auch durch Steuersenkungen.

Der Sprecher bekräftigte, dass das Defizit deutlich höher sei als von der vorherigen Regierung angenommen. "Wir finden ständig neue Leichen im Keller", sagte er. Die Regierungspartei hatte am Donnerstag das Defizit auf bis zu 7,5 Prozent beziffert - das Haushaltsloch wäre damit etwa doppelt so groß wie bislang angenommen. Es gebe nur eine geringe Chance, eine Krise wie in Griechenland noch zu vermeiden, sagte der stellvertretende Fidesz-Vorsitzende Lajos Koza. An den Finanzmärkten verteuerten sich die Kosten für eine Kreditausfallversicherung Ungarns, die Landeswährung Forint gab zum Euro nach. Die Europäische Kommission rief Ungarn auf, sein Haushaltsdefizit schneller zurückzufahren. Das Land dürfe nicht das Vertrauen der Märkte verlieren.

Analysten gehen von einem geringeren Defizit von etwa fünf Prozent aus und halten den Vergleich zu Griechenland nicht für nachvollziehbar. Die gerade erst gewählte Mitte-Rechts-Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban hatte im Wahlkampf Steuersenkungen versprochen, um das Wachstum anzutreiben. Experten halten es für denkbar, dass sie mit den deutlich höheren Defizit-Schätzungen ein Horror-Szenario an die Wand malt, um ihre Steuerversprechen nicht einlösen zu müssen.

(rtr)

Ruanda: Selbstmordversuch von US-Anwalt

Gut zehn Tage nach seiner Verhaftung soll ein US-Anwalt in ruandischer Haft einen Selbstmordversuch unternommen haben. Die staatliche ruandische Zeitung New Times berichtete am Freitag in ihrer Onlineausgabe, der an der Universität von Minnesota lehrende Paul Erlinder habe versucht, sich mit einer Überdosis Medikamente umzubringen. Erlinder war im Mai festgenommen worden, als er in Kigali seine Klientin Victoire Ingabire Umuhoza besuchte, die im August bei den Präsidentenwahlen in dem ostafrikanischen Kleinstaat gegen Amtsinhaber Paul Kagame antreten will.

Erlinders Tochter sagte dem britischen Rundfunksender BBC, sie glaube nicht an einen Selbstmordversuch. Die Familie befürchte, "dass dies nur etwas anderes vorbereitet, das ihm zustoßen könnte". Die ruandischen Behörden hatten Ingabire in den vergangenen Monaten zweimal festgenommen und an der Ausreise gehindert. Sie werfen der Oppositionspolitikerin Leugnung des Völkermords an mindestens 800.000 Angehörigen der Volksgruppe der Tutsi und gemäßigten Hutu im Jahr 1994 vor. Unter diesem Vorwurf wurde auch Erlinder festgenommen.

Erlinder hatte vor dem UN-Tribunal im tansanischen Arusha einen Offizier verteidigt, der wegen seiner Beteiligung am Völkermord zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Nach dem Bericht der New Times hatte Erlinder kurz vor seiner Reise nach Kigali in Brüssel eine Konferenz mit organisiert, an der auch mehrere noch flüchtige Völkermord-Verdächtige teilgenommen haben

(dpa)

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