Politik kompakt:Keine "Asyl-Lotterie" mehr in Europa

EU-Kommission will Asylverfahren vereinheitlichen, in den USA wurde ein Terrorverdächtiger festgenommen, FDP kündigt Stiftung Datenschutz fürs Internet an.

EU-Kommission will Asylverfahren vereinheitlichen

In der Europäischen Union sollen die Regeln im Umgang mit Asylsuchenden vereinheitlicht werden. Die "Asyl-Lotterie", bei der die Flüchtlinge in verschiedenen Mitgliedsstaaten auf höchst unterschiedliche Verfahren träfen, solle beendet werden, erklärte die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel. Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl mahnte, die Vorschläge dürften von Mitgliedstaaten und EU-Parlament nicht verwässert werden. Die Gesetzesvorschläge sollen zugleich einen besseren Schutz für Verfolgte bieten und Missbrauch durch nur vermeintlich Verfolgte verhindern. Sie gehören zu einem Paket von Vorschlägen, die die Kommission auf Geheiß der EU-Staaten ausgearbeitet hat. "Die Kommission hat heute die letzten Grundlagen für das Gemeinsame Europäische Asylsystem geschaffen", hieß es.

In Zukunft sollten alle Schutzsuchenden in der EU "die gleichen Chancen haben, unabhängig davon, wo der Antrag gestellt wird", sagte Innenkommissar Jacques Barrot. Die Höchstdauer für ein Asylverfahren in erster Instanz soll den Plänen zufolge nach einer Übergangsfrist europaweit auf sechs Monate begrenzt werden. Schon an der Grenze müssten Schutzsuchende umfassende Informationen über ihre Rechte erhalten. Rechtsbehelfsverfahren sollten aufschiebende Wirkung haben.

Terrorverdacht gegen 27-Jährigen aus Massachusetts

Ein 27-Jähriger aus dem US-Staat Massachusetts soll Terroranschläge auf Einkaufszentren in den USA sowie auf die US-Truppen im Irak geplant haben. Der Mann aus Sudbury westlich von Boston wurde nach Behördenangaben in Trainingslagern für Terroristen ausgebildet. Von 2001 bis 2008 habe er gemeinsam mit Gesinnungsgenossen daran gearbeitet "zu töten, zu entführen, zu verstümmeln und zu verletzen".

Angriffsziel seien unter anderem prominente US-Politiker gewesen. Die meisten Pläne seien jedoch vereitelt worden, weil es den Terrorverdächtigen nicht gelungen sei, automatische Waffen zu erwerben. Der 27-Jährige wurde den Angaben zufolge bereits im vergangenen Jahr unter dem Vorwurf festgenommen, über einen Al-Qaida-Anhänger falsche Aussagen gemacht zu haben.

FDP kündigt Stiftung Datenschutz fürs Internet an

Die schwarz-gelbe Koalition will nach Darstellung der FDP eine Stiftung Datenschutz fürs Internet nach dem Vorbild der Stiftung Warentest gründen. "Unser Ziel ist es, im Netz eine Art Gütesiegel zu etablieren, das den Nutzer darauf hinweist, bei welchen Anbietern seine Daten sicher sind", sagte die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Hamburger Wochenzeitung Zeit. Sie hatte für die FDP die Koalitionsverhandlungen in der Arbeitsgruppe Recht und Inneres geführt.

Die FDP-Politikerin, die als mögliche Justizministerin gehandelt wird, nannte den Umgang mit dem Internet "das größte Projekt" der neuen Regierungskoalition. Themen wie Urheberrecht oder der Umgang mit Konzernen wie Google müssten diskutiert werden. Leutheusser-Schnarrenberger schloss auch einen Internet-Gipfel oder ein Internet-Gesetzbuch nicht aus.

Leutheusser-Schnarrenberger sprach sich zugleich gegen Verbote im Internet aus. "Es darf nicht der Eindruck entstehen, wir wollten zensieren", sagte sie in Hinblick auf die Sperrung von Kinderpornografie-Seiten im Netz.

Abdullah Abdullah mit Stichwahl einverstanden

Nach dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai hat sich auch sein Herausforderer Abdullah Abdullah mit einer Stichwahl einverstanden erklärt. Der ehemalige Außenminister sagte, er sei bereit, am 7. November erneut gegen Karsai anzutreten. Er habe den Amtsinhaber angerufen und ihm dafür gedankt, dass er einem zweiten Wahldurchgang zugestimmt habe.

Karsai hatte am Dienstag die Entscheidung der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) für eine Stichwahl akzeptiert. Die IEC erklärte entgegen ursprünglicher Angaben, keiner der Kandidaten habe im ersten Durchgang die absolute Mehrheit erzielt. Nach der Wahl am 20. August hatte es zunächst geheißen, Karsai habe knapp 55 Prozent und Abdullah 28 Prozent der Stimmen erhalten. Damit wäre Karsai schon im ersten Durchgang im Amt bestätigt worden. Wegen Vorwürfen des Wahlbetrugs wurde jedoch ein Teil der Stimmen neu ausgezählt.

Kongress stimmt Verlegung von Guantanamo Insassen in die USA zu

Der US-Kongress hat der Überstellung von Guantanamo-Häftlingen für Prozesse in den USA zugestimmt. Der Senat votierte mit 79 zu 19 Stimmen für einen entsprechenden Gesetzentwurf. Damit ist eine wichtige Hürde für den Plan der Regierung aus dem Weg geräumt, das weltweit kritisierte Lager für mutmaßliche Extremisten bis Januar zu schließen.

Dieses Vorhaben hatte Präsident Barack Obama zu Beginn seiner Amtszeit angekündigt. Nachdem das Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf bereits vergangene Woche abgesegnet hat, wird er nun Obama zur Unterschrift vorgelegt. Derzeit befinden sich noch rund 220 Insassen in dem Lager auf dem US-Militärstützpunkt auf Kuba.

UN-Sicherheitsrat verurteilt Anschlag auf iranische Revolutionsgarden

Zwei Tage nach dem schweren Anschlag auf die Revolutionsgarden in der iranischen Provinz Sistan-Balutschistan hat der UN-Sicherheitsrat die Tat verurteilt. "Die Mitglieder des Rates haben auf das Schärfste den tödlichen terroristischen Anschlag verurteilt, der sich in der Grenzstadt Pichin im Iran am 18. Oktober ereignete", sagte der derzeitige Vorsitzende des Gremiums, der vietnamesische UN-Botschafter Le Luong Minh, in New York. Er gab die Opferzahl mit 57 Toten und 150 Verletzten an. Bislang war von mindestens 41 Todesopfern die Rede gewesen.

Abschiebung aus Frankreich nach Afghanistan

Frankreich hat zum ersten Mal seit 2005 wieder afghanische Flüchtlinge in ihre Heimat abgeschoben. Drei Männer seien in der Nacht zu Mittwoch nach Kabul geflogen worden, teilte das Einwanderungsministerium mit. Es handle sich um eine mit Großbritannien gemeinsam organisierte Rückführung. "Die Afghanen stammen aus der Region Kabul, wo ihre Sicherheit gewährleistet ist", sagte Minister Eric Besson dem Sender Europe 1. "Sie erhalten eine Hilfe zum Neuanfang in der Heimat", fügte er hinzu. Wie viele Afghanen insgesamt ausgeflogen wurden, war zunächst nicht bekannt. Die Abschiebung in das Kriegsland löste heftige Proteste aus. Die französische Regierung betonte die Notwendigkeit der Rückführungen. "Unsere Aktion ist eng mit den afghanischen Behörden abgestimmt", sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Frankreich sei verpflichtet, die illegale Einwanderung nach Großbritannien zu verhindern, das die meisten der Afghanen zum Ziel hätten. Opposition und Hilfsorganisationen kritisierten die Abschiebung.

Entführung auf den Philippinen

Im Süden der Philippinen sind sieben Angestellte des Umweltministeriums entführt worden. Bewaffnete überfielen die Mitarbeiter an einer Station im Wald bei Butuan City auf der Insel Mindanao, rund 800 Kilometer südlich von Manila, und verschleppten sie, sagte ein Polizeisprecher. Einer der Entführer kündigte später telefonisch an, eine der Geiseln werde mit einem Forderungskatalog freigelassen. In der Region sind kommunistische Guerillakämpfer aktiv. Auf Mindanao kämpfen auch muslimische Separatisten, die ihren Forderungen schon oft mit Entführungen Nachdruck zu verleihen versucht haben. In diesem Fall vermuten die Behörden aber keine Separatisten hinter der Tat.

SPD-Landesvorstand in Sachsen-Anhalt tritt zurück

Als Konsequenz aus dem Debakel bei der Bundestagswahl hat der SPD-Landesvorstand in Sachsen-Anhalt seinen Rücktritt beschlossen. Am 19. Dezember soll das Gremium neu gewählt werden, bis dahin bleibt die jetzige Parteispitze im Amt. Die SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Katrin Budde, kündigte nach der Sitzung an, für den Parteivorsitz zu kandidieren. Der Amtsinhaber, Innenminister Holger Hövelmann, ließ dies zunächst noch offen.

Karlsruher Gericht macht Weg für Demjanjuk-Prozess frei

Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg für den Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Verbrecher John Demjanjuk endgültig frei gemacht. Das Karlsruher Gericht wies zwei Verfassungsbeschwerden ab. Der 89-Jährige wollte damit den Ende November beginnenden Prozess vor dem Landgericht München II stoppen und zudem seine Freilassung aus der Untersuchungshaft durchsetzen. Nach den Worten der Karlsruher Richter ist die Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts zur Eröffnung des Verfahrens schon deshalb unzulässig, weil solche prozessualen Zwischenentscheidungen nicht unmittelbar beim Verfassungsgericht angegriffen werden können. Der Prozess gegen Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in Tausenden von Fällen soll am 30. November beginnen.

Pakistan setzt Offensive gegen Taliban fort

Mit Hubschrauber-Angriffen auf Taliban-Stellungen im Grenzgebiet zu Afghanistan hat Pakistan am Mittwoch seine Offensive gegen die Aufständischen fortgesetzt. Gleichzeitig forderte das pakistanische Militär die Nato-Einheiten in Afghanistan auf, die Grenze abzuriegeln, um das Eindringen von Extremisten und den Schmuggel von Waffen zu verhindern. Die Kampfhubschrauber hätten insbesondere die Taliban-Hochburgen Makeen und Ladha ins Visier genommen, teilten Sicherheitskräfte mit. Seit Beginn der Offensive am Samstag sind nach pakistanischen Angaben 90 Extremisten und 13 Soldaten getötet worden. Insbesondere die USA verfolgen die Offensive genau, da sie Pakistan zuletzt vorgeworfen haben, die Taliban auf ihrer Seite der Grenze zu Afghanistan nicht effektiv zu bekämpfen.

Nordkorea wird laut Gates gefährlicher

Die Gefahren durch Nordkoreas Atomwaffen- und Raketenprogramme sind nach Ansicht des US-Verteidigungsministers Robert Gates erheblich größer geworden. Zugleich bekräftigte Gates bei einem Besuch in Südkorea, dass die USA niemals Atomwaffen im kommunistischen Nordkorea akzeptieren würden. "Die Gefahr, die von Nordkoreas Regime ausgeht, bleibt bestehen, und in vielerlei Hinsicht ist sie sogar tödlicher und destabilisierender geworden", sagte Gates laut der nationalen Nachrichtenagentur Yonhap vor südkoreanischen und amerikanischen Soldaten in Seoul. Nordkorea stelle vor allem durch sein Streben nach Atomwaffen und die Weiterverbreitung von nuklearem Knowhow und ballistischen Raketenwaffen sowie deren Teilen eine ernsthafte Bedrohung dar. Gates warf dem isolierten asiatischen Staat vor, "alles was es produziert, anscheinend auch verkaufen zu wollen".

Publizist Broder will Knobloch im Zentralrat der Juden ablösen

Der Berliner Publizist Henryk M. Broder will neuer Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland werden. In einem Beitrag für den Berliner Tagesspiegel (Donnerstagsausgabe) begründete Broder seine Bewerbung um die Nachfolge von Charlotte Knobloch im kommenden Jahr mit Kritik an der offiziellen Vertretung der Juden in Deutschland. Diese befinde sich in einem "erbärmliche Zustand" schrieb der aus einer polnisch-jüdischen Familie stammende Broder. "Der Zentralrat tritt als Reue-Entgegennahme-Instanz auf und stellt Unbedenklichkeitserklärungen aus, wobei es weder nach oben noch nach unten eine Schamgrenze gibt." Broder schrieb, als Präsident werde er sich dafür einsetzen, dass die Holocaustleugnung als Straftatbestand aufgehoben werde. Das Gesetz sei gut gemeint gewesen, habe sich aber als kontraproduktiv erwiesen, "indem es Idioten dazu verhilft, sich als Märtyrer im Kampf um die historische Wahrheit zu inszenieren". Auch wolle er sich um gute Beziehungen zu den Muslimen in Deutschland bemühen, die für eine strikte Trennung von Staat und Religion eintreten. Broder räumte ein, dass vom Prozedere her seine Kandidatur nicht einfach sei. Bewerber müssten der Repräsentantenversammlung einer jüdischen Gemeinde angehören und von dieser nominiert werden. Zwei kleine Gemeinden hätten ihm aber bereits ihre Unterstützung zugesagt, so dass dies keine unüberwindlichen Hindernisse seien.

EU-Abgeordnete starten Petition gegen Blair als EU-Präsident

Im EU-Parlament nimmt der Widerstand gegen eine Wahl des ehemaligen britischen Premierministers Tony Blair zum ersten EU-Präsidenten konkrete Form an. Vier Abgeordnete aus Deutschland und einer aus Luxemburg reichten am Mittwoch eine offiziellen Petition ein, die den Ausschluss Blairs aus dem Kandidatenrennen fordert. Großbritannien sei kein Mitglied der Euro-Zone, des Schengen-Raums und sei befreit von der in der Gemeinschaft geltenden Grundrechte-Charta, hieß in der Begründung der Parlamentarier, die aus allen politischen Lagern kommen. Der Antrag bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte der 736 Abgeordneten, um als offizielle Deklaration des Parlaments zu gelten. Bindend ist diese nicht, sie könnte aber Druck auf die 27 EU-Staats- und Regierungschefs ausüben, sich nicht für Blair zu entscheiden. Blair galt als Favorit für den Posten. Kritische Äußerungen des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy schmälerten aber zuletzt seine Chancen. Auch Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker hatte sich indirekt gegen Blair ausgesprochen. Der Posten des EU-Ratspräsidenten wird geschaffen, sobald der Reformvertrag von Lissabon in Kraft tritt. Dafür ist noch dessen Ratifizierung durch Tschechien nötig.

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