Politik kompakt:Ein Tisch für alle

Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will nun doch nur noch einen Runden Tisch für die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle - gemeinsam mit Familienministerin Schröder. Kurzmeldungen im Überblick

Die Bundesregierung will die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle an Schulen und Internaten bündeln. Innerhalb der Regierung gebe es Gespräche, damit ein breit aufgestelltes Gremium "möglichst schnell" seine Arbeit aufnehmen könne, sagte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Sie halte es für eine gute Idee, "die gesamte Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu bündeln", sagte sie. In einem gemeinsamen Gremium könnten Prävention, Aufklärung, Opferentschädigung und rechtspolitische Konsequenzen beraten werden - gegebenenfalls in Einzelgruppen oder Kommissionen, sagte die FDP-Politikerin.

Bisher war geplant, dass Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) am 23. April zu einem Runden Tisch mit dem Fokus Prävention einlädt, während die Justizministerin einen Runden Tisch zu Entschädigungsfragen und rechtlichen Schlussfolgerungen einrichten wollte. Getrennte Runde Tische der beiden Ministerien soll es nun nicht geben. Leutheusser-Schnarrenberger brachte eine bundesweite Hotline für Missbrauchsopfer nach dem Vorbild der Aids-Hilfe ins Gespräch. Für Betroffene könne das eine Hilfe sein, sich leichter zu offenbaren. Nach heftiger Kritik lobte Leutheusser-Schnarrenberger den Wandel im Umgang der katholischen Kirche mit dem Skandal: "Es hat eine breite Debatte begonnen, die Veränderungswillen erkennen lässt."

Wie sich die Bundeskanzlerin hinter die Vertriebenen-Stiftung stellt und warum die türkische Regierung nun doch den Wahlkampf in kurdischer Sprache erlaubt: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.

Merkel steht zur Vertriebenen-Stiftung

Bundeskanzlerin Angela Merkel steht weiter zur Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" und der geplanten Vertriebenen-Dokumentationsstätte in Berlin. Eines Tages werde es keine Zeitzeugen mehr geben, die über ihre Erlebnisse berichten könnten, sagte die CDU-Vorsitzende beim Jahresempfang des Bundes der Vertriebenen (BdV) in Berlin. Deshalb sei es wichtig, dass die Erinnerung wissenschaftlich fundiert aufgearbeitet, bewahrt und an kommende Generationen weitergegeben werde. Die Stiftung soll eine Ausstellungs- und Dokumentationsstätte zur Erinnerung und zum Gedenken an Flucht und Vertreibung unterhalten.

Um die Stiftung und das Projekt hatte es wiederholt Streit gegeben. BdV-Präsidentin Erika Steinbach hatte im Februar auf einen Sitz im Stiftungsrat verzichtet, nachdem die schwarz-gelbe Koalition ihrem Verband Zugeständnisse gemacht hatte. Künftig ist der Bundestag für die Besetzung des Stiftungsrats zuständig. Der BdV erhält zudem ein deutlich stärkeres Gewicht im Rat. Mehrere Wissenschaftler beklagten eine "zunehmende Politisierung" und kehrten dem Gremium den Rücken.

Ranghoher Al-Kaida-Führer laut US-Angaben bei Angriff

Ein ranghoher al-Qaida-Führer ist nach Angaben aus US-Regierungskreisen vermutlich bei einem Raketenangriff in Pakistan getötet worden. Hussein Al Jemeni sei offenbar bei einem Angriff in der Stadt Miram Schah in Nord-Waziristan getötet worden, sagte ein Gewährsmann der Nachrichtenagentur AP in Washington. Al Jemeni gilt als wichtiger Stratege und Sprengstoffexperte der al-Qaida und wird mit einem Bombenanschlag auf eine CIA-Stellung in Afghanistan in Verbindung gebracht. Dabei wurden im Dezember sieben Mitarbeiter des US-Geheimdienstes sowie ein jordanischer Agent getötet.

Ankara will Wahlkampf in kurdischer Sprache erlauben

Die türkische Regierung will Politikern in dem EU-Bewerberland einem Fernsehbericht zufolge erlauben, bei künftigen Wahlkämpfen auch in kurdischer Sprache um Stimmen zu werben. Ein entsprechender Entwurf zur Änderung des Wahlgesetzes werde noch in dieser Woche ins Parlament von Ankara eingebracht, berichtete der Nachrichtensender CNN-Türk. Bisher ist Wahlkampf nur in türkischer Sprache erlaubt.

Die geplante Reform würde zahlreiche Ermittlungsverfahren gegen kurdische Politiker wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Wahlgesetz hinfällig machen und ist Teil der Bemühungen der Regierung um eine friedliche Beilegung des Kurdenkonflikts. Die Reformen sollen laut Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan den rund zwölf Millionen Kurden das Gefühl nehmen, Bürger zweiter Klasse zu sein. Dadurch will Erdogan auch die Unterstützung für die kurdische Rebellengruppe PKK schwächen, die seit 1984 gegen Ankara kämpft.

Zu Erdogans Kurden-Initiative gehören auch die Schaffung kurdischer Sprachinstitute an Universitäten, die Erweiterung von kurdischen Sendungen in Radio und Fernsehen, Straferleichterungen für minderjährige Teilnehmer an gewalttätigen Kurdendemonstrationen sowie die Schaffung eines Anti-Diskriminierungsrates. Türkische Nationalisten verdammen die Pläne als Bedrohung für die Einheit des Landes, während Kurdenpolitiker die Initiative als nicht weitreichend genug kritisieren.

Zwei britische Nato-Soldaten in Afghanistan getötet

Bei einem Bombenanschlag im Süden Afghanistans sind zwei Soldaten der Internationalen Schutztruppe Isaf ums Leben gekommen. Das teilte die Nato-geführte Isaf in Kabul mit. Das Verteidigungsministerium in London bestätigte, dass es sich bei den Opfern um britische Soldaten handelt. Der Anschlag habe sich bereits am Dienstag in der Unruheprovinz Helmand ereignet, hieß es. Nach Informationen des unabhängigen Internetdienstes icasualties.org kamen seit Jahresbeginn bereits mehr als 120 ausländische Soldaten in Afghanistan ums Leben, etwa 30 davon waren Briten.

In Helmands Provinzhauptstadt Laschkarga verhinderten Polizisten unterdessen nach Angaben des Innenministeriums in Kabul einen Selbstmordanschlag auf das Büro einer Hilfsorganisation. Die beiden männlichen Attentäter hätten sich mit einer Burka - dem muslimischen Vollschleier - als Frauen verkleidet und versucht, in das Gebäude einzudringen. Dabei seien sie von Sicherheitskräften entdeckt und erschossen worden. Weitere Opfer habe es nicht gegeben. Helmand gilt als eine Hochburg der radikal-islamischen Taliban.

Pakistan: Mindestens sieben Tote bei US-Raketenangriff

Bei zwei US-Drohnenangriffen in den pakistanischen Stammesgebieten sind mindestens sieben mutmaßliche Aufständische getötet worden. Der erste Drohnenangriff habe sich in der Umgebung des Dorfes Hamzoni in der an Afghanistan grenzenden Region Nord-Waziristan gegen zwei Fahrzeuge von Aufständischen gerichtet, sagte ein hochrangiger Vertreter des pakistanischen Militärs unter Berufung auf Dorfbewohner. Durch den Angriff mit fünf Raketen seien fünf Aufständische getötet worden.

Bei einem weiteren US-Drohnenangriff im Dorf Myzer Madhakhel in Nord-Waziristan seien etwa eine Stunde später mindestens zwei Aufständische getötet worden, verlautete aus pakistanischen Sicherheitskreisen. Bei dem Angriff wurden demnach zwei Raketen auf einen Lieferwagen abgefeuert. Erst am Dienstag starben in Nord-Waziristan elf Extremisten bei einem Drohnen-Angriff.

Mehr Beschwerden über sexuelle Übergriffe in US-Armee

Die Zahl der Beschwerden über sexuelle Belästigung in der US-Armee hat erneut zugenommen. Im Steuerjahr 2009, das im September endete, seien 3230 Beschwerden und damit elf Prozent mehr als im Steuerjahr 2008 eingereicht worden, teilte das US-Verteidigungsministerium in Washington mit. Bereits im Steuerjahr 2008 war die Zahl der Beschwerden im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um acht Prozent gestiegen.

Das Pentagon führte den erneuten Anstieg der Beschwerden auf eine stärkere Sensibilität für das Thema sexuelle Gewalt zurück. Das Ministerium hatte eine Kampagne gestartet, um das Bewusstsein für das Problem zu erhöhen. Opfer sexueller Übergriffe können dies melden, ohne dass ihre Befehlshaber oder die Polizei davon unterrichtet werden. Auch Zivilisten, die von Armeeangehörigen belästigt wurden, können sich an das Pentagon wenden. Im vergangenen Steuerjahr wurden 2284 Untersuchungen wegen sexueller Übergriffe eingeleitet, in 983 dieser Fälle wurden die Beschuldigten bestraft. Von ihnen wurden wiederum 42 Prozent vor ein Militärgericht gestellt.

US-Justizminister Holder: Bin Laden wird nicht lebendig gefasst

US-Justizminister Eric Holder geht davon aus, dass Terroristenchef Osama bin Laden nicht lebendig gefasst wird. Der Al-Qaida-Führer werde niemals vor ein Gericht in den USA gestellt werden, sagte Holder in einer Kongressanhörung in Washington. "Die Wahrscheinlichkeit, ihn lebendig zu fassen, ist unendlich klein." An anderer Stelle sagte der Minister voraus, es werde so kommen, dass "wir der Leiche von Osama bin Laden ihre Rechte vorlesen".

Holders Äußerungen fielen in einem hitzigen Wortwechsel mit Republikanern, die ihm vorhielten, dass die Regierung zu weich mit Terroristen umgehe. Hintergrund ist Holders ursprüngliche Entscheidung, die fünf mutmaßlichen Drahtzieher der Anschläge vom 11. September vor ein ziviles Strafgericht in New York zu stellen. Inzwischen ist die Regierung von diesem Plan aber abgerückt und erwägt nun, den Topterroristen um Chalid Scheich Mohammed den Prozess vor einem Militärtribunal zu machen. Die Männer werden im Lager Guantánamo Bay auf Kuba gefangen gehalten.

Erdogan droht 100.000 Armeniern mit Ausweisung

Der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan hat indirekt damit gedroht, bis zu 100.000 Armenier aus seinem Land auszuweisen. "Ich muss sie nicht in meinem Land behalten", sagte er in einem Interview mit dem türkischsprachigen Dienst der britischen BBC. "Derzeit leben 170.000 Armenier in unserem Land. Davon sind nur 70.000 türkische Bürger. Aber wir tolerieren den Rest. Falls nötig, muss ich diese 100.000 vielleicht auffordern, in ihr Land zurückzukehren, weil sie nicht meine Bürger sind."

Erdogan reagierte damit auf Entschließungen eines US-Kongressausschusses und des schwedischen Parlaments, die die Massaker an Armeniern während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnen. Die türkische Regierung erkennt zwar an, dass osmanische Türken zahlreiche christliche Armenier zu Beginn des 20. Jahrhunderts töteten, lehnt aber die Einstufung als Völkermord ab.

ETA-Terroristen töten erstmals einen französischen Polizisten

Mutmaßliche Terroristen der baskischen Untergrundorganisation Eta haben nahe Paris erstmals einen französischen Polizisten getötet. Wie am Mittwoch aus Ermittlerkreisen verlautete, hatte sich eine bewaffnete Gruppe von mindestens fünf Männern und einer Frau am Vorabend südöstlich der französischen Hauptstadt ein Feuergefecht mit einer Polizeistreife geliefert. Dabei wurde ein 52-jähriger Beamter trotz einer kugelsicheren Weste von einem Geschoss im Brustkorb getroffen und tödlich verletzt. Seine Kollegen konnten einen der Angreifer festnehmen, der sich selbst als ein Mitglied der Eta identifizierte. Bei dem Festgenommenen handelte es sich nach Angaben der Ermittler um den mutmaßlichen Eta-Terroristen Joseba Fernández Aspurz alias "El Guindi". Er wird in Spanien wegen mehrerer Brandanschläge in der Region Navarra steckbrieflich gesucht. Drei mutmaßliche Eta-Terroristen entkamen in einem Auto, zwei flüchteten zu Fuß. Die Polizei leitete eine Großfahndung ein. Die bewaffnete Gruppe hatte nach Angaben ein Autohaus in Dammarie-les-Lys überfallen und mehrere Wagen gestohlen. Eine Polizeistreife stoppte eines der Fahrzeuge und wollte die Insassen festnehmen. In diesem Augenblick sei ein anderes Auto herangefahren, hieß es. Dessen Insassen hätten das Feuer auf die Beamten eröffnet.

Nigerias Übergangspräsident löst Regierung auf

Der nigerianische Übergangspräsident Goodluck Jonathan hat die Regierung aufgelöst. Das teilte Informationsministerin Dora Akunyili am Mittwoch im Anschluss an eine Kabinettssitzung mit. Gründe dafür habe Jonathan nicht genannt, sagte sie. Jonathan war Anfang Februar auf Wunsch des Parlaments Übergangsnachfolger des bisherigen schwerkranken Staatschefs Umaru Yar'Adua geworden. Er war zuvor Vizepräsident gewesen.

Die Abgeordneten befürchteten, dass es wegen Yar'Aduas langer Abwesenheit - er wurde drei Monate lang in einem saudiarabischen Krankenhaus am Herzen behandelt - in Nigeria zu chaotischen Verhältnissen kommen könne. In der Nacht zum 24. Februar kehrte Yar'Adua überraschend nach Nigeria zurück, trat seitdem aber nicht mehr in der Öffentlichkeit auf.

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