Politik kompakt:Die EU als "Christenklub"

Der türkische Ministerpräsident Erdogan gibt sich gelassen, was den EU-Beitritt seines Landes angeht - die Europäische Union soll selbst entscheiden, ob sie ein "Christenklub" ist oder nicht. Kurzmeldungen im Überblick.

Die Türkei will nach den Worten von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan keine Belastung für die Europäische Union sein. "Die Türkei ist ein großes Land aber wir möchten der EU nicht zur Last fallen", sagte Erdogan am Montag in Bosnien, wo er sich für einen zweitägigen Besuch aufhielt. Vielmehr wolle sein Land dabei helfen, die bestehenden Probleme zu überwinden, sagte der türkische Regierungschef auf einer Pressekonferenz in Sarajevo. Die Türkei wolle ein "friedliches Europa", in dem sie ihren Platz einnehmen könne.

"Wir erfüllen unsere Aufgaben und rechnen damit, der EU früher oder später beizutreten", sagte Erdogan in Sarajewo. "Wenn sie uns in der EU nicht wollen, verlieren wir nichts, dann entscheiden sie sich eben dafür, ein Christenklub zu sein." Erdogan reist am Dienstag nach Frankreich weiter und trifft dort Präsident Nicolas Sarkozy. Paris steht einem EU-Beitritt der Türkei ebenfalls skeptisch gegenüber.

Die Beitrittsverhandlungen zwischen der Türkei und der EU laufen seit 2005. Bislang wurden jedoch erst zwölf der 35 Beitrittskapitel eröffnet. Der EU-Beitritt des Landes wird von vielen Staaten kritisch gesehen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt eine EU-Mitgliedschaft des muslimisch geprägten Landes ab und bietet Ankara eine "privilegierte Partnerschaft" an.

Warum sich Moskau bei dem Abrüstungsabkommen mit den USA eine Hintertür offen halten will und Wolfgang Schäuble nicht an eine neue Amnestie für Steuersünder denkt: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.

Zwei Verdächtige nach Mord an Terre'Blanche angeklagt

Nach dem Tod des weißen Rechtsextremisten Eugène Terre'Blanche sind in Südafrika zwei schwarze Verdächtige wegen Mordes angeklagt worden. Die beiden 15 und 21 Jahre alten Verdächtigen hatten sich der Polizei gestellt. Ihnen wird vorgeworfen, den 69-jährigen Terre'Blanche am Samstagabend nach einem Streit um ausstehende Löhne ermordet zu haben. Er war Anführer der 1973 von ihm gegründeten Afrikaner Weerstandsbeweging. Die Bewegung, die auch Nazi-ähnliche Symbole verwendet, war Anfang der 90er Jahre militant gegen die Aussöhnung von Schwarzen und Weißen in Südafrika vorgegangen.

Auschwitz-Diebstahl: Neonazi soll ausgeliefert werden

Nach dem Diebstahl des Schriftzugs "Arbeit macht frei" aus dem NS-Konzentrationslager Auschwitz soll der schwedische Rechtsextremist Anders Högström noch diese Woche an Polen ausgeliefert werden. Er wird als Drahtzieher der Tat verdächtigt. Bis zum 10. April könnten die polnischen Justizbehörden den 34-Jährigen in Stockholm abholen, sagte die zuständige Staatsanwältin Agnetha Hilding Qvarnström. Högström, der in Polen wegen Anstiftung zum Diebstahl gesucht wird, war am 11. Februar in Stockholm festgenommen worden. Er hatte in den 90er Jahren die Nationalsozialistische Front gegründet, sich dann aber laut eigenen Angaben vom Nationalsozialismus abgewandt. Der aus Eisen geformte, fünf Meter lange Schriftzug war am 18. Dezember gestohlen worden. Wenige Tage später fand die Polizei das Diebesgut im Norden Polens und nahm fünf polnische Verdächtige fest. Ende Januar erhielt das Auschwitz-Museum den Schriftzug zurück.

Moskau behält sich Recht auf Ausstieg von Abrüstungsabkommen vor

Russland behält sich nach Angaben von Außenminister Sergej Lawrow das Recht vor, unter bestimmten Bedingungen wieder von dem geplanten Abrüstungsabkommen mit den USA abzurücken. Dies gelte für den Fall, dass Russland künftige US-Raketenabwehrsysteme als Bedrohung seiner Sicherheit betrachte. Der gegenwärtige Plan für ein solches System in Rumänien werde aber nicht als Bedrohung gesehen, sagte Lawrow am Dienstag. Der russische Präsident Dmitri Medwedew und US-Präsident Barack Obama wollen das Abkommen am Donnerstag in Prag unterzeichnen.

Schäuble denkt nicht an neue Amnestie für Steuersünder

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble plant offenbar trotz der aktuellen Welle von Selbstanzeigen mutmaßlicher Steuerflüchtlinge keine generelle Amnestie. Dem Handelsblatt sagte er: "Es geht nicht um Strafbefreiung - die erreicht man schon bisher bei Selbstanzeige." Der frühere Finanzminister Hans Eichel habe ein solches Amnestie-Angebot unterbreitet, sei aber von der Resonanz enttäuscht worden. Wenn sich derzeit Tausende Menschen selbst anzeigten, zeige das nur, dass jeder Steuersünder wisse, was er zu tun habe. "Ich finde das Ausmaß der Selbstanzeigen übrigens erschreckend. Es zeigt die Dimension des Problems", sagte Schäuble.

"Es geht um die Steuern, die man hätte bezahlen müssen, wenn man sich nicht gesetzeswidrig verhalten hätte", beschrieb Schäuble die aktuelle Situation. Derzeit haben Steuersünder die Möglichkeit, mit einer Selbstanzeige bei Nachentrichtung ihrer verzinsten Steuerschuld einer Bestrafung zu entgehen. Das gilt allerdings nur, sofern der deutsche Fiskus von dem Fall noch nichts weiß und noch nicht ermittelt. Den Behörden waren in den letzten Monaten mehrfach Steuerdaten aus der Schweiz über deutsche Steuerpflichtige angeboten worden, was Tausende von Selbstanzeigen Betroffener ausgelöst hatte.

Moskau: Zweite Selbstmordattentäterin identifiziert

Auch die zweite Selbstmordattentäterin der Doppelanschläge auf die Moskauer Metro stammt nach Angaben der Ermittler aus der unruhigen Kaukasusrepublik Dagestan. Es handelte sich um eine 28-jährige Lehrerin aus dem Nordkaukasus, wie der russische Inlandsgeheimdienst FSB am Dienstag bestätigte.

Wie die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf eine Mitteilung des russischen Anti-Terror-Ausschusses berichtete, stammte Tscharipowa aus dem Dorf Balchani in Dagestan und war mit Magomedali Wagapow, einem Rebellenchef der Region, verheiratet. Die oppositionelle Zeitung Nowaja Gaseta hatte am Freitag bereits ein Interview mit ihrem Vater veröffentlicht, in dem dieser angab, seine Tochter auf einem der im Internet veröffentlichten Fotos der Selbstmordattentäterinnen erkannt zu haben.

Zuvor war bereits eine 17-Jährige als Täterin ermittelt worden. Bei den Selbstmordanschlägen während des morgendlichen Berufsverkehrs waren am 29. März 40 Menschen getötet worden, 121 wurden verletzt.

Nato-Truppen töten vier afghanische Zivilisten

Bei einem Nato-Luftangriff in Südafghanistan sind acht Menschen getötet worden, darunter vier Zivilisten. Die afghanischen Behörden und die Nato-Schutztruppe Isaf kündigten eine Untersuchung des Vorfalls an. Nach Angaben der Isaf und der Regierung der Provinz Helmand wurde am Montag ein Gebäude im Bezirk Nahri Sarradsch bombardiert, von dem aus ausländische und afghanische Soldaten beschossen worden waren. Dass sich in dem Gebäude auch zwei Frauen, ein alter Mann und ein Kind aufhielten, sei erst nach dem Luftangriff klar geworden, erklärte die Isaf.

Der Tod von Zivilpersonen bei Nato-Operationen sorgt in der afghanischen Bevölkerung zunehmend für Unmut. Erst am Montag hatte die Schutztruppe eingeräumt, für den Tod von fünf Dorfbewohnern bei einer Militäroperation im Februar in der südöstlichen Provinz Paktia verantwortlich zu sein.

Entwicklungshilfe an Bedingungen knüpfen

Der neue Afrika-Beauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), hat die bisherige Entwicklungspolitik in Afrika als "nicht überall sehr erfolgreich" bezeichnet. Unmittelbar vor der Afrika-Reise von Außenminister Guido Westerwelle und Entwicklungsminister Dirk Niebel plädierte Nooke am Dienstag dafür, künftige Hilfen an Rechenschaftsberichte zu knüpfen. Es müsse auch afrikanischen Ländern deutlich gemacht werden, dass Hilfe effizient eingesetzt werden müsse. Dabei gehe es auch um gute Regierungsführung oder den Schutz der Menschenrechte, sagte der CDU-Politiker. Das hat die schwarz-gelbe Bundesregierung auch in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt.

"Es geht nicht darum, sich beliebt zu machen, sondern darum, in eine echte Partnerschaft einzutreten, wo beide Seiten Verpflichtungen eingehen. Aber das heißt eben auch, Verantwortung tragen, dass sie ihren Teil umsetzen." Er wolle nicht, dass die Gelder geringer werden oder dass die Bundesrepublik weniger zahle. Aber die Regierungen der Empfängerländer sollten "klar abrechnen, was damit geschehen ist und wo Fortschritte zu verzeichnen sind".

Sprachenstreit in Belgien neu angeheizt

Neuer Ärger in flämischen Randgemeinden der belgischen Hauptstadt Brüssel: Einige Bürgermeister sollen den Verkauf von neuen Immobilien an Französisch sprechende Landsleute behindern. Der Gemeindechef von Gooik, Michel Doomst, sagte laut belgischen Medienberichten vom Dienstag: "Wir prüfen nach, wo die Käufer herkommen und wo sie wohnen." Man könne so feststellen, ob potenzielle Immobilienerwerber sich an ihrem neuen Wohnort integrieren könnten. Die Debatte um die "Immobilienkontrolle" heizt den schwelenden Sprachenstreit in Belgien weiter an.

Kritiker sprechen von Diskriminierung und illegalem Vorgehen. Über die Praxis in Umlandgemeinden wie Overijse oder Vilvoorde hatte der flämische TV-Sender VRT an den Osterfeiertagen berichtet. Laut VRT gibt es in einigen Randgemeinden mündliche Absprachen mit Immobilienmaklern, um den Verkauf an Interessenten, die nicht Niederländisch sprechen oder es nicht lernen wollen, zu erschweren.

Größere Bauvorhaben werden demnach auch nur in Niederländisch beworben. Der flämische Innenminister Geert Bourgeois weigert sich seit längerem, drei Bürgermeister in Brüsseler Randgemeinden zu ernennen, in denen es Erleichterungen für französischsprachige Mitbürger gibt. Während Brüssel offiziell zweisprachig ist, gehört das Umland der Hauptstadt größtenteils zur niederländischsprachigen Region Flandern. Der Streit um den Status der Umlandgemeinden vergiftet seit Jahren das politische Klima in Belgien.

Mindestens 25 Tote bei Anschlägen in Bagdad

Bei mehreren Anschlägen in Bagdad sind mindestens 25 Menschen ums Leben gekommen. Rund 130 weitere wurden verletzt, teilte die Polizei mit. Die Explosionen zerstörten mehrere Gebäude in schiitischen Vierteln der irakischen Hauptstadt, darunter ein Restaurant nahe der Haifastraße, an der viele Ministerien und Behörden angesiedelt sind. Nach Zeugenangaben sperrte die Polizei die Straßen rund um die Anschlagsorte weiträumig ab.

Erst am Ostersonntag hatten Selbstmordattentäter in Bagdad Anschläge auf ausländische Botschaften verübt, darunter auch die deutsche Botschaft. Sie töteten nach Angaben von Augenzeugen und Polizisten vor Ort insgesamt 50 Menschen, rund 200 weitere wurden verletzt. Unter den Toten war auch ein irakischer Mitarbeiter der deutschen Botschaft, teilte das Auswärtige Amt in Berlin mit.

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