Politik kompakt:Die Bösen sollen zahlen

25 Milliarden Euro für Kommunen, Firmengründer und Haushalt: Sigmar Gabriel hat neue Ideen, wie die Wirtschaft auf die Beine kommt. Kurzmeldungen im Überblick

Die SPD hat ein 25 Milliarden Euro schweres Hilfspaket für die Haushaltssanierung und zur Ankurbelung von Investitionen vorgeschlagen. Die Spielräume dafür seien vorhanden, sagte der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel auf einem Wirtschaftskongress seiner Partei in Berlin.

Gabriel; Haushaltssanierung; dpa

Weniger ist mehr: Sigmar Gabriel plädiert für den Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen.

(Foto: Foto: dpa)

Allein durch die Streichung der geplanten Finanzierung aus dem Bundeshaushalt für die Sanierung der maroden Atommüllendlager Asse II und Morsleben könnten zehn Milliarden Euro gespart werden. Die Atomindustrie solle stärker an den Kosten beteiligt werden. Die Abschaffung der bisherigen Steuerfreiheit der Rücklagen für die atomare Entsorgung führe zu Mehreinnahmen von zwei Milliarden Euro jährlich, sagte der SPD-Chef.

Weiter plädierte Gabriel für den Abbau von ökologisch schädlichen Subventionen in einem Umfang von fünf Milliarden Euro pro Jahr sowie für die Kürzung von nicht-investiven Beihilfen im Bundeshaushalt.

Je drei Milliarden Euro könnten zudem durch eine Börsenumsatzsteuer sowie die Einführung eines "Bildungssolis" eingenommen werden, fast vier weitere Milliarden durch Rücknahme von großen Teilen des "Wachstumsbeschleunigungsgesetzes" der Koalition.

In einem von Gabriel vorgestellten Papier wird zudem die Gründung eines "Zukunftsfonds Deutschland" angeregt, der Risikokapital für Firmengründer bereitstellen soll. Um den klammen Kommunen zu helfen, will die SPD den Bund mit 400 Millionen Euro stärker an den Kosten für die Unterkunft von Hartz-IV-Empfängern beteiligen.

Welches Amt für Christian Wulff in Frage kommen könnte und wann die vorgezogene Wahl eines neuen Präsidenten in Polen stattfindet: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen

Piraten drohen mit Sprengung von Supertanker

Somalische Piraten haben am Mittwoch mit der Sprengung des von ihnen gekaperten südkoreanischen Supertankers Samho Dream gedroht, falls sie nicht 20 Millionen Dollar Lösegeld erhalten sollten.

Der 333 Meter lange 320.000-Tonnen-Tanker war auf dem Weg vom Irak in die USA. Er hat Öl im Wert von 170 Millionen Dollar an Bord. Die 24 Besatzungsmitglieder - fünf Südkoreaner und 19 Philippinos - werden als Geiseln festgehalten.

Südkorea hat wegen der Kaperung des Tankers ein Kriegsschiff in die Region entsandt. Der Anführer der Piraten sagte am Mittwoch, er wisse, dass Kriegsschiffe einen Angriff vorbereiteten. In diesem Falle würde der Tanker in die Luft gesprengt.

Die Piraterie am Horn von Afrika gilt als Folge der Anarchie in Somalia. Ende 2009 hatten somalische Piraten dem International Maritime Bureau (IMB) zufolge mindestens zwölf Schiffe mit 263 Besatzungsmitgliedern in ihrer Gewalt. Oft werden die Schiffe nach der Zahlung von Lösegeld wieder freigegeben.

Afghanistan-Kommandeur McChrystal in Berlin

Der Kommandeur der Afghanistan-Schutztruppe Isaf, US-General Stanley McChrystal, kommt an diesem Mittwoch zu Gesprächen nach Berlin. Er will sich vor dem Hintergrund zunehmender Gefahren mit Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), Experten des Kanzleramts und Bundestagsabgeordneten treffen. Offen ist, ob McChrystal Forderungen an Deutschland stellt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich einen Tag später, am Donnerstag, in einer Regierungserklärung zum Afghanistan-Einsatz äußern. Derweil sind nach der Freigabe des europäischen Luftraumes für Sichtflüge mit Sondergenehmigungen die in Afghanistan verletzten Bundeswehrsoldaten nach Deutschland zurückgekehrt. Ein Flugzeug brachte die fünf Männer am Dienstagabend von ihrer Zwischenstation Istanbul nach Köln-Wahn. Von dort aus wurden sie mit Fahrzeugen ins Bundeswehrkrankenhaus Koblenz transportiert, wie das Verteidigungsministerium in Berlin mitteilte.

Somalische Piraten kapern weiteres Schiff

Somalische Piraten haben am Mittwoch erneut ein Schiff in ihre Gewalt gebracht. Sie kaperten den Frachter Voc Daisy rund 300 Kilometer südöstlich von Salalah an der somalischen Küste, berichtete das philippinische Außenministerium in Manila. Das Ministerium war eingeschaltet, weil die 21 Seeleute an Bord Philippiner sind. Das Land stellt ein Fünftel der Schiffbesatzungen in aller Welt: rund 350.000 Mann. Weltweit ist die Zahl der Piratenüberfälle in den ersten drei Monaten des Jahres deutlich gesunken. Die Piratenmeldestelle des Maritim-Büros der Internationalen Handelskammer (IMB) in Kuala Lumpur meldete von Januar bis März 67 Fälle, verglichen mit 102 im selben Zeitraum des vergangenen Jahres. 194 Seeleute wurden festgehalten. Hinter 35 der Überfälle stecken nach Angaben des Büros somalische Piraten - im vergangenen Jahr waren es 61. Die verschärften internationalen Patrouillen im Golf von Aden zeigten Wirkung, meinte das Büro. Die Piraten zögen aber immer größere Kreise. Erst Anfang der Woche hatten sie fast 1200 Seemeilen östlich von Somalia im Indischen Ozean drei thailändische Fischtrawler mit 77 Mann an Bord in ihre Gewalt gebracht.

Steinbach: "Genozid" an Armeniern aufarbeiten

Die Vertriebenenchefin und CDU-Politikerin Erika Steinbach hat gefordert, den Massenmord an Armeniern in der Türkei vor mehr als 90 Jahren aufzuarbeiten.

Steinbach, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, sprach vom "Genozid an den Armeniern". Wörtlich erklärte sie: "In den Jahren 1915 und 1916 fielen rund 1,5 Millionen Armenierinnen und Armenier systematischen Massakern und Deportationen des jungtürkischen Regimes zum Opfer. Hunderttausende von ihnen starben auf dem Todesmarsch durch die Syrische Wüste."

Das grausame Verbrechen jähre sich dieser Tage zum 95. Mal. Der türkische Staat sei jedoch bis zum heutigen Tag nicht bereit, diese traurige Erblast aufzuarbeiten, kritisierte Steinbach.

Stattdessen drohe der türkische Premierminister Erdogan im März dieses Jahres mit der Ausweisung der illegal in der Türkei lebenden Armenier, sagte Steinbach.

Die Vertriebenenchefin rief dazu auf, dass "das Verbrechen am armenischen Volk" einen festen Stellenwert im weltweiten kollektiven Gedächtnis als "erster Genozid des 20. Jahrhunderts" erhalten müsse.

Regierung beschließt Nullrunde für Rentner

Die rund 20 Millionen Rentner in Deutschland müssen in diesem Jahr auf eine Rentenerhöhung verzichten. Die Bundesregierung beschloss am Mittwoch für die jährliche Rentenananpassung zum 1. Juli eine Nullrunde für die Ruheständler.

Nur die im vorigen Jahr noch von der damaligen großen Koalition beschlossene Rentengarantie verhindert eine Kürzung der Renten. Nach der alten Rentenformel hätten die Renten in Westdeutschland als Folge der im Jahr 2009 gesunkenen Löhne um fast ein Prozent verringert werden müssen.

Die Kürzungen sollen aber später nachgeholt werden. Vom kommenden Jahr an sollen die Rentenerhöhungen so lange halbiert werden, bis die ausgebliebenen Kürzungen aufgeholt sind.

Zum 1. Juli vorigen Jahres waren die Renten so stark gestiegen wie seit Mitte der Neunziger Jahre nicht mehr. Im Westen konnten die Rentner eine Erhöhung um 2,41 Prozent verbuchen, im Osten waren es 3,38 Prozent.

Wulff als möglicher Bundespräsidenschaftskandidat im Gespräch

Nach seiner aufsehenerregenden Entscheidung, eine Muslimin türkischer Abstammung zur ersten Ministerin in Deutschland zu berufen, ist der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) als möglicher Nachfolger von Bundespräsident Horst Köhler im Gespräch. Politiker von CDU, CSU und FDP lobten in der Bild-Zeitung Wulffs "zukunftsweisende" Personalentscheidung und schlossen seine Kandidatur für das höchste Staatsamt in vier Jahren nicht aus. Er könne sich Wulff "für jedes hohe Amt vorstellen", sagte der rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Erwin Rüddel (CDU) dem Blatt.

Die bayerische Landtagsabgeordnete Christa Matschl betonte, für das höchste Staatsamt komme es "entscheidend auf die Fähigkeit zur Integration an". Sie würde Wulff deshalb "eines Tages" gerne als Bundespräsidenten sehen, sagte die CSU-Politikerin, die Mitglied der letzten Bundesversammlung war. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Carl-Ludwig Thiele, der Anfang Mai in den Vorstand der Bundesbank wechselt, lobte ebenfalls die jüngste Personalentscheidung des niedersächsischen Ministerpräsidenten. "Wulff mit der ihm eigenen Toleranz gehört zweifelsohne zu den herausragenden politischen Persönlichkeiten in Deutschland", sagte Thiele der Zeitung.

Argentinien: Ex-Diktator zu langjähriger Haft verurteilt

Ein argentinisches Gericht hat den letzten Chef der früheren Militärdiktatur des Landes, Reynaldo Bignone, zu 25 Jahren Haft verurteilt. Der heute 82-Jährige sei an der Entführung, Folter und Mord von 56 Menschen in einem geheimen Gefangenenlager beteiligt gewesen, urteilten die Richter am Dienstag. Die Herrschaft rechtsgerichteter Militärs in Argentinien dauerte von 1976 bis 1983. Bignone soll seine Strafe in einem normalen Gefängnis verbüßen. Mit Blick auf den Gesundheitszustand des Ex-Machthabers haben dessen Anwälte dagegen jedoch bereits Beschwerde angekündigt.

Während der Militärdiktatur wurden mehr als 11.000 Menschen getötet oder verschwanden. Menschenrechtsgruppen gehen gar von rund 30.000 Menschen aus. Viele ehemalige Juntamitglieder befinden sich derzeit unter Hausarrest. 2005 hatte das Oberste Gericht die Amnestiegesetze gekippt, die bis dahin die Militärs vor Strafverfolgung schützten.

Becker-Anklageschrift nennt keinen Buback-Mörder

33 Jahre nach dem Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback am 7. April 1977 weiß die Bundesanwaltschaft nach einem Bericht der Bild-Zeitung immer noch nicht, wer die tödlichen Schüsse auf den RAF-Chefermittler und seine beiden Begleiter abgegeben hat. Das berichtet das Blatt am Mittwoch unter Berufung auf die Anklageschrift gegen die RAF-Terroristin Verena Becker (57). Aus der 78 Seiten umfassenden Anklage ergebe sich, dass die Bundesanwaltschaft auch nicht davon ausgehe, dass Becker 1977 auf dem Motorrad saß und auf Buback geschossen hat. Trotzdem werfen die Bundesanwälte der RAF-Terroristin Verena Becker vor, am 7. April 1977 mit Komplizen den Generalbundesanwalt Buback und seine beiden Begleiter ermordet zu haben - heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen.

Becker soll den Mord an Deutschlands oberstem Ermittler geplant und mit organisiert haben. Laut Anklageschrift sollen neben Verena Becker die Terroristen Christian Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts sowie Brigitte Mohnhaupt an der Tat beteiligt gewesen sein. Becker soll laut Anklage unter dem Tarnnamen Paula für die Beschaffung und Transporte im Zusammenhang mit dem Mord zuständig gewesen sein. Am Vortag des Mordes habe sie den Tatort ausgespäht.

Polen: Präsidentenwahl am 20. Juni

Der Nachfolger des tödlich verunglückten polnischen Präsidenten Lech Kaczynski wird am 20. Juni gewählt. Den Termin der vorgezogenen Wahl des neuen Staatsoberhauptes gab am Mittwoch in Warschau Parlamentschef Bronislaw Komorowski bekannt. Um sich um das höchste Staatsamt bewerben zu können, müssen die Kandidaten bis zum 6. Mai 100.000 Unterschriften sammeln. Der eventuelle zweite Wahlgang soll am 4. Juli stattfinden. Amtsinhaber Lech Kaczynski war bei einem Flugzeugabsturz am 10. April bei Smolensk in Westrussland ums Leben gekommen. Die Präsidentenwahl sollte ursprünglich im Herbst stattfinden.

Oettinger will Atommüll-Export untersagen

EU-Energiekommissar Günther Oettinger will den Export von Atommüll sowohl in Drittstaaten als auch innerhalb Europas verbieten. Oettinger werde im Herbst eine entsprechende EU-Richtlinie vorschlagen, schreibt die Stuttgarter Zeitung. Er könne den Menschen in Gorleben die "Sorge nehmen, weil wir jedem der EU-Staaten mit Kernkraftwerken sagen, dass sie selbst ein Endlager entwickeln sollen", sagte Oettinger demnach. Von einem Suchlauf in Baden-Württemberg geht er nicht aus: Die in Gorleben angewandten Sicherheitsstandards "entsprechen sehr wohl dem, was wir erarbeiten". Am Donnerstag befasst sich ein Bundestags-Untersuchungsausschuss mit dem Thema.

USA überprüfen Haltung zu Indianer-Rechten

Die USA haben eine Überprüfung ihrer bisherigen Position zur UN-Erklärung über die Rechte der Ureinwohner angekündigt. Washington werde sich dabei auch "ausführlich" mit Vertretern der Indianer-Stämme und der betroffenen Nichtregierungsorganisationen beraten, kündigte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, am Dienstag vor dem ständigen Forum für indigene Fragen an. Die UN-Vollversammlung hatte im September 2007 eine Erklärung über die Rechte der weltweit rund 370 Millionen Ureinwohner verabschiedet. Die USA, Kanada, Australien und Neuseeland hatten sich der Erklärung damals widersetzt, Australien und Neuseeland aber haben ihre Haltung inzwischen geändert. "Ohne die Geschichte der Ureinwohner gibt es keine amerikanische Geschichte", sagte Rice bei dem Treffen, an dem seit Montag rund 2000 Vertreter indigener Völker teilnehmen. Amerikas Indianer müssten dieselben Freiheiten und Rechte sowie den gleichen Wohlstand genießen wie alle anderen US-Bürger, sagte die US-Botschafterin weiter.

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