Süddeutsche Zeitung

Politik kompakt:Chodorkowskij wieder vor Gericht

Dem Kreml-Kritiker Chodorkowskij drohen in Russland bis zu 22 Jahre Haft, Altkanzler Kohl plant wieder öffentliche Auftritte und Nordkorea will zwei US-Journalistinnen anklagen.

Chodorkowskij wieder vor Gericht

Der frühere russische Ölmilliardär und inhaftierte Kreml-Kritiker Michail Chodorkowskij steht wieder vor Gericht. Der 45-Jährige, der einst als reichster Mann Russlands galt, wird beschuldigt, umgerechnet rund 20 Milliarden Euro unterschlagen zu haben. Chodorkowski und seinem ehemaligen Geschäftspartner Platon Lebedew drohen im Falle einer Verurteilung bis zu 22 Jahre Haft. Der Angeklagte beantragte, den ehemaligen Staatspräsidenten Wladimir Putin als Zeugen vorzuladen. Zur Begründung sagte Chodorkowski, er habe Putin persönlich Berichte über die Einnahmen des Unternehmens übergeben.

Viele Beobachter halten den Prozess, dessen Hauptverhandlung am Dienstag begann, für politisch motiviert. Eigentliches Ziel sei es, Chodorkowski weiter hinter Gittern zu halten. Der frühere Chef des zwischenzeitlich zerschlagenen Ölkonzerns Jukos verbüßt derzeit eine achtjährige Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung und Betrugs. Sie endet im Jahr 2011 - wenige Monate vor der nächsten Präsidentenwahl. Schon Chodorkowskis Verhaftung im Jahr 2003 hielten Kreml-Kritiker für einen Vorwand, um ihn für seine politischen Ambitionen abzustrafen.

Kohl will wieder öffentlich reden

Mehr als ein Jahr nach seinem schweren Sturz tritt der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) nach einem Zeitungsbericht erstmals wieder öffentlich auf. Am 8. Mai werde er bei einer Veranstaltung der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung in Stuttgart sprechen, meldet die Welt. Kohl wolle an seinen Freund, den 1977 von RAF-Terroristen entführten und ermordeten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer, erinnern. Ob es sich dabei um eine längere Rede oder kurze Anmerkungen handeln werde, sei noch nicht entschieden, berichtet das Blatt unter Berufung auf Kohls Büro. Kohl, der von 1982 bis 1998 Bundeskanzler war, wird an diesem Freitag 79 Jahre alt.

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USA: Die Kosten des Krieges

Die Kriege im Irak und Afghanistan sowie der Kampf gegen den Terrorismus haben die USA seit 2001 685,7 Milliarden Dollar gekostet. Wie der Rechnungshof des Kongresses (GAO) am Dienstag mitteilte, entfielen davon allein 533,5 Milliarden Dollar auf den Krieg im Irak. Die Einsätze in Afghanistan, am Horn von Afrika und den Philippinen kommen demnach zusammen auf eine Summe von 124,1 Milliarden Dollar. Die übrigen 28,1 Milliarden Dollar wurden für Maßnahmen zur Verteidigung der USA selbst ausgegeben. Damit nahm das Verteidigungsministerium rund 85 Prozent der seit 2001 vom Kongress zur Verfügung gestellten Mittel von 808 Milliarden Dollar in Anspruch. US-Präsident Barack Obama hat für Ende August kommenden Jahres den Abzug der US-Kampftruppen aus Irak angekündigt. Im Gegensatz dazu soll die Zahl der Soldaten in Afghanistan aufgestockt werden.

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Obama stellt große Flächen unter Naturschutz

US-Präsident Barack Obama hat ein umfangreiches Umweltschutzgesetz erlassen und 800.000 Hektar Land unter Naturschutz gestellt. Das betroffene Land erstrecke sich über neun Bundesstaaten, sagte Obama am Montag bei der Unterzeichnung des Gesetzes im Weißen Haus in Washington. Es handele sich um "einen der bedeutendsten Gesetzestexte seit Jahrzehnten, um unsere Landschaft zu schützen, zu erhalten und im bestmöglichen Zustand an künftige Generationen zu übergeben." Mit den 800.000 Hektar wurde laut US-Regierung mit einem Mal fast genauso viel Fläche unter Schutz gestellt wie in den vergangenen acht Jahren zusammen. Zudem werden Naturparks ausgeweitet und Flussverläufe geschützt. Obama hat den Umwelt- und Klimaschutz zu einem der Schwerpunkte seiner Regierung gemacht.

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US-Journalistinnen müssen mit Anklage in Nordkorea rechnen

Nordkorea will zwei US-Reporterinnen wegen des Vorwurfs des illegalen Grenzübertritts und "feindseliger Handlungen" vor Gericht bringen. Die zuständige Behörde bereite derzeit die Anklage gegen sie "bei einem Verfahren auf der Grundlage bereits bestätigter Verdachtsmomente" vor, berichtete die staatlich kontrollierte Nachrichtenagentur KCNA. Die beiden Frauen waren vor zwei Wochen bei Recherchen an der Grenze zwischen China und Nordkorea von nordkoreanischen Grenzposten festgenommen worden. Seitdem werden sie in dem kommunistischen Land festgehalten.

"Die unerlaubte Einreise von US-Reportern in die Volksrepublik (Nordkorea) und ihre mutmaßlichen feindseligen Handlungen wurden durch Beweise und ihre Stellungnahmen bestätigt", hieß es in dem KCNA-Bericht. Den beiden Journalistinnen werde Kontakt zu konsularischen Vertretungen gewährt. Wann ein Verfahren gegen beide stattfinden soll, blieb unklar.

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Pol Pots Chef-Folterer gesteht Verantwortung

Im ersten Prozess zur Aufarbeitung des Pol Pot-Regimes in Kambodscha hat der Chef-Folterer der Roten Khmer seine Verantwortung für die ihm vorgeworfenen Verbrechen eingestanden. Der 66-jährige Duch bat vor dem Sondertribunal in Phnom Penh am Dienstag zudem seine Opfer um Verzeihung. Das Gericht wirft Duch Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Folter und Mord vor.

Duch war der Leiter des berüchtigten Gefängnisses Tuol Sleng (S21), in dem während der Herrschaft von Pol Pot zwischen 1975 und 1979 mehr als 15.000 Männer, Frauen und Kinder gefoltert oder hingerichtet wurden. Er wurde im Jahr 1999 verhaftet. Während der Schreckensherrschaft von Pol Pot, der 1998 starb, kamen in Kambodscha etwa zwei Millionen Menschen ums Leben.

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Taliban bekennen sich zu Anschlag in Pakistan

Die radikal-islamischen Taliban haben sich zu dem Überfall auf eine Polizeischule in Lahore in Ostpakistan bekannt. Ihr pakistanischer Anführer Baitullah Mehsud sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters: "Wir haben diesen Anschlag verübt. Einzelheiten gebe ich später bekannt." Bei der Besetzung der Akademie waren am Montag mindestens acht Kadetten getötet und Dutzende verletzt worden. Augenzeugen zufolge hatten die Angreifer während der morgendlichen Übung der Kadetten von mehreren Seiten den Exerzierplatz angegriffen. Später verschanzten sie sich in der Akademie bis Sicherheitskräfte das Gebäude stürmten. Offenbar wurden bisher etwa 50 Verdächtige festgenommen.

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USA lassen weiteren Guantanamo-Häftling frei

Die US-Regierung hat die Freilassung eines weiteren Guantanamo-Häftlings angekündigt. Wohin der jemenitische Arzt ausreisen werde, stehe allerdings noch nicht fest, hieß es in Washington. Die Behörden bemühten sich jetzt um ein Aufnahmeland für den 38-Jährigen. Sein Anwalt begrüßte die Entscheidung. "Wir haben immer die Position vertreten, dass Ärzte nicht als Kombattanten festgehalten werden können", sagte William Murphy.

Dem Jemeniten wurde zur Last gelegt, Terrorführer Osama bin Laden zwei mal im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet getroffen zu haben. Er soll auf dessen Bitte hin 2001 beim Kampf um Tora Bora Kämpfer der al Qaida verarztet haben.

Seinem Anwalt zufolge hat er dort an einer rein humanitären Mission teilgenommen. Der 38-Jährige wurde Ende 2001 in Afghanistan festgenommen und im April 2002 auf den US-Stützpunkt Guantanamo auf Kuba gebracht. Dort werden zurzeit noch etwa 240 Männer unter Terrorverdacht festgehalten. US-Präsident Barack Obama will das Lager binnen eines Jahres schließen.

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Briten verlassen Irak

Sechs Jahre nach dem Irak-Krieg hat Großbritannien mit dem Abzug der letzten seiner einst 45.000 Soldaten aus dem Irak begonnen. Die Briten übergeben die Kontrolle in der Stadt Basra an die US-Truppen. Fast alle rund 4100 noch im Süden des Landes stationierten Soldaten sollen bis Ende Juli abgezogen sein.

Damit ist das Ende einer der umstrittensten Einsätze der britischen Streitkräfte eingeläutet. Seit dem Beginn der Invasion im Frühjahr 2003 kamen 179 britische Soldaten im Irak ums Leben, zahlreiche wurden verletzt. Auf dem Höhepunkt der US-geführten Invasion waren rund 45 000 Briten im Einsatz.

Die Operation der Briten endet offiziell am 31. Mai, alle Soldaten bis auf 400 sind nach den Plänen dann bis zum 31. Juli aus dem Land. Generalmajor Andy Salmon, der führende Kommandeur im Irak, räumte ein, dass der Einsatz Höhen und Tiefen gehabt habe. Die Briten könnten aber "erhobenen Hauptes" abziehen, sagte er der BBC.

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Netanjahu als neuer israelischer Ministerpräsident bestätigt

Sieben Wochen nach der Parlamentswahl in Israel ist am Dienstag Benjamin Netanjahu als neuer Ministerpräsident mit seiner Regierung vereidigt worden. In der Knesset sprachen zuvor 69 Abgeordnete dem Kabinett unter der Führung des konservativen Likud-Politikers ihr Vertrauen aus, 45 votierten dagegen. Offiziell tritt er sein Amt als Nachfolger von Ehud Olmert am Mittwoch an.

Zuvor hatte Netanjahu in einer Rede vor dem Parlament erklärt, er strebe eine "dauerhafte Übereinkunft" mit den Palästinensern und Frieden mit der arabischen Welt an. Allerdings befürwortete er nicht explizit einen unabhängigen palästinensischen Staat. "Wir wollen kein anderes Volk regieren. Wir wollen nicht die Palästinenser regieren", sagte Netanjahu. Israel strebe heute mehr denn je einen umfassenden Frieden mit der gesamten arabischen und muslimischen Welt an. Israelis und Araber hätten letztlich ein gemeinsames Interesse daran, den Terror von Fanatikern zu bekämpfen. "Wir sind entschlossen, den Terrorismus in jeder Hinsicht zu blockieren", sagte Netanjahu, der in diesem Zusammenhang den Iran als schwere Bedrohung für die Sicherheit im Nahen Osten bezeichnete.

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