Süddeutsche Zeitung

Politik kompakt:Britische Opposition wettert gegen EU-Vertrag

Großbritanniens Konservative wollen die EU-Reform blockieren, Obamas Tibet-Politik wird kritisiert, und die Aufregung um Bundesbanker Sarrazin hält an.

Britische Opposition wettert gegen EU-Vertrag

Die konservative Opposition in Großbritannien, die in rund sieben Monaten die Regierung stellen könnte, wettert weiter gegen den Vertrag von Lissabon. Außenexperte William Hague, der im Falle eines Sieges bei den Parlamentswahlen der nächste Außenminister werden soll, kritisierte beim Parteitag der Konservativen vor allem die im EU-Reformwerk vorgesehene Position eines festen EU- Präsidenten. "Wir wollen eine Europäische Union, die durch die Übereinkunft der Nationen handelt statt ihren eigenen Präsidenten oder Außenminister über die Nationen zu stellen", sagte Hague am Donnerstag in Manchester. Der Vertrag von Lissabon verstoße "gegen den Geist unserer Zeit".

Oppositionschef David Cameron sieht sich Forderungen des europaskeptischen Flügels seiner Partei ausgesetzt, auch dann gegen den Vertrag zu Felde zu ziehen, wenn er zum Zeitpunkt eines wahrscheinlichen Regierungswechsels bereits von allen 27 EU- Mitgliedstaaten ratifiziert worden sein sollte. Dazu fehlen noch die fraglichen Unterschriften aus Polen und vor allem Tschechien. Cameron hatte bislang nur versprochen, ein Referendum über den Vertrag abzuhalten, sollte er nach einer Machtübernahme durch seine Tories noch nicht in Kraft getreten sein.

Richard Gere kritisiert Obama wegen Tibet

Im Beisein des Hollywoodstars Richard Gere und des deutschen Schauspielers Hannes Jaenicke hat der Dalai Lama am Mittwoch in Washington zwei Tibet-Aktivisten ausgezeichnet. Gastgeber der Preisverleihung war die weltweit größte Tibet-Organisation "International Campaign for Tibet" (ICT). Gere ist internationaler Vorsitzender der Organisation, Jaenicke vertrat bei der Verleihung ICT-Deutschland.

Auch die Präsidentin des US-Abgeordnetenhauses, Nancy Pelosi, nahm an der Feierlichkeit teil. Sie hatte dem Dalai Lama am Dienstag selbst einen Menschenrechtspreis verliehen. US-Präsident Barack Obama hatte dagegen ein Treffen mit dem geistigen Oberhaupt der Tibeter verschoben: Er will zuerst seine für November in Peking geplante Begegnung mit dem chinesischen Staatsoberhaupt Hu Jintao abwarten.

Gere und Jaenicke kritisierten Obamas Haltung. Er wünsche sich, sein Präsident hätte mehr Mut bewiesen, erklärte Gere in seiner Rede.

USA fordern "klares Zeichen" aus Nordkorea

Die USA haben zurückhaltend auf nordkoreanische Äußerungen reagiert, nach denen Pjöngjang unter bestimmten Voraussetzungen wieder an internationalen Gesprächen über sein Atomprogramm teilnehmen will.

US-Außenamtssprecher Philip Crowley sagte am Mittwoch in Washington: "Die jüngste Erklärung unterscheidet sich von anderen in den jüngsten Wochen oder Monaten." Die USA wollten aber ein "klareres Zeichen" für eine Verhaltensänderung Nordkoreas.

Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Il hatte kürzlich die Bereitschaft zu einer Rückkehr zu den Sechs-Staaten-Verhandlungen über eine Einstellung des nordkoreanischen Atomwaffenprogramms für den Fall angedeutet, dass bilaterale Gespräche mit den USA erfolgreich verliefen. Die USA hatten die Bereitschaft zu solchen Gesprächen erklärt - Crowley sagte jedoch am Mittwoch, es gebe noch keine Übereinkunft über ein tatsächliches Treffen. Es werde nur stattfinden, wenn klar die Aussicht auf eine Wiederaufnahme der Sechser-Gespräche bestehe. Diese schließen neben Nordkorea und den USA, auch China, Russland, Japan and Südkorea ein.

Guantanamo-Häftlinge können in die USA überstellt werden

US-Abgeordnete haben an diesem Mittwoch eine Einigung für die Überstellung von weiteren Gefangenen aus dem umstrittenen Gefangenenlager Guantanamo in die USA erzielt. Unterhändler des Repräsentantenhauses und des Senats brachten eine entsprechende Passage in einen Gesetzentwurf für den Haushalt des Heimatschutzministeriums ein. Beide Kammern müssen den Entwurf noch verabschieden, bevor US-Präsident Barack Obama ihn unterzeichnen kann.

Die Regierung will einige der noch 223 verbliebenen Guantanamo-Gefangenen in den USA vor Gericht bringen. Republikaner und einige Demokraten befürchten allerdings, dass dies Sicherheitsrisiken hervorrufen könnte. Es wird mit einer harten Abstimmung gerechnet.

John fordert Sarrazins Rücktritt

Die Vorsitzende des Beirats der Anti-Diskriminierungsstelle des Bundes, Barbara John (CDU), hat den Rücktritt von Thilo Sarrazin aus dem Vorstand der Bundesbank gefordert. "Was er sagt, ist abwertend, niedermachend, destruktiv und ausgrenzend. Nach der allgemeinen Definition, was rassistisch ist, könnte man seine Äußerungen da einordnen", sagte John der Frankfurter Rundschau .

Sarrazin hatte unter anderem Berliner Türken und Arabern vorgeworfen, keine produktive Funktion zu haben - außer für den Obst- und Gemüsehandel. Sarrazin (64) ist seit dem 1. Mai im Bundesbank-Vorstand. Zuvor war der SPD-Politiker sieben Jahre lang Finanzsenator in Berlin.

Gesinnungsfragen zu Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig

Der Fragebogen zu seiner Gesinnung, den ein marokkanischer Student in Münster zur Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ausfüllen musste, war rechtswidrig. Dies entschied am Donnerstag das Verwaltungsgericht Münster. Es verurteilte die städtische Ausländerbehörde, den vom Kläger ausgefüllten "Sicherheits-Fragebogen" zu vernichten. Dieser war nach Angaben eines Gerichtssprechers aus formalem Grund rechtswidrig, da darin der Hinweis auf die gesetzliche Grundlage für die Datenerhebung fehlte. Der 32-jährige Student aus Marokko sei somit nicht informiert worden, warum er den Fragebogen ausfüllen und was mit den Daten passieren sollte (Az: 8 K 1498/08).

(AFP)

Honduras-Konflikt schwelt trotz Verhandlungen weiter

Die Fronten zu Beginn der Gespräche über den Honduras-Konflikt sind weiterhin verhärtet. Der gestürzte Präsident Manuel Zelaya besteht ultimativ darauf, bis zum 15. Oktober wieder als Staatschef eingesetzt zu werden. Sein Gegenspieler, Interims-Präsident Roberto Micheletti erklärte, er werde nicht zurücktreten, wenn nicht gleichzeitig Zelaya seine Ansprüche zurücknehme. Die Verhandlungen der beiden Lager hatten am Mittwoch erstmals auf honduranischem Boden im Beisein einer Delegation von Außenministern der Organisation der Amerikanischen Staaten (OAS) begonnen.

Zelaya, der seit dem 21. September in der brasilianischen Botschaft Zuflucht gefunden hat, sagte: "Ich bin eine Lösung und nicht ein Problem." Er dämpfte die Hoffnungen auf eine rasche Einigung mit den Worten: "Ich glaube immer noch, dass es einen Ausweg gibt, aber er ist weit entfernt." Die einzige Lösung sei, dass er wieder Präsident von Honduras werde. Micheletti verkündete dagegen bei einem Treffen mit der OAS-Delegation, die einzige Lösung der Krise bestehe im Ahbalten der Präsidentenwahlen am 29. November.

Die politische Krise in Honduras war am 28. Juni in einen offenen Machtkampf umgeschlagen. Damals setzten Militärs Zelaya auf Anordnung des Obersten Gerichtes ab und verfrachteten ihn ins Ausland. Am selben Tag bestimmte der Kongress Micheletti, den damaligen Parlamentsvorsitzenden, zum neuen Präsidenten. Zwei Versuche Zelayas, nach Honduras zurückzukehren, um mit Hilfe seiner Anhänger an die Macht zurückzukehren, scheiterten.

Juntachef lässt Blutbad in Guinea untersuchen

Oberst Moussa Camara, der Chef der Militärjunta im westafrikanischen Guinea, hat eine Untersuchungskommission zur blutigen Niederschlagung einer Kundgebung der Opposition in der vergangenen Woche angekündigt. Im staatlichen Fernsehen verkündete er, der Kommission würden auch Vertreter der Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, sowie Ärzte, Richter und Rechtsanwälte angehören.

Beim brutalen Einsatz der Sicherheitskräfte waren nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen mindestens 157 Menschen getötet worden. Das Innenministerium in Conakry beziffert die Zahl der Toten dagegen mit 57. Das Massaker war weltweit scharf verurteilt worden.

Die Afrikanische Union (AU) hatte Camara ein in der kommenden Woche auslaufendes Ultimatum gesetzt, auf eine Kandidatur bei den Präsidentenwahlen im kommenden Januar zu verzichten. Andernfalls will die AU Sanktionen gegen Guinea verhängen. Der französische Außenminister Bernard Kouchner verdächtigte Camara am Mittwoch, den Schießbefehl gegen die Demonstranten erteilt zu haben. Die einstige Kolonialmacht Frankreich hat die bisherige Militärhilfe für Guinea nach dem Massaker von Conakry eingestellt.

Bundestag verkleinert Präsidium

Der Bundestag will offenbar den Posten des sechsten Vizepräsidenten streichen. Das zeichnete sich nach Informationen der Rheinischen Post bei den Vorbereitungen der Sitzung des sogenannten Vorältestenrates ab, der an diesem Donnerstag über die für den 27. Oktober vorgesehene Eröffnungssitzung des neu gewählten Bundestages entscheidet.

Bislang stellten die SPD zwei Vizepräsidenten und die anderen vier Fraktionen je einen. Angesichts der veränderten Stärkeverhältnisse mit 239 Unions- und 146 SPD-Abgeordneten ist die Union den Angaben zufolge nicht mehr bereit, der SPD ihren Sonderstatus zu zuzugestehen.

An der Wiederwahl von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) gebe es nach dessen einstimmiger Nominierung durch die Unionsfraktion keine Zweifel mehr. Zur Besetzung des einen verbliebenen SPD-Postens im Präsidium müssten sich nun die Amtsinhaber Wolfgang Thierse und Susanne Kastner einer Kampfabstimmung in ihrer Fraktion stellen. Die Reduzierung des Präsidiums um ein Mitglied bewirkt nach Berechnungen der Zeitung Einsparungen von rund 250.000 Euro auf die gesamten vier Jahre bezogen.

Gericht erlaubt Zivilverfahren gegen Orhan Pamuk

Das oberste türkische Berufungsgericht hat grünes Licht für mögliche Schadenersatzklagen gegen den Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk wegen "Herabwürdigung des Türkentums" gegeben. Der türkische Schriftsteller hatte kritisiert, dass in der Türkei die Ermordung von Kurden und Armeniern im Ersten Weltkrieg geleugnet wird.

Auch nach der Einstellung eines Strafprozesses gegen Pamuk im Januar 2006 seien Zivilklagen möglich, berichteten türkische Zeitungen am Donnerstag über eine Entscheidung des Kassationsgerichtshofes in Ankara. Pamuk kritisierte das Urteil des Berufungsgerichtes: Er bezweifle, ob man nach einem solchen Urteil noch von Meinungsfreiheit in der Türkei sprechen könne.

Pamuk war in dem später eingestellten Strafprozess angeklagt, weil er die von der Türkei bestrittenen Massaker an den Armeniern thematisiert und von "einer Million ermordeten Armeniern" gesprochen hatte. Dem Schriftsteller, der 2006 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden war, hätten im Fall einer Verurteilung bis zu drei Jahre Haft gedroht. "Man hat 30.000 Kurden umgebracht. Und eine Million Armenier. Und fast niemand traut sich, das zu erwähnen", hatte Pamuk in einer Schweizer Zeitung erklärt.

Österreichs NS-Justizopfer vor Rehabilitierung

Nach jahrelanger Debatte haben sich die politischen Parteien in Österreich auf die Rehabilitierung von Wehrmachtsdeserteuren und Opfern der NS-Justiz geeinigt. Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP sowie die oppositionellen Grünen präsentierten am Mittwoch in Wien einen entsprechenden Gesetzentwurf, der in der kommenden Woche im Parlament zur Abstimmung gestellt werden soll. Die rechtspopulistischen Parteien FPÖ und BZÖ lehnen eine Rehabilitierung weiter ab, können eine Verabschiedung des Gesetzes aber nicht verhindern.

Kaczynski will EU-Reformvertrag unterzeichnen

Der polnische Staatspräsident Lech Kaczynski wird den EU-Reformvertrag voraussichtlich an diesem Sonntag unterzeichnen. Dies erklärte der Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros, Aleksander Szczyglo, am Donnerstag in Warschau. Mit einem solchen Schritt Kaczynskis hätte Polen den Vertrag ratifiziert. Der Reformvertrag von Lissabon kann erst in Kraft treten, wenn er in allen 27 EU-Staaten ratifiziert worden ist. Derzeit fehlen noch die Unterschriften des tschechischen und des polnischen Präsidenten. In Tschechien ist überdies eine Verfassungsklage gegen den Reformvertrag anhängig. Die Iren hatten dem Vertrag am Samstag in einem zweiten Referendum zugestimmt. Der Vertrag von Lissabon soll die auf 27 Mitglieder erweiterte EU handlungsfähiger machen.

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