Politik kompakt:Russland boykottiert Nobelpreiszeremonie

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Wirkt Chinas Druck? Russland und fünf andere Länder wollen nicht zur Übergabe des Friedensnobelpreises an Liu Xiaobo kommen. Kurzmeldungen im Überblick.

Russland boykottiert die Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Dissidenten Liu Xiaobo. Der Sekretär des Preiskomitees, Geir Lundestad, sagte, die Botschafter von Russland, Kuba, Kasachstan, Marokko und Irak hätten Einladungen abgewiesen. Den genauen Grund dafür hätten sie nicht mitgeteilt. Auch China wird nicht teilnehmen.

Die Übergabe seines Friedensnobelpreises ist in Gefahr: Liu Xiaobo sitzt in China im Gefängnis. (Foto: dpa)

China bezeichnet den Dissidenten Liu als Kriminellen und hat Druck auf andere Staaten ausgeübt, keine offiziellen Vertreter zur Preisverleihung am 10. Dezember zu entsenden. Der Sprecher der russischem Botschaft, Wladimir Isupow, bestritt aber, dass die Absage politisch motiviert sei. Sein Land fühle sich nicht durch China unter Druck gesetzt.

Allerdings wird der Preis in diesem Jahr wahrscheinlich sowieso nicht übergeben: Laut Lundestad hat niemand von Lius Familie angekündigt, zur Preisverleihung nach Oslo zu kommen. Die mit zehn Millionen Kronen (knapp eine Millionen Euro) dotierte Auszeichnung dürfe aber nur vom Preisträger selbst oder von engen Familienangehörigen entgegengenommen werden. Liu verbüßt in einem chinesischen Gefängnis eine elfjährige Haftstrafe wegen Staatsgefährdung. Seine Frau Liu Xia steht seit Bekanntgabe der Verleihung Anfang Oktober unter Hausarrest. Es wäre das erste Mal seit 1936, dass der Ausgezeichnete den Preis nicht selbst annehmen kann. Damals ließ das Nazi-Regime den deutschen journalisten Carl von Ossietzky nicht ausreisen.

In Nigeria sind 19 Entführungsopfer wieder in Freiheit und Bundesfamilienministerin Schröder will jährlich 35.000 Freiwillige für den Zivildienst gewinnen: Lesen Sie auf den nächsten Seiten weitere Kurzmeldungen im Überblick.

(dapd)

Die SPD-geführten Bundesländer stellen sich gegen den Atommülltransport von Ahaus nach Russland. "Es gibt derzeit von Bundesumweltminister Röttgen kein verantwortbares Transport- und Entsorgungskonzept für Atommüll", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) der Süddeutschen Zeitung. Die Bundesregierung plant, Castoren mit Atommüll aus dem nordrhein-westfälischen Ahaus in den Atomkomplex Majak im Südural zu schicken.

Neben den Bedenken, ob die russische Anlage überhaupt den Sicherheitsstandards entspricht, habe Gorleben gezeigt, "dass das CDU-Polit-Chaos um die Kernenergie auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten ausgetragen wird", sagte Jäger. Nach Auffassung der SPD-geführten Länder sollte die Atomindustrie als Verursacher für die Kosten der Brennelementetransporte aufkommen. "Schließlich verdienen die Konzerne Milliarden mit der Atomenergie", forderte Jäger.

(SZ vom 19.10.2010/bed)

Vor dem Nato-Gipfel in Lissabon hat Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sich erneut dafür ausgesprochen, 2012 mit dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan zu beginnen. "Vorbehaltlich der Entwicklung der Sicherheitslage ist es unser Ziel, unser eigenes Kontingent im Jahr 2012 zum ersten Mal zu reduzieren", schreibt Westerwelle in einem Gastbeitrag für Die Wel t. Bei ihrem Gipfel werde die Nato eine strategische Weichenstellung für das gemeinsame Engagement am Hindukusch vornehmen. Die Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die Regierung von Präsident Hamid Karsai solle "im nächsten Jahr beginnen, Distrikt für Distrikt, Provinz für Provinz", führte der Vizekanzler aus. Auch wenn bei dem am Freitag beginnenden Nato-Gipfel noch keine konkreten Gebiete benannt würden, "weil es den Taliban in die Hände spielen könnte, diesen Prozess der schrittweisen Übergabe zu unterminieren - das Startsignal dafür soll definitiv gegeben werden", kündigte Westerwelle an.

2014 sollten die Afghanen dann in der Lage sein, die Sicherheitsverantwortung vollständig zu übernehmen. Westerwelle rief die Nato außerdem dazu auf, die Frage der Abrüstung neu zu gewichten. "Die Nato wird auch in Zukunft ein Verteidigungsbündnis sein und kein Abrüstungsvertrag", schreibt der Außenminister in der Zeitung. Gleichwohl liege es "in unser aller Sicherheitsinteresse, dass die Nato als das wichtigste Militärbündnis der Welt ihren Beitrag zu Abrüstung, Rüstungskontrolle und der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen" leiste. Deshalb solle sich das Bündnis zum Ziel einer Welt ohne Atomwaffen bekennen und in der kommenden Zeit einen konkreten Beitrag zu Abrüstung und Rüstungskontrolle definieren.

(AFP)

Die FDP hat es sich offenbar mit Aiman Mazyek verscherzt. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime läst seine Mitgliedschaft ruhen. Der Berliner Tagesspiegel berichtet unter Berufung auf einen Brief Mazyeks an die Parteiführung, die Liberalen hätten sich zu weit von ihren Ursprüngen als echte Partei der Bürgerrechte entfernt. Sie müsse "weg von der Nibelungentreue zur Union und selbstkritisch hinterfragen, ob der eingeschlagene Weg als Steuersenkungspartei, als Abnicker verschärfter Sicherheitsgesetze zu Lasten der Freiheit bis hin zu Verbotsgesetzen (Online-Abfragen oder Kopftuchverbote) nicht der falsche Weg", schreibt Mazyek dem Blatt zufolge.

(sueddeutsche.de)

US-Präsident Barack Obama eine Abstimmung über den Start-Abrüstungsvertrag mit Russland noch in diesem Jahr durchsetzen - auch gegen repulikanischen Widerstand. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, signalisierte, dass sich die Regierung nicht durch die Blockade-Haltung des Senators Jon Kyl aus Arizona abschrecken lasse. Man glaube, auch so die nötigen Stimmen zur Ratifizierung des Vertrages über die Reduzierung der nuklearen Sprengköpfe zusammenzubekommen.

Kyl hatte von Obamas Regierung eine Reihe von Zugeständnissen verlangt - darunter zusätzliche Gelder für die Modernisierung des verbleibenden US-Nuklearwaffenpotenzials. Andernfalls würde er gegen den Vertrag stimmen, was die Wirkung eines Vetos haben könnte: Die Meinung des Republikaners gilt für das Abstimmungsverhalten mehrerer seiner Parteifreunde als entscheidend.

(dpa)

Im Prozess um den Mord an Generalbundesanwalt Buback hat die Nebenklage eine neue Theorie zum Tathergang im Jahr 1977: Demnach könnten Terroristen auf zwei Motorrädern an dem Attentat der Roten Armee Fraktion (RAF) beteiligt gewesen sein. Das sagte Nebenklagevertreter Ulrich Endres am Donnerstag in der Gerichtsverhandlung in Stuttgart-Stammheim. Die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker ist als Mittäterin des Anschlags angeklagt. Nach bisherigen Erkenntnissen waren zwei Täter auf einem Motorrad an dem Attentat beteiligt.

Die Anklage geht nicht davon aus, dass Becker selbst auf dem Tatmotorrad saß - sie ist nur wegen ihrer Rolle bei der Organisation des Anschlags angeklagt. Anders Michael Buback, der Sohn des Opfers, der als Nebenkläger im Verfahren auftritt: Er glaubt, Becker habe selbst geschossen und sei anschließend geschützt worden, weil sie mit Geheimdiensten kooperiert habe. Die bisherigen Zeugenvernehmungen im Prozess haben allerdings keine Anhaltspunkte dafür gegeben, dass auf dem Soziussitz des Motorrads, wie von Buback behauptet, eine Frau saß.

(dpa)

Russland wirft den USA vor, den in New York inhaftierten mutmaßlichen russischen Waffenhändler Viktor Bout unter Druck zu setzen. Nach Angaben Bouts hätten US-Vertreter während des Auslieferungsfluges von Thailand in die USA versucht, den 43-Jährigen zum Geständnis von Taten zu bewegen, die er nicht begangen habe, sagte der russische Generalkonsul in New York, Andrej Juschmanow, am Donnerstag russischen Medien. Im Gegenzug seien ihm gewisse Vorteile versprochen worden. "Viktor Bout wies diese Versuche zurück", berichtete Juschmanow nach einem Gespräch mit dem Inhaftierten.

Der als "Händler des Todes" bekannte mutmaßliche Waffenhändler war am Dienstag in einem US-Flugzeug aus Thailand ausgeflogen worden, nachdem die Regierung in Bangkok nach langem Zögern der Auslieferung in die USA zugestimmt hatte. Die USA werfen ihm unter anderem Verschwörung zum Mord an US-Bürgern und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung vor. Bout weist die Anschuldigungen zurück und plädierte an diesem Mittwoch vor einem New Yorker Gericht auf "nicht schuldig". Russland kritisiert die Auslieferung scharf und kündigte an, Bout zu unterstützen. Juschmanow zufolge beklagte sich Bout über seine Haftbedingungen. Nach seiner Festnahme im warmen Thailand fehle es ihm nun an angemessener Kleidung. Zudem seien ihm seine Artikel zur Körperhygiene weggenommen worden. Bout sitzt seit seiner Ankunft in New York in einem Hochsicherheitsgefängnis ein. Dem Russen droht im Fall einer Verurteilung eine lebenslange Haftstrafe.

Der frühere Armeepilot soll mit einer ganzen Flotte von Frachtflugzeugen Waffen in Krisengebiete in Afrika, Südamerika, den Nahen Osten und nach Asien geliefert und damit blutige Konflikte angeheizt haben. Bout gibt hingegen an, legal im Flugfrachtgeschäft tätig gewesen zu sein. Für Thailand ist die Auslieferung Bouts politisch brisant: Die USA sind ein traditioneller Verbündeter des Königreichs, aber das südostasiatische Land legt auch Wert auf gute Beziehungen zu Russland. Ein Regierungssprecher gab an diesem Donnerstag bekannt, dass Regierungschef Abhisit Vejjajiva eine Reise nach Russland abgesagt habe, in deren Rahmen er in der kommenden Woche auch mit dem russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin zusammengetroffen wäre. Die Absage stehe aber nicht im Zusammenhang mit dem Fall Bout, sagte der Sprecher. Grund sei eine wichtige Parlamentsdebatte über eine Verfassungsreform.

(AFP)

Einem Bericht des ZDF zufolge wollen die USA auf dem Nato-Gipfel einen Drei-Stufen-Plan zur Raketenabwehr in Europa vorlegen. Das sagte der Nato-Botschafter der Vereinigten Staaten Ivo Daalder dem Sender in einem Interview. Demnach wollen die Amerikaner ab 2011 auf zahlreichen Schiffen mobile Raketenabwehrsysteme im östlichen Mittelmeer einsetzen. 2015 soll ein fest installiertes Raketenabwehrsystem in Rumänien folgen, 2018 ein weiteres in Polen. "Es wird nicht billig, aber es wird vom amerikanischen Steuerzahler auf den Weg gebracht werden. Das ist unser Beitrag zum Schutz Europas", so Daalder im Interview mit dem Sender.

Wie der Sender weiter berichtet, signalisiert auch Russland Entgegenkommen. Allerdings will das Land nicht Teil eines gemeinsamen Systems "unter amerikanischer Regie" werden, sondern ein eigenes Raketenabwehrsystem anbieten: "Ich bin der Meinung, wir werden zwei Systeme haben, die eventuell miteinander verbunden werden, aber nicht ein System aus einem Guss", so der russische Nato-Botschafter Dmitri Rogosin. Das Verteidigungsbündnis will auf dem Gipfel in Lissabon ein Raketenabwehrsystem beschließen ("Missile Defense").

(sueddeutsche.de)

Der Fall der zum Tod durch Steinigung verurteilten Iranerin Sakine Mohammadi Aschtiani wird nach den Worten des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad weiterhin untersucht. "Der Fall ist noch in der Prüfung", sagte Ahmadinedschad auf einer Pressekonferenz in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku. Die zuständigen Behörden in Iran seien "sehr kompetent und werden die richtige Entscheidung treffen". Kritik an dem Fall wies der iranische Präsident zurück. Die Verurteilung der wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilten Aschtiani hatte weltweit Empörung ausgelöst.

Iran setzte ihre Hinrichtung daraufhin im Juli zunächst aus. Anfang November hatten Menschenrechtsorganisationen dann die Befürchtung geäußert, dass die Hinrichtung Aschtianis möglicherweise bevorstehe. Ahmadinedschad kritisierte die Proteste der US-Regierung gegen die Verurteilung Aschtianis nun scharf. In den USA seien 53 Frauen zum Tode verurteilt, sagte der iranische Präsident. "Warum fordert nicht die ganze Welt, diese Frauen zu begnadigen?"

Aschtiani war nach iranischen Angaben im Jahr 2006 in zwei verschiedenen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt worden. Im ersten Fall wurde sie wegen angeblicher Verwicklung in den Mord an ihrem Ehemann zum Tod durch den Strang verurteilt. Ein Berufungsgericht wandelte das Urteil 2007 in eine zehnjährige Haftstrafe um. Im zweiten Fall wurde sie wegen mehrfachem Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt.

(AFP)

Das nigerianische Militär hat 19 im ölreichen Niger-Delta verschleppte Entführungsopfer befreit, darunter sieben Ausländer. Nigerianische Sicherheitskreise bestätigten der Nachrichtenagentur AFP, bei der Aktion seien neben mehreren Nigerianern auch zwei Franzosen, zwei US-Bürger, zwei Indonesier und ein Kanadier befreit worden. Sie waren in den vergangenen Tagen und Wochen auf Ölfördereinrichtungen im Nigerdelta verschleppt worden. Die Rebellenbewegung für die Befreiung des Nigerdeltas (MEND) hatte sich zur Entführung von 14 von ihnen bekannt. Bereits zuvor hatte Frankreichs Außenministerin Michèle Alliot-Marie die Befreiung der beiden Franzosen bekanntgegeben. Sie dankte den nigerianischen Behörden für ihren Einsatz. Kanadas Außenminister Lawrence Cannon sagte, er sei "äußerst erleichtert" über die Befreiung des kanadischen Staatsbürgers. In der ölreichen Region im Niger-Delta werden immer wieder Ausländer und Einheimische entführt. Die meisten von ihnen kommen nach kurzer Zeit wieder frei, allerdings oft erst nach Zahlung eines Lösegelds. Erst vor einer Woche waren drei Franzosen freigekommen, die auf einem Versorgungsschiff auf einem Ölfeld vor der nigerianischen Küste gearbeitet hatten und entführt worden waren.

(AFP)

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