Ein Überraschungscoup ist es gewesen - und nun lassen sich die einen preisen und die anderen reagieren mit Wut und Drohungen.
Die angekündigte Normalisierung der Beziehungen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) hat dem Nahen Osten neue Perspektiven eröffnet, aber die alten Gefahren längst nicht gebannt. Als vorläufige Gewinner stehen nun erst einmal alle drei Protagonisten dieses "Deals" im Rampenlicht: US-Präsident Donald Trump in der selbst ausgeschmückten Rolle des Friedensbringers; Israels Premierminister Benjamin Netanjahu als Falke mit ein paar Taubenfedern und VAE-Kronprinz Mohammed bin Zayed, der sich eines diplomatischen Erfolgs rühmen und obendrein wohl noch weitere wirtschaftliche und militärische Hilfe aus den USA erwarten darf. Doch ob diese Drei trotz der inflationären Beschwörung des "Historischen" tatsächlich Geschichte geschrieben haben, wird sich erst noch zeigen müssen.
Denn noch ist keineswegs ausgemacht, dass das geplante Normalisierungsabkommen eines Tages in einer Reihe stehen wird mit den Friedensschlüssen zwischen Israel und Ägypten 1979 sowie zwischen Israel und Jordanien 1994. Dies waren visionäre Taten mutiger Staatsmänner, deren Länder zuvor jahrzehntelang in kriegerische Auseinandersetzungen verstrickt waren. Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate sind keine unmittelbaren Nachbarn und haben nie Krieg gegeneinander geführt. Historisch kann ihre Einigung nur dann werden, wenn sie der gesamten Region eine Friedensdividende bringt.
Die Lösung der Palästina-Frage wird durch das Abkommen erschwert
Das aber kann nur gelingen, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind. Zum einen müssten noch viele weitere arabische Länder dem Beispiel der Emirate folgen. Zum anderen darf dabei die Lösung der Palästina-Frage nicht ausgeklammert werden. Für die erste Bedingung stehen die Chancen nicht schlecht, denn Israel und die arabischen Golfstaaten eint ein gemeinsames Interesse: die Abwehr der iranischen Bedrohung. Die Erfüllung der zweiten Bedingung jedoch wird durch das angekündigte Abkommen nicht erleichtert, sondern erschwert.
Denn zu Recht fühlen sich die Palästinenser nun im Kern von den "Brüdern" in den Emiraten verraten. Schließlich bietet die vielzitierte Arabische Friedensinitiative, die 2002 auf Betreiben der Saudis von der Arabischen Liga angenommen und später mehrmals bestätigt wurde, Israel eine Anerkennung nur als Gegengeschäft an: Der jüdische Staat soll sich dafür aus den 1967 besetzten Gebieten zurückziehen und Platz machen für einen palästinensischen Staat an seiner Seite. Von den VAE aber bekommt Israels Premier Netanjahu die Normalisierung der Beziehungen nun fast zum Nulltarif. Er muss lediglich vorläufig auf eine Annexion palästinensischer Gebiete verzichten, die gerade als Drohung im Raum gestanden hatte. Aufgeben muss er seine Annexionspläne nicht.
Die alte Formel "Land gegen Frieden" wird damit ausgehebelt. Israels rechte Regierung wird sich nun darin bestätigt sehen, dass man mit arabischen Staaten auch ins Geschäft kommen kann, ohne Zugeständnisse in Richtung Zwei-Staaten-Lösung machen zu müssen. Dies jedoch ist ein Trugschluss. Denn mit der Annäherung an die arabischen Golfstaaten verändert Israel nicht seine geographische Lage. Der Konflikt ums Land mit den Palästinensern wird dadurch nicht entschärft. Am Ende könnte die diplomatische Annäherung zwischen Israel und den Emiraten deshalb nicht den Frieden in Nahost befördern, sondern neue Konfrontationen auslösen.