Süddeutsche Zeitung

Politik in Palästina:Fatah und Hamas wollen Frieden schließen

Lesezeit: 2 min

Die Anführer der zerstrittenen Palästinenser-Organisationen einigen sich überraschend auf eine Übergangsregierung. Noch in diesem Jahr soll es Neuwahlen geben.

Tomas Avenarius

Die seit Jahren zerstrittenen Palästinenser von Fatah und Hamas wollen sich miteinander versöhnen. Sowohl die eher säkulare Fatah des Palästinenserpräsidenten Machmud Abbas als auch die islamistische Hamas bestätigten am Mittwoch, dass sich die zerstrittenen Fraktionen mit Hilfe ägyptischer Vermittler geeinigt hätten, eine Übergangsregierung zu bilden und freie Wahlen im Westjordanland und im Gaza-Streifen abzuhalten.

Die überraschende Einigung der Erzfeinde könnte die Chancen der Palästinenser verbessern, bei den Vereinten Nationen und an Israel vorbei einen eigenen Palästinenserstaat auszurufen.

Ägypten hatte unter dem inzwischen gestürzten Präsidenten Hosni Mubarak seit Jahren zwischen Hamas und Fatah vermittelt. Erfolgsmeldungen über Einigungen hatten sich stets als falsch erwiesen. Sollte es nun einen innerpalästinensischen Friedensschluss geben, wäre der neuen Kairoer Regierung und ihrem die Gespräche führenden Geheimdienst ein diplomatisches Meisterstück gelungen. Die ägyptische Nachrichtenagentur Mena hatte am Mittwoch berichtet, dass sowohl die Bildung der Übergangsregierung als auch Wahlen noch in diesem Jahr stattfinden könnten.

"Die Gespräche führten zu voller Übereinstimmung in allen Fragen", meldete Mena. "Alle Meinungsverschiedenheiten sind gelöst. Es gibt eine Übergangserklärung, die bestimmte Aufgaben klären und ein Datum für Wahlen setzen soll." Das Versöhnungsabkommen solle in Kairo von Abbas und dem Hamas-Führer Khaled Meschal unterzeichnet werden. Dies könne rasch stattfinden. Ein Hamas-Sprecher äußerte sich zurückhaltender: Man habe "Absichtserklärungen" über ein Abkommen unterzeichnet. Aber auch er sagte, "alle Meinungsverschiedenheiten seien überwunden".

Die Fatah von Abbas, dessen Amtszeit als gewählter Präsident der Palästinenser-Selbstverwaltung seit längerem abgelaufen ist, kontrolliert das Westjordanland. Die militante Hamas hat im Gaza-Streifen das Sagen.

Die beiden Gruppen hatten nach dem Wahlsieg der Hamas bei freien Parlamentswahlen 2006 eine gemeinsame Regierung gebildet. Diese war nicht nur an inneren Streitigkeiten rasch zerbrochen. Ein wichtiger Faktor war, dass die internationale Gemeinschaft Hamas als Terrorgruppe betrachtet. Diese müsse das Existenzrecht Israels offiziell anerkennen und einen Gewaltverzicht erklären. Hamas weigert sich bis heute, hat aber eine eigene Kompromissformel angeboten.

Nachdem sich Fatah und Hamas zerstritten hatten, hatte Hamas die Kontrolle des Gaza-Streifens 2007 mit Gewalt an sich gerissen. Auslöser war ein offenbar bevorstehender Putsch der Fatah-Polizei in Gaza gegen die Islamisten-Organisation gewesen, der mit Wissen Israels und der USA geplant worden sein soll.

Seither sind die Beziehungen zwischen den Gruppen eisig und von Gewalt geprägt. Abbas arbeitet bisher eng mit der israelischen Regierung zusammen, war lange bereit zu Friedensgesprächen und sorgte für eine enge Kooperation seiner Sicherheitskräfte mit Israels Armee und Polizei.

Der von der Hamas geführte Gaza-Streifen hingegen wurde von Israel nach der Entführung eines israelischen Soldaten isoliert. 2009 kam es zu einem mehrwöchigen Krieg im Gaza-Streifen. Ein Abkommen zwischen den beiden Fraktionen könnte daher für erhebliche Bewegung an Israel vorbei in die seit Jahren festgefahrene Palästina-Frage bringen.

Seit die Friedensgespräche zwischen dem jüdischen Staat und der Partei von Palästinenserpräsident Abbas an der Weigerung Israels zu einem Siedlungsstopp zusammengebrochen sind, setzen die Palästinenser darauf, ihren eigenen Staat ohne Einigung mit Israel zu bekommen. Diesen wollen sie bei den UN beantragen. Zwingende Voraussetzung dafür ist die Einheit der Palästinenser.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1090205
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.04.2011
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.