Süddeutsche Zeitung

Politik in den USA:Obamas letzter Wahlkampf

Will US-Präsident Barack Obama seine Reformprojekte in der zweiten Amtszeit noch durchsetzen, muss er bei den Parlamentswahlen 2014 die Mehrheit im Kongress zurückerobern. Statt mit den Republikanern zu verhandeln, reist er scheinbar wahlkämpfend durchs Land. Doch die historische Erfahrung zeigt: Seine Chancen stehen schlecht.

Von Nicolas Richter, Washington

Vor ein paar Wochen hat John Boehner gesagt, Präsident Barack Obama wolle die Republikaner "vernichten". Der Chef der Republikaner im Parlament übertreibt oft, wenn er sich ärgert. Tatsächlich möchte Obama die Rechte wohl nicht gerade vernichten, doch wäre sie für den Rest seiner Präsidentschaft geschlagen, käme ihm das sehr gelegen.

Mit der Wahl im November nämlich ist das Regieren in Washington nicht leichter geworden. Obama ist Präsident geblieben, die Republikaner haben die Mehrheit im Abgeordnetenhaus behalten, und das Ergebnis ist politische Erstarrung. Doch mehren sich die Anzeichen dafür, dass Obama dies nicht hinnehmen will: Offenbar hat er sich das strategische Ziel gesetzt, bei der Zwischenwahl Ende 2014 die Mehrheit für seine Demokraten in der ersten Parlamentskammer zurückzugewinnen.

Sollte dies gelingen, wäre er in einer selten glücklichen Lage. In ihren letzten Jahren an der Macht gelten Präsidenten mit zwei Amtszeiten meist als "lahme Enten". Sollte Obamas mutmaßlicher Plan aber aufgehen, könnte er gerade dann all jene Reformen umsetzen, die er bisher nur ankündigen kann - zum Beispiel ein neues Waffen- und Einwanderungsrecht, mehr Klimaschutz oder ein langfristiges Konzept zur Sanierung der Staatsfinanzen.

Obama hatte seine Präsidentschaft Anfang 2009 mit großer Machtfülle angetreten, in beiden Parlamentskammern waren die Demokraten in der Mehrheit. Damals setzte er etwa seine historische Gesundheitsreform durch. Im Herbst 2010 aber eroberten die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurück. Seitdem liegen Präsident und Parlament in einem lähmenden Dauerkonflikt, vor allem um Staatsfinanzen und Steuerrecht.

Eine Reihe von Indizien legt allerdings nahe, dass sich Obama mit diesen unklaren Verhältnissen nicht abfinden möchte. Am vergangenen Freitag erklärte er: "Ich kann den Kongress nicht zwingen, das Richtige zu tun. Das amerikanische Volk aber mag dazu in der Lage sein." Anders als in seiner ersten Amtszeit versucht Obama kaum noch, mit den Republikanern zu verhandeln. Stattdessen reist er scheinbar wahlkämpfend durchs Land, umgibt sich mit normalen Bürgern und klagt den Kongress an, selbst die populärsten Reformprojekte zu verhindern. Immer beharrlicher drängt Obama die Rechte in die Ecke der Nein-Sager, Verhinderer, Spielverderber.

"Der Präsident weiß, dass er eine Mehrheit der Demokraten im Abgeordnetenhaus braucht, wenn er etwas erreichen möchte", sagte der demokratische Abgeordnete und Stratege Steve Israel jüngst der Washington Post. "Wenn er 2016 ein Vermächtnis hinterlassen will, braucht er 2014 eine Parlamentsmehrheit, und diese Arbeit muss jetzt beginnen."

Obamas Rede zur Lage der Nation vor wenigen Wochen klang bereits wie eine linke Parteitagsrede. In diesem Jahr wird Obama an acht Spendengalas teilnehmen, um Geld für demokratische Kandidaten zu sammeln; 2009 hatte er nur zwei dieser Veranstaltungen besucht. Auch möchte er seine hocheffiziente Wahlkampfmaschine, die jetzt "Organizing for Action" heißt, für Parteifreunde einsetzen. Noch in der Wahlnacht im November, kurz nach der Siegesrede, soll Obama seinen Parteifreund Israel angerufen und ihm versprochen haben, von nun an für die Parlamentsmehrheit zu kämpfen.

Das Anliegen ist ehrgeizig. Seit Franklin D. Roosevelt ist es nur einem Präsidenten gelungen, bei der Zwischenwahl in seiner zweiten Amtszeit neue Sitze zu gewinnen: Bill Clinton im Jahr 1998, damals war er deutlich beliebter als Obama jetzt. Meist nutzen die Bürger Zwischenwahlen, um ihren Präsidenten abzustrafen. Die Demokraten müssten im kommenden Jahr 17 Sitze dazugewinnen, um wieder die Mehrheit zu stellen. Amerikas Statistik- und Prognose-Guru Nate Silver sagte schon im November voraus, dass es den Demokraten kaum gelingen werde, so viele Mandate zurückzuholen. Im Jahr 2014 werde das politische Klima neutral sein oder allenfalls die Rechte begünstigen.

Das Weiße Haus dementierte Anfang der Woche, dass sich der Präsident schon wieder im Wahlkampf befinde. "Natürlich wünscht der Präsident seinen Parteifreunden Erfolg, aber darin liegt im Augenblick nicht sein Schwerpunkt", erklärte sein Sprecher Jay Carney. "Er bemüht sich um einen überparteilichen Konsens." Wer den Präsidenten beobachtet, sieht allerdings etwas anderes, und schwache Dementis wie dieses bestätigen oft das, was sie eigentlich widerlegen sollen.

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SZ vom 07.03.2013/mane
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