Neuer Suezkanal in Ägypten:Prestigeprojekt für Präsident Sisi

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Ägyptens Präsident Abdel-Fattah al Sisi (li.) hatte im vergangenen Jahr persönlich angeordnet, die Bauzeit von drei Jahren auf nur eines zu verkürzen. (Foto: Egyptian Presidency/AP)
  • Mit einer feierlichen Zeremonie begeht Ägypten an diesem Donnerstag die Eröffnung des neuen Suezkanals.
  • Mit Mega-Projekten wie diesem will Präsident al-Sisi die lahmende Wirtschaft des Landes wieder in Gang bringen.
  • Eine zentrale Rolle bei den meisten dieser Vorhaben spielt das Militär, das über ein eigenes Wirtschaftsimperium gebietet.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der Präsident hob nur einen Finger, aber es war ein Fingerzeig mit Folgen. Vor einem Jahr, beim Spatenstich für den neuen Suezkanal, so will es die Legende, entschied Abdel Fattah al-Sisi, die Bauzeit zu verkürzen - von drei Jahren auf nur noch eines. Dafür stand der eine Finger.

Es ist gelungen - und so wird die Eröffnungszeremonie an diesem Donnerstag auch zu einer Huldigung der Tat- und Entscheidungskraft des zum Staatschef gewandelten Generals werden, zur Glorifizierung der Politik dieses noch immer weitgehend vom Militär kontrollierten Regimes. 6000 offizielle Gäste, geschützt von zigtausend Polizisten und Soldaten, sollen sehen, wie Ägypten sich seiner selbst versichert. Und im ganzen Land werden die Menschen vor öffentlich aufgestellten Bildschirmen und bei Feiern daran teilhaben können.

Das Militär spielt eine zentrale Rolle

Mit Mega-Projekten und zentraler staatlicher Planung will Sisi die lahmende Wirtschaft des 90-Millionen-Einwohner-Landes wieder in Gang bringen, nach vier Jahren Krise und zwei Umstürzen. Angestrebt sind Wachstumsraten von sieben Prozent, so wie vor der Revolution 2011. Die gängige Unterdrückung rechtfertigt das Regime mit dem Hinweis, politische Stabilität sei Voraussetzung für Entwicklung und die dringend nötigten Investitionen aus dem Ausland.

Eine zentrale Rolle bei den meisten dieser Vorhaben spielt das Militär, das über ein eigenes Wirtschaftsimperium gebietet. Beim neuen Suezkanal ist das nicht anders, ebenso bei der geplanten neuen Verwaltungshauptstadt, sollte sie denn je gebaut werden. Zwischen fünf und 40 Prozent der Wirtschaft soll es laut Schätzungen kontrollieren. Der Unterschied lässt erahnen, wie intransparent dieses Schattenreich ist. Offizielle Zahlen gibt es nicht.

Der Ausbau des Kanals dient zuerst dem Ziel, die Deviseneinnahmen des klammen Staates zu erhöhen. Neben Überweisungen von Auslandsägyptern und Einnahmen aus dem Tourismus sind die Kanalgebühren die wichtigste Quelle harter Währung - und die einzige, die direkt dem Staat zugutekommt. Die Kanalbehörde will die Einnahmen von zuletzt 5,3 Milliarden Dollar pro Jahr bis 2023 auf 13,2 Milliarden steigern; manche Experten bezeichnen diese Prognosen allerdings als übermäßig optimistisch.

Die Schiffseigner-Vereinigung International Chamber of Shipping hält ein Wachstum analog zum globalen Warenaustausch von etwa drei Prozent pro Jahr für realistisch - das würde für so einen Anstieg kaum reichen. Die Gebühren richten sich allerdings nach einem komplexen System, das sich an der Klassifizierung der Schiffe und den Kosten für Alternativrouten orientiert, so dass sich die Zuwachsraten nicht direkt übertragen lassen.

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Auch weisen Kritiker darauf hin, dass aus den Einnahmen zunächst zwölf Prozent Zinsen pro Jahr für die im Volksmund "Sisis-Anleihe" genannten Anteilsscheine zu zahlen sind; nach fünf Jahren ist dann das eingesammelte Kapital von 8,2 Milliarden Dollar fällig. Mit der Anleihe finanziert der Staat das Projekt. Die Ägypter brachten die Summe in nur acht Tagen auf. Das Regime wertet das als Unterstützung des Volks für den "großen ägyptischen Traum".

Gemäß dieser Vision soll am Kanal bis 2030 eine neue Industrie- und Wirtschaftszone entstehen, mit 76 000 Quadratkilometern etwas größer als Bayern. Sie soll nicht zuletzt den Konzentrationsdruck auf den Ballungsraum Kairo abschwächen und einer Million Menschen Arbeit bieten.

Ägypten hofft auf international führende Umschlagplätze

Der erste Schritt ist der Bau neuer Straßen- und Eisenbahntunnel unter dem Kanal, die den geografisch isolierten, politisch und bis auf den Tourismus lange auch wirtschaftlich vernachlässigten Sinai besser ans Festland anbinden sollen. Damit soll im November begonnen werden; die Finanzierung stammt noch aus dem Anleihen-Programm. Gebiete im Norden der Halbinsel sind in den vergangenen Jahren zum Tummelplatz islamistischer Terroristen geworden.

In der zweiten Phase sollen bestehende Häfen beiderseits des Kanals in Port Saïd und das Containerterminal ausgebaut werden - sowie der Hafen von al-Arisch. Das allerdings erscheint angesichts der Angriffe der Terrormiliz Islamischer Staat dort vorerst unrealistisch. Zudem ist geplant, die am Golf von Suez gelegenen Quais von Ain Sokhna und Adabia zu erweitern und auf dem Sinai einen neuen Hafen zu bauen.

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Kommentar von Paul-Anton Krüger

Die Regierung hofft, begünstigt von der Lage an der Landbrücke zwischen Afrika und Asien sowie der Nähe zu Europa, die Häfen zu international führenden Umschlagplätzen zu entwickeln und für die Schiffe Wartung und Serviceleistungen anzubieten. Zudem will sie Unternehmen ansiedeln, für die eine Anbindung an den Schiffsverkehr günstig ist: Raffinerien, petrochemische Industrie, Metallproduktion und -verarbeitung, Autoindustrie, Textil- und Holz verarbeitende Betriebe sowie Glashütten.

Nahe Ismailia soll zudem ein "Tal der Technologie" High-Tech-Firmen anlocken, gar eine Schwesterstadt jenseits des Kanals soll entstehen. In den für den Aushub angelegten Absetzbecken entlang der Fahrrinne sind Fischfarmen geplant. Es sind sehr hochfliegende Pläne.

Die Armee hegt solche Ideen seit Jahrzehnten. Sie kontrolliert das Land am Kanal und entscheidet, wer sich dort niederlassen darf. Zugleich ist sie direkt oder indirekt an Unternehmen beteiligt, die angesiedelt werden sollen. Selbst an den Hafenbetreibern hält sie Anteile. Freihandels- und Sonderwirtschaftszonen würden neue Einnahmequellen bieten. Das Militär dürfte das Land so noch fester in seinen Griff bekommen. Die schnelle Umsetzung des Kanal-Ausbaus soll den übrigen Investoren zudem zeigen, dass sie in Ägypten einen zuverlässigen Partner finden - das Militär.

Sisi stellt sich in die Tradition von Nasser

Der von den Generälen geschasste islamistische Präsident Mohammed Mursi wollte den Kanal-Korridor ebenfalls entwickeln, legte sich dabei aber mit dem Obersten Militärrat an. Er kündigte an, das Projekt einem Vizepremier zu unterstellen, der direkt an ihn berichten sollte. Zudem wollte er Indien als ausländischen Partner beteiligen. Damit hätte die Armee ihre Führungsrolle verloren - was womöglich zum Entschluss des Militärrats beitrug, sich der Muslimbruderschaft zu entledigen.

Unter Sisi nun erobert sich das Militär seine zentrale Rolle in der Wirtschaft nach und nach zurück. Es hatte sie schon unter Staatschef Hosni Mubarak teilweise eingebüßt wegen dessen Privatisierungspolitik.

Sisi selbst stellt sich in die Tradition des einstigen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, der das Militär als Triebfeder für Modernisierung und Industrialisierung Ägyptens sah. Auch beim früheren Präsidenten Anwar al-Sadat nimmt Sisi Anleihen. In Kairo ist das in der U-Bahn sichtbar: Auf neuen Wandbildern sind die drei vor Kanal-Kulisse abgebildet - Mubarak fehlt. Die offizielle Erklärung: Nasser habe den Sueskanal verstaatlicht und in Ägyptens Besitz zurückgebracht; Sadat habe ihn von Israel zurückerobert. Mubarak dagegen habe mit dem Kanal nichts zu tun.

© SZ vom 06.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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