Politik der sicheren Herkunftsstaaten:Wohin und wie weiter

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Ein Mädchen in einer Roma-Siedlung in Belgrad: Viele Roma-Familien flüchten vor Armut und Verfolgung vom Balkan nach Deutschland. (Foto: dpa)
  • Nach den Balkanländern Serbien, Mazedonien sowie Bosnien-Herzegowina würde die Union gerne auch Albanien, Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten erklären.
  • Die Strategie geht jedoch bisher nicht auf.
  • Der Strom an Flüchtlingen aus diesen Ländern hat sich nicht verringert. Viele der Antragsteller auf Asyl sind Roma, die in ihrer Heimat unter Armut und Verfolgung leiden.

Von Roland Preuß, München

Der starke Anstieg der Asylbewerberzahlen hat am Montag eine neue Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen ausgelöst. Der Schritt, die drei Balkanländer Serbien, Mazedonien sowie Bosnien-Herzegowina zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären, habe noch nicht die erhoffte "Signalwirkung" erzielt, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer. Er forderte weitere Maßnahmen gegen aussichtslose Asylanträge von Flüchtlingen aus den Balkanstaaten.

Kurz zuvor hatte das Bundesinnenministerium neue Zahlen veröffentlicht. Demnach haben im Januar 21 679 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt, das sind fast 73 Prozent mehr als noch im Januar 2014. Hinzu kommen fast 3300 Folgeanträge, die zum Beispiel von Menschen gestellt werden, deren erster Asylantrag nicht erfolgreich war.

Eigentlich hatte die Politik mit einem Rückgang der Zahlen gerechnet: Durch die Ausweitung der Regelung zu sicheren Herkunftsstaaten auf die drei Balkanländer können entsprechende Anträge schneller bearbeitet und abgelehnte Bewerber einfacher abgeschoben werden. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte erwartet, dass damit deutlich weniger Menschen versuchen, auf diesem Wege in Deutschland Fuß zu fassen; dies sollte bei Bund, Ländern und Kommunen "zu einer erheblichen Kostenentlastung führen", wie er im Herbst sagte. Die Neuregelung war mit Zustimmung des grün-rot regierten Baden-Württemberg verabschiedet worden und hatte bei den Grünen eine heftige Debatte ausgelöst.

(Foto: N/A)

Tatsächlich hat Deutschland durch die Neuregelung jedoch kaum etwas an Attraktivität eingebüßt: Im Januar kamen sogar mehr Serben (2042 Bewerber) als vor der Neuregelung im Oktober (1962), die Zahl der Mazedonier ist geringfügig gesunken, nur bei Menschen aus Bosnien-Herzegowina ist ein deutlicher Rückgang von 626 auf 441 Antragsteller festzustellen. Dafür versuchen nun umso mehr Menschen aus den Nachbarstaaten Asyl zu erhalten. Die Zahl der Kosovaren verdreifachte sich auf gut 3000 neue Anträge im Januar, fast genauso stark ist der Anstieg bei den Albanern (1598). Die fünf Staaten zählen zu den Hauptherkunftsländern von Asylbewerbern. Fast keiner dieser Anträge ist erfolgreich. Oft sind die Antragsteller Roma, die in ihren Heimatländern unter Armut und teils massiver Diskriminierung leiden, aber nicht als Verfolgte anerkannt werden.

Angebliche Massenauswanderung aus dem Kosovo

"Es ist dringend geboten, auch Kosovo, Albanien und zudem Montenegro zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären", sagte Mayer. Allerdings müsste die Union dafür auch Länder mit grüner Beteiligung im Bundesrat gewinnen. "Deshalb wird ein akzeptabler Kompromiss derzeit nicht zu bekommen sein", sagte Mayer. Die flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Luise Amtsberg, sagte dagegen, die Bundesregierung dürfe "die falsche Politik der sicheren Herkunftsstaaten" nicht fortsetzen, sondern müsse ihr Engagement für Kosovo verstärken. "Die Bevölkerung leidet weiter unter organisierter Kriminalität, Klientelismus und Korruption bis in höchste staatliche Ebenen." Dies müsse sich mit deutscher Hilfe ändern.

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Am Wochenende hatte bereits ein Bericht über eine angebliche Massenauswanderung aus Kosovo Aufsehen erregt. Der Bild am Sonntag zufolge warnt die dortige deutsche Botschaft in einem Schreiben an das Auswärtige Amt vor einem "Massenexodus", der "nur durch schnelle Maßnahmen vor allem in Deutschland" aufgehalten werden könne. Allein aus Pristina nähmen jeden Tag 500 Menschen Busse nach Serbien, ein Großteil von ihnen wolle weiter nach Deutschland. Als Hauptmotiv nennt die Botschaft laut dem Blatt, dass die Verfahren in Deutschland immer noch so lange dauerten, dass sich ein Asylantrag in Anbetracht der Sozialleistungen auf jeden Fall rechne. Der kosovarische Regierungschef hatten erst kürzlich an die Bürger appelliert, nicht wegzugehen. Schätzungen lokaler Medien zufolge verlassen jeden Monat bis zu 20 000 Unzufriedene das Land.

© SZ vom 10.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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