Geplantes BND-Gesetz:Wie Schäuble gegen die BND-Reform kämpft

Geplantes BND-Gesetz: Vor allem einer ist mit der Reform nicht zufrieden: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

Vor allem einer ist mit der Reform nicht zufrieden: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

(Foto: AFP)
  • In Berlin ist man sich weitgehend einig, dass der BND reformiert werden muss. Nur Wolfgang Schäuble scheint von den Vorschlägen wenig zu halten.
  • Er soll vehement gegen die Reformen argumentiert haben. Nun wird ein enger Vertrauter Schäubles BND-Chef. Ein Zeichen, dass er Erfolg hatte?
  • Das geplante Gesetz sieht vor, das Abhören im EU-Ausland schwerer zu machen und dem Parlament mehr Kontrolle über den Dienst zuzugestehen.

Von Hans Leyendecker und Georg Mascolo

An Krisen ist in Berlin nie Mangel, der vergangene Montag war für Kanzleramtsminister Peter Altmaier wieder einmal ein Krisentag. Und wieder einmal ging es um die Probleme beim Bundesnachrichtendienst (BND).

Am Vormittag schaute Gerhard Schindler vorbei, der Noch-Präsident des Auslandsnachrichtendienstes. Er kam gerade aus Jordanien und Ägypten. Als Schindler das Kanzleramt verließ, wusste er vermutlich, dass schon bald seine geplante Ablösung eine Spitzenmeldung in den Nachrichtensendungen sein würde.

Am Montagnachmittag schauten dann Abgeordnete von SPD und Union bei Altmaier vorbei. Die SPD hatte das Treffen angeregt. Die Parlamentarier wollten erfahren, was denn an den Gerüchten dran sei, dass die Reformen des Gesetzes zur Kontrolle der Abhörpraxis des BND im Ausland und die Reformen bei der Geheimdienstkontrolle hängengeblieben seien. Ob da jemand von oben die Bremse gezogen habe?

Schäuble soll von den Reformplänen nicht begeistert sein

Die Runde soll sich in einem ziemlich einig gewesen sein: Die in einer Berliner Zeitung geäußerte Kritik des Vorsitzenden des NSA-Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg (CDU), der bisherige Gesetzentwurf habe "mehr Verwirrung als Klarheit" geschaffen, fand wohl keiner sehr hilfreich.

Aber wichtiger war den Abgeordneten ganz etwas anderes: Was denn mit Wolfgang Schäuble los sei, wollte einer wissen. Ob der etwa gegen die Reformen stehe? Altmaier soll da eher abgehoben geantwortet haben: "Ja, der Wolfgang Schäuble", soll er nur gesagt haben - so redet er in delikaten Situationen gern. Sehr freundlich, sehr allgemein.

Denn in Sicherheitskreisen und auch sonst in Berlin ist es längst ein Thema, dass der Bundesfinanzminister von den geplanten Reformen offenkundig nicht gerade begeistert ist. Die beiden Gesetze, so soll er es sehen, würden nur zu mehr Bürokratie führen. Der Auslandsnachrichtendienst würde sich nichts mehr trauen, zudem würde das Parlament die Aufgabe der Exekutive übernehmen: die Kontrolle des BND.

Nun wird ausgerechnet ein enger Vertrauter Schäubles neuer BND-Chef

Kurzum, nach einer Parlamentsarmee bekäme man auch noch einen Parlamentsgeheimdienst. Schäuble soll in den vergangenen Wochen intensiv gegen die Gesetzentwürfe argumentiert haben. Erst soll er Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen überzeugt haben. Dann sprach er mit Volker Kauder in der Fraktion, schließlich mit der Kanzlerin. Die Botschaft drang durch.

Geriet das Projekt deshalb ins Stocken? Natürlich blühen in Berlin derzeit Spekulationen, was es für die Reformprojekte bedeute, dass jetzt Bruno Kahl, ein sehr enger Vertrauter Schäubles, Chef des BND werden soll. Macht der Finanzminister in anderen Zuständigkeitsbereichen herum und besetzt er eine Machtposition?

Eigentlich sollte man bei Schäuble nie eins und eins addieren und dann glauben, die Lösung gefunden zu haben. Das lehrt ein Blick auf sein langes politisches Leben. Schäuble sprach am Mittwoch in einer Pressekonferenz zu E-Autos auch über seine Rolle bei der Neubesetzung an der Spitze des BND: Er habe, sagte er, auf Anfrage von Altmaier seinen Mitarbeiter Kahl positiv beurteilt. Man kenne sich schon lange. Gut zwanzig Jahre. "Aber ich habe an der Entscheidung nicht mitgewirkt."

Kaum einer im Kabinett versteht so viel von Geheimdiensten wie Schäuble

Das riecht nicht nach Macht, Kampf und dem übrigen Gedöns, und es kann schon so sein, dass es nach gar nichts riecht. Manches spricht dafür, dass Kahl der Kandidat von Altmaier war. Die beiden Christdemokraten kennen sich auch schon eine Weile. Beide haben sie 2005 zur selben Zeit im Bundesinnenministerium angefangen, Kahl als Leiter der Ministerbüros, Altmaier als Parlamentarischer Staatssekretär.

Welches Parteibuch Kahl habe und ob der ein Kumpel von Schäuble sei, könne kein Kriterium sein, meinte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Außerdem seien er (Gabriel) und Schäuble bekanntermaßen "ziemlich beste Freunde". Ein bisschen Spaß muss sein. Wahr ist aber auch, dass vermutlich niemand im Kabinett Merkel so viel von Geheimdiensten und Sicherheitsthemen versteht wie Schäuble. Zweimal war er Bundesinnenminister, einmal hatte er als Kanzleramtsminister mit Fragen der nationalen Sicherheit zu tun. Als er begann, ging es um die RAF, dann um al-Qaida und jetzt vor allem um den islamistischen Terror des IS.

Schäuble hat einen Hang zu apokalyptischen Vorstellungen. Früher warnte er vor Anschlägen mit nuklearem Material, also schmutzigen Bomben. Dann dachte er über die vorsorgliche Internierung von Gefährdern nach und liebt auch sonst den gepflegten Tabubruch. Es gab mal den "Schäuble-Katalog" mit Themen wie Rasterfahndung, Einsatz der Bundeswehr im Inneren und dem "Quasi-Verteidigungsfall". Der sollte eintreten können, wenn Terroristen ein Flugzeug entführen würden. Dann sollte die Bundeswehr zum Abschuss des Flugzeugs berechtigt sein. Daraus ist nichts geworden. Die Gerichte haben Schäubles Katalog geschreddert.

Bei dem Treffen wurden "regelrechte Blutschwüre" auf die Reformen geleistet

Als Bundesfinanzminister hat er es gewöhnlich mit anderen Sicherheitsfragen zu tun. Steuerbetrug, Steuervermeidung durch Konzerne, Offshore-Kriminalität. Nicht mit Terror. Und Polizei ist überwiegend Ländersache. Da fließt das Geld aus den Landeshaushalten. Für die Bundeseinrichtungen wie BND, Bundesverfassungsschutz, Bundeskriminalamt, Bundespolizei und Zoll zahlt er aber kräftig.

Nach den Anschlägen in Paris und Brüssel ging ein Geldregen auf einige der Behörden nieder. Wer mehr Stellen wollte, bekam meist mehr Stellen. Der Sicherheitsbereich hat für Schäuble offenbar oberste Priorität.

Aus eigener Anschauung kennt er die Schwächen der Sicherheitsapparate, vielleicht ist das der Grund, warum er dem BND keine echte Reform zutrauen mag. Altmaier scheint das anders zu sehen. Bei dem Treffen am Montagnachmittag, berichten Teilnehmer, seien "regelrechte Blutschwüre" geleistet worden, dass es zu den Reformen kommen werde. Zum 1. Januar 2017 sollen sie Gesetze werden.

Das Abhören im Ausland soll deutlich schwieriger werden

Unumstritten scheint zu sein, dass das Abhören im Ausland nicht mehr wie bisher eine leichte Fingerübung sein soll. Der Präsident oder dessen Stellvertreter, das sieht der Entwurf des Reformgesetzes vor, sollen die Maßnahme anordnen. Ein Parlamentarisches Gremium soll informiert werden und per Stichprobe nachschauen, was daraus geworden ist. Und es soll, das ist der wichtigste Punkt, dabei bleiben, dass künftig das Abhören von Europäern nur dann zulässig ist, wenn es auch bei Deutschen zulässig wäre.

In der Vergangenheit war es anders. Der BND hatte kräftig seine Freunde in Europa belauscht. Zu dem Thema soll in diesen Tagen ein Bericht einer Task Force herausgegeben werden. Vermutlich schon an diesem Donnerstag. Beim BND-Gesetz gibt es mittlerweile immer neue Fassungen, die auch vom Justizministerium bearbeitet wurden. Beim Datenschutz wird es Diskussionen in den Fraktionen geben.

Bei dem Treffen am Montagnachmittag hat Altmaier versichert, dass beide Gesetzesentwürfe als Paket gemeinsam in den parlamentarischen Betrieb eingebracht würden. Altmaier sieht es so: Problem sei nicht die Regelung, keine Europäer abzuhören, ein Problem seien zu weitgehende Rechte des Parlaments bei der Kontrolle. Öffentliche Anhörungen, die noch geplant sind, könnten die Partnerdienste irritieren. Eine spezielle Whistleblower-Regelung soll es nicht geben, und der Ständige Bevollmächtigte für die Kontrolle des Geheimdienstes soll nicht - wie vorgesehen - wie der BND-Präsident bezahlt werden, sondern schlechter. Gerhard Schindler fand die Reformvorschläge nicht wirklich schlecht. Aber im Amt wird er ihre Umsetzung nun nicht mehr erleben.

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