AfD in Bremen:Größer kann das Chaos kaum sein

AfD-Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft vor dem Bruch

Frank Magnitz (Mitte), damals noch AfD-Chef in Bremen, Mark Runge (links) und Uwe Felgenträger traten Anfang September aus der AfD-Fraktion der Bürgerschaft aus – mit finanziellen Folgen für die Partei.

(Foto: Carmen Jaspersen/dpa)
  • Der Landeschef der AfD Bremen Frank Magnitz ist zurückgetreten und hat sich mit der Partei spektakulär verkracht.
  • Doch sein bisheriger Vize Thomas Jürgewitz ist intern genauso umstritten.

Von Ralf Wiegand, Bremen

Angenommen, die AfD Bremen wäre nicht die AfD Bremen, sondern die SPD Nordrhein-Westfalen, dann hätte der Landesparteitag an diesem Sonntag in einem Fußballstadion stattfinden müssen. Denn beim Landesparteitag der Bremer AfD waren 30 Prozent aller registrierten Parteimitglieder anwesend - übertragen auf die SPD Nordrhein-Westfalen wären das gut 35 000 Menschen.

Die Bremer AfD allerdings passte trotz der enormen Mobilisierungsquote in den Mehrzweckraum eines asiatischen Buffetrestaurants, und es war sogar Wackelpudding für alle da. 49 der insgesamt 150 Bremer AfD-Mitglieder hatten dort an einem turbulenten Vormittag einen komplett neuen Vorstand zu wählen. Denn so klein der Landesverband auch ist: Größer könnte das Chaos in einer politischen Organisation kaum sein.

Um 21.13 Uhr am Samstagabend hatte der Bremer Landeschef Frank Magnitz per E-Mail an die "lieben Mitglieder und Parteifreunde" seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Das dürfte aber nur der vorläufige Schlusspunkt eines Rosenkriegs sein, den Magnitz und seine Partei austragen. Es droht die radikale Scheidung.

Der Bundestagsabgeordnete Magnitz, 67, hatte Bekanntheit erlangt, nachdem er im vergangenen Januar in Bremen tätlich angegriffen worden war - von wem, wurde nie ermittelt. Magnitz hatte die Tat in sozialen Medien als Überfall einer Bande vermummter Unbekannter geschildert, die ihn mit einem Kantholz bewusstlos geschlagen und dann auch noch mit Tritten gegen den Kopf malträtiert hatten. Beides passte weder zu den Bildern einer Überwachungskamera noch zu Zeugenaussagen oder den tatsächlichen Verletzungen. Sein von ihm selbst freigegebenes Foto mit blutverschmiertem Gesicht, freute sich Magnitz später in einem parteiinternen Schreiben, habe jedoch "den Weg um den gesamten Erdball" genommen, während AfD-Post sonst eher weggeklickt würde.

Der Umgang mit dem Übergriff ist nur ein Punkt, den die Bremer AfD ihrem Chef vorhielt. Magnitz soll außerdem versucht haben, sich durch massenhafte Parteieintritte kurz vor dem Parteitag eine Stimmenmehrheit zu verschaffen, und er soll der Partei für 13 000 Euro einen Gebrauchtwagen angedreht haben. Mancher, der ein Ehrenamt in der Partei übernommen hat, soll einen bezahlten Posten in der Fraktion versprochen bekommen haben.

Hauptvorwurf ist aber, dass Magnitz an seinen beiden Mandaten im Bundestag und Landtag hing. Angeblich hatte er versprochen, seinen Sitz in der Bürgerschaft, für die er als Spitzenkandidat angetreten war, gleich wieder zurückzugeben. Doch von Verzicht war nach der Wahl keine Rede mehr, trotz deutlicher Aufforderung der Bundes-AfD.

Die Bürgerschaftsfraktion kann nun 2,4 Millionen Euro in den Wind schreiben

Stattdessen verließ Magnitz im Streit die kleine AfD-Fraktion in der Bürgerschaft, gemeinsam mit zwei Kollegen. Die Fraktion besitzt dadurch nur noch Gruppenstatus - und kann jetzt 2,4 Millionen Euro, die ihr zur Finanzierung der Fraktionsarbeit zugestanden hätten, in den Wind schreiben. Magnitz droht offenbar ein Parteiausschlussverfahren.

Für all dieses "parteischädigende Verhalten" wollte ihn der bisherige Stellvertreter Thomas Jürgewitz, 60, am Sonntag zur Rede stellen - Magnitz aber blieb dem Landesparteitag nach seinem Über-Nacht-Rücktritt fern. Er hält die Veranstaltung seinem Schreiben zufolge für "zutiefst undemokratisch", weil die von ihm vorgeschlagenen Neumitglieder nicht vor dem Parteitag aufgenommen worden seien.

Widersacher Jürgewitz ist freilich selbst nicht unumstritten: Er soll eine - größtenteils hanebüchene - Rede, die er im Sommer in der Bürgerschaft hielt, einfach von einem rechten Internetportal abgeschrieben haben. Auch kritisierten Mitglieder auf dem Parteitag, Jürgewitz tue so, als habe er mit den Machenschaften des Vorsitzenden nichts zu tun - obwohl er dessen Stellvertreter war. Wenn Jürgewitz sich seine Reden selbst ausdenkt, wird es auch nicht besser. So erzählte er am Sonntag von einer Begebenheit, in der ein AfDler aus Berlin vorkam, der "hochgradig homosexuell" sei. Wie viele Grade von Homosexualität die AfD kennt, blieb offen. Jürgewitz verzichtete auf einen Posten im neuen Vorstand der männerdominierten Bremer Sechs-Prozent-Partei: Kein einziger Wortbeitrag kam von einer Frau.

Zum Vorsitzenden gewählt wurde der Ex-Bundespolizist Peter Beck, 52. Der hatte in seiner dreiminütigen Vorstellung gesagt, er "gebe hier zu", sich einst in der Flüchtlingshilfe engagiert zu haben. Es klang, als gestehe er, halluzinogene Pilze genascht zu haben. Ihm wurde verziehen.

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