Deutsch-polnisches Verhältnis:Gedenken ohne Gäste

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Zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns sprach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in der polnischen Kleinstadt Wieluń, die deutsche Soldaten einst bombardiert hatten. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Die Regierungen von Berlin und Warschau werden den 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen nicht gemeinsam begehen. Dabei schienen sich die Länder seit dem Amtsantritt von Premier Tusk wieder anzunähern.

Von Daniel Brössler, Viktoria Großmann, Berlin/Warschau

Mit Daten und Symbolen nimmt man es in Polen sehr genau. Deshalb wird jährlich am 1. September nicht einfach irgendwann im Laufe des Tages an den deutschen Überfall auf Polen im Jahr 1939 erinnert. Sondern auf der Halbinsel Westerplatte bei Danzig exakt um 4.45 Uhr, der Uhrzeit, als von einem deutschen Schiff auf polnische Stellungen geschossen wurde. Und in der Kleinstadt Wieluń schon um halb fünf Uhr morgens. Der Ort liegt etwa 130 Kilometer östlich von Breslau, damals also nahe der deutschen Grenze. Die Einwohner wurden im Schlaf von den Bomben überrascht, 1200 Menschen getötet. Die Stadt war nach dem Luftangriff schon am ersten Kriegstag völlig zerstört.

Vor fünf Jahren zum 80. Jahrestag des Kriegsbeginns war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eingeladen und sprach in Wieluń. Auch dieses Jahr wird dort eine Gedenkveranstaltung stattfinden – in Anwesenheit des polnischen Präsidenten Andrzej Duda. In Danzig hingegen wird sich die polnische Regierung zum Gedenken einfinden, Ministerpräsident Donald Tusk stammt aus Danzig. Zudem gehen sich seine Regierung und der PiS-nahe Präsident Duda gern aus dem Weg. Deutsche Regierungsvertreter wurden nicht eingeladen. Andere haben ihre Teilnahme abgesagt, wie die derzeitige Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig.

Das Jahr ist geprägt von zwei großen Jahrestagen: Am 1. August vor 80 Jahren begann der Warschauer Aufstand, am 1. September vor 85 Jahren der Zweite Weltkrieg. Das und die Tatsache, dass Polen eine neue konservativ-liberale Regierung hat, hatten eigentlich zu der Annahme geführt, dass zu beiden Gedenktagen deutsche Politiker anreisen. Noch im Juli beim Besuch des deutschen Kabinetts bei der Regierung in Warschau hatte es eine gewisse Erwartungshaltung gegeben, dass Kanzler Olaf Scholz in diesem Jahr nochmals eingeladen wird. Doch es kam anders.

Eine Reise von Olaf Scholz sei nie geplant gewesen, ist aus dem Kanzleramt zu hören

Eine Reise von Olaf Scholz zu den Feierlichkeiten sei nie geplant gewesen, ist aus dem Kanzleramt zu hören. Aus dem Büro der Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern heißt es nur, Manuela Schwesig sei ja erst Anfang August „als Bundesratspräsidentin anlässlich des Europäischen Holocaust-Gedenktages für Sinti und Roma zwei Tage in Polen gewesen“.

An den Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Warschauer Aufstandes war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in die polnische Hauptstadt gereist und hatte um Vergebung gebeten. Folgerichtig wäre nun, wenn der Kanzler Deutschland bei den Feierlichkeiten zum 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen repräsentieren würde. Zumal in den deutsch-polnischen Beziehungen seit dem Amtsantritt von Donald Tusk eine deutliche Entspannung spürbar ist.

Allerdings war schon während deutsch-polnischer Regierungskonsultationen Anfang Juli deutlich geworden, dass diese an Grenzen stößt – insbesondere, wenn es um die Vergangenheit geht. Die polnische Seite fordert schon seit Jahren eine Entschädigung der polnischen NS-Opfer. Zahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter hatte es über die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft vor gut 20 Jahren gegeben. Im Verhältnis zur Größe der deutschen Verbrechen in Polen gelten die bisherigen Zahlungen an polnische NS-Opfer als vergleichsweise niedrig. Während ihrer Herrschaft hatten die rechtsnationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) dann eine Rechnung für Reparationen in Höhe von 1,3 Billionen Euro auf den Tisch gelegt.

Reichen die 200 Millionen Euro Entschädigung, die Deutschland an Polen zahlen will?

Dafür gibt es aus Sicht der Bundesregierung und auch der jetzigen polnischen Regierung keine Rechtsgrundlage. Tusk ist aber sehr wohl daran gelegen, dass Deutschland ein spürbares finanzielles Zeichen setzt. Scholz brachte das Angebot mit nach Warschau, 200 Millionen Euro bereitzustellen – eine Summe, die aus Sicht von Tusk angesichts der 1,3-Billionen-Forderung der PiS der polnischen Öffentlichkeit kaum zu vermitteln wäre.

An dem Vorhaben werde man weiter arbeiten, kündigte Scholz an. Darauf könne „sich jeder verlassen“. Die Situation älterer Opfer sei „eine, die uns sehr bewegt“. Was tatsächlich bisher auf den Weg gebracht wurde, ist allerdings unklar. Der Polen-Beauftragte der Bundesregierung, Dietmar Nietan (SPD), hofft auf eine Vereinbarung im September. Er wird bei den Gedenkfeiern in Danzig am Sonntag als einziger die Bundesregierung vertreten.

Die Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung versucht vor allem, konkrete Hilfen für NS-Opfer zu erhalten – damit diese etwa Pflegeplätze, Medikamente oder Hilfsgeräte bezahlen können.

In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion heißt es, wie im Aktionsplan festgehalten sei, „führen die beiden Regierungen einen intensiven Dialog über Maßnahmen zur Unterstützung für die noch lebenden Opfer des deutschen Angriffs und der Besatzung in den Jahren 1939 bis 1945“. Es gebe dazu einen „andauernden, vertraulichen Austausch und enge Abstimmung mit der polnischen Regierung“. Die polnische Regierung habe keine Forderungen erhoben.

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