Polen:Zwangspensionierte Richterin geht arbeiten - und Tausende jubeln

In Polen spitzt sich der Streit um den von der Regierung verordneten Zwangsruhestand für Richter zu. Der Arbeitsbeginn der Präsidentin des Obersten Gerichtshofes geriet am Mittwochmorgen zur Großdemo.

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Polens Oberste Richterin Malgorzata Gersdorf 2018 in Warschau

Quelle: REUTERS

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Das ist Małgorzata Gersdorf, bislang Präsidentin des Obersten Gerichtshofs von Polen. Seit Mittwoch, null Uhr, ist sie zwangspensioniert. Trotzdem machte sie sich am morgen auf den Weg zu Arbeit - begleitet von einer Großdemonstration.

Grund für den Zwangsruhestand ist ein umstrittenes Gesetz der nationalkonservativen Regierung, neben Gersdorf sind noch eine Reihe weiterer Richter betroffen. Kritiker werfen der Regierung vor, sie versuche mit der Regelung unliebsame Juristen loszuwerden, um eigene Leute in Schlüsselpositionen des Rechtssystems zu bringen.

Supreme Court President Malgorzata Gersdorf addresses the supporters and the media before entering the Supreme Court building in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Vor dem Eingang zu ihrem Arbeitsplatz in Warschau wandte sich Gersdorf für ein kurzes Statement an ihre Anhänger und die Medien. Sie mische sich nicht in die Politik ein, sie wolle aber für die Rechtsstaatlichkeit in Polen kämpfen und "die Grenze zwischen der Verfassung und dem Verstoß gegen die Verfassung aufzeigen".

Das umstrittene Gesetz schickt 27 der 73 Richter am Obersten Gerichtshof, die älter als 65 Jahre sind, in den Zwangsruhestand. Gersdorf ist im November 65 Jahre alt geworden. Bisher lag die Altersgrenze bei 70 Jahren. Neben Gersdorf haben weitere Richter angekündigt, die Zwangspensionierung nicht zu akzeptieren.

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Quelle: AP

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Tausende Menschen demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude, bereits am Abend zuvor war es zu Demonstrationen in Warschau gekommen. Richterin Gersdorf hatte das neue Gesetz am Dienstag in einer Vorlesung vor Jurastudenten als "politische Säuberung" bezeichnet.

Opponents of the judicial reform protest outside the Supreme Court building, in Warsaw

Quelle: REUTERS

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Die Opposition wirft der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor, demokratische Grundwerte zu unterlaufen und die Unabhängigkeit der Justiz zu beschneiden. Gersdorf hält die Zwangspensionierung für verfassungswidrig. Sie sei verpflichtet, ihre Arbeit zu tun, bis ihre Amtszeit im Jahr 2020 ablaufe.

Opponents of the judicial reform hold Polish and EU flags as they protest outside the Supreme Court building, in Warsaw

Quelle: REUTERS

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In den Streit hatte sich auch die Europäische Union eingeschaltet, weshalb bei den Demonstrationen auch Europaflaggen gezeigt werden. Die EU-Kommission hat wegen der Justizreform ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eröffnet. Die nationalkonservative Regierung Polens begründet die Reform damit, dass dadurch Richter aus dem Amt entfernt werden könnten, die noch zu kommunistischen Zeiten ernannt worden seien.

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Quelle: AFP

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Der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki verteidigte die umstrittenen Justizreformen seiner Regierung im Europaparlament. "Jedes Land hat ein Recht, sein Rechtssystem gemäß seiner eigenen Traditionen zu errichten", sagte Morawiecki am Mittwoch. Das Vertragsverletzungsverfahren der EU kann theoretisch bis zum Entzug von Stimmrechten auf EU-Ebene führen.

© SZ.de/ghe
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