Polen:Zeit zum Aufwachen

Der Rechtsbruch der neuen Regierung fordert die EU heraus.

Von Florian Hassel

Ebenso schnell wie zynisch geht Polens neue Regierung unter ihrem faktischen Führer Jarosław Kaczyński beim Aufbau ihrer Herrschaft vor.

Das dramatischste Beispiel ist der Angriff auf das Verfassungsgericht. Kaczyńskis Propaganda will glauben machen, es gebe einen Streit. Dies ist irreführend. Was es gibt, ist konsequenter Rechtsbruch durch die neue Regierung. Gewiss, auch die Vorgänger griffen zu unlauteren Mitteln: Etwa, als sie nicht nur drei Verfassungsrichter neu wählten, deren Mandat in ihrer Amtszeit auslief, sondern auch zwei weitere, die erst von der neuen Regierung bestimmt werden durften. Doch solcher Missbrauch wird in Polen, noch, vom höchsten Gericht gestoppt. Die Verfassungsrichter entschieden, drei Richter seien rechtmäßig gewählt, die beiden anderen nicht. Dies wäre nur eine Fußnote, hätte sich Kaczyński nicht entschlossen, das Verfassungsgericht erst zu lähmen und dann seine Unabhängigkeit zu brechen. Und so lässt er nicht nur illegal neue Richter wählen und verfassungswidrige Gesetze erlassen. Er lässt auch seine Mitarbeiter bis hinauf zu Präsident Andrzej Duda Urteile des Verfassungsgerichts offen missachten.

Europa bleibt bisher erstaunlich stumm angesichts dieser dramatischen Vorgänge im größten EU-Land Zentral- und Osteuropas. Auch Polens Bürger protestieren bisher kaum. Es ist höchste Zeit aufzuwachen.

© SZ vom 11.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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