Polens Nationaltrauma von Spaltung und Teilung hat ein Sicherheitsbedürfnis wachsen lassen, das seinesgleichen sucht in Europa. Bei kaum einem anderen Mitglied der Europäischen Union, mit Ausnahme der baltischen Staaten, wirkt die historische Traumatisierung derart in die Tagespolitik hinein.
Auch der Präsidentschaftswahlkampf, der am Sonntag in die erste Runde der Abstimmung mündet, wird vom Bedürfnis nach Sicherheit und Abschottung geprägt. Dabei lässt sich das Bedrohungsbewusstsein durchaus manipulieren, wie es die Regierungspartei PiS mit ihrem zentralen Kampagnenthema getan hat: dem Schutz traditioneller Werte und Gesellschaftsmodelle vor der liberalen, toleranten Gender-Gesellschaft. Die LGBT-Agenda, die Rechte diverser Lebensmodelle, werden in althergebrachte Bedrohungsszenarien eingebaut, und dies verfängt vor allem bei der katholischen und ländlichen Bevölkerungsmehrheit.
Militärpräsenz:Trump will US-Truppen von Deutschland teilweise nach Polen verlegen
Das Land habe sich bereiterklärt, für die Soldaten zu bezahlen, so Trump. Regierungsvertreter in Warschau betonten allerdings, man wolle eine Erhöhung der US-Militärpräsenz nicht auf Kosten Deutschlands.
In der klassischen Sicherheitspolitik hat Polen indes ein bisschen Frieden gefunden. Die Einbettung in die Nato ist solide, die Bündnissolidarität spürbar. Die besondere Aufmerksamkeit der USA via Nato in der Rüstungskooperation tut das Übrige, die Furcht vor einer Aggression Russlands zu lindern. Russische Manöver in Weißrussland, die Stationierung von Raketen mit potenzieller Nuklearbewaffnung in Kaliningrad und die Destabilisierung beim Nachbarn Ukraine - all das erlebt die polnische Bevölkerung unmittelbar. Das größte Flüchtlingskontingent im Land kommt von jenseits der Grenze, aus dem ukrainischen Donbass.
Wenn nun der amtierende Präsident Andrzej Duda vier Tage vor der Wahl von US-Präsident Donald Trump im Weißen Haus empfangen wird und Trump eine plumpe Wahlempfehlung ausspricht, dann fällt das unter die Kategorie politischer Regelbruch und demokratische Unanständigkeit, wie man sie bei Trump, aber auch der PiS inzwischen gewohnt ist. Einen schweren Fehler hat Trump aber begangen, indem er Duda die Stationierung jener Soldaten in Aussicht stellte, die er aus Deutschland abzuziehen gedenkt.
Trump und sein Sicherheitsberater (der sich krampfhaft um eine Begründung für die Verlegung bemüht) haben eine Logik der linken und der rechten Tasche entwickelt: Die USA behalten ihre Truppenstärke in Europa, nur Deutschland wird für seine Zahlungsunwilligkeit "bestraft".
Polen wird belohnt. Weder für die Nato noch für Polen geht diese Milchmädchenrechnung auf. Die permanente Stationierung einer US-Kampfbrigade könnte der - durch Russland ausgehöhlten - Nato-Russland-Grundakte den letzten Stoß versetzen und damit Europa eines der letzten Stückchen kodifizierter Sicherheit nehmen. Polen stünde dann im Zentrum einer Eskalation, die es nicht wollen kann. Mehr noch befördert das unanständige Angebot Trumps eine Spaltung der Nato selbst, zumal der US-Präsident mit Polen einen eigenen Sicherheitsvertrag schließen will. Das ist absurd. Mit einem eigenen Vertrag würden die USA und Polen der Nato ein Misstrauensvotum erteilen und das Bündnis zerstören. Der Sicherheitsverlust für Polen wäre dann unermesslich. Duda stürzt also mit seiner Washington-Reise sein Land in einen schweren Konflikt. Das stabilitätsfixierte Polen betreibt mit Hilfe der USA die Spaltung Europas. Auf diese Volte muss ein Präsident erst einmal kommen.