Präsidentenwahl in Polen:Die Überraschung kommt von rechts

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Populistische Versprechen: Andrzej Duda, Kandidat der oppositionellen Partei "Recht und Gerechtigkeit", will das Rentenalter wieder senken. (Foto: Kacper Pempel/Reuters)
  • Am 10. Mai wählen die Polen einen neuen Präsidenten. Amtsinhaber Bronisław Komorowski verlor in der Wählergunst zuletzt stark an Boden.
  • Als stärkster Konkurrent gilt Andrzej Duda, der Kandidat der nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
  • Sollte er sich durchsetzen, fände sich Polen zumindest bis zu einer Parlamentswahl im Oktober 2015 im Dauerkonflikt zwischen Regierung und Präsident wieder.

Von Florian Hassel, Warschau

Es wird eine Feierlichkeit, auf der sich Bronisław Komorowski noch einmal als Staatsmann von internationalem Format zeigen kann. Zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs empfängt Polens Präsident in Danzig am 8. Mai die meisten seiner Amtskollegen aus Mittel- und Osteuropa. Zwei Tage später wird Staatsmann Komorowski nur noch einer der Kandidaten für das Amt des Staatschefs sein: Am 10. Mai wählen die Polen einen neuen Präsidenten.

Der Wahlausgang entscheidet mit darüber, ob in Polen sowohl die Regierung als auch der Präsident aus dem gleichen politischen Lager kommen oder ob das Land in die scharfe Gegnerschaft zurückfällt, die Polens Politik früher bestimmt hat.

Noch im Februar schien Komorowski uneinholbar

Komorowski, 63 Jahre alt, wurde als langjähriger Parlamentarier, Verteidigungsminister und Parlamentspräsident im politischen Geschäft trainiert, bevor er von der seit 2007 regierenden Bürgerplattform (PO) 2010 als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde und die Wahl knapp gewann. Zwar liegt auch in Polen der Großteil der Macht nicht beim Präsidenten, sondern beim Regierungschef.

Doch das Staatsoberhaupt bestimmt nicht nur die Richtlinien von Außen- und Verteidigungspolitik mit, sondern kann mit seinem Veto auch Gesetze blockieren, die ihm nicht passen. Eine solche Blockade gab es in Polen bereits: Zwischen 2007 und 2010 legte der nationalpopulistische Präsident Lech Kaczyński zentrale Gesetze des Konkurrenten und Ministerpräsidenten Donald Tusk per Veto auf Eis, etwa eine Gesundheitsreform.

Nachdem Kaczyński 2010 bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk starb, verlor sein Zwillingsbruder Jarosław eine vorgezogene Präsidentschaftswahl knapp gegen Komorowski. Die Blockade in Polens Politik war aufgehoben. Präsident und Regierung - von 2007 an unter Donald Tusk, seit Herbst 2014 unter Ministerpräsidentin Ewa Kopacz - zogen nun am gleichen politischen Strang.

Zudem erwarb sich Komorowski, Sprössling eines alten polnischen Adelsgeschlechts, praktizierender Katholik und Vater von fünf erwachsenen Kindern, das Vertrauen der meisten Polen. Außenpolitisch pflegt Komorowski enge Kontakte etwa zur CDU - auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stattete Komorowski bei ihrer Polen-Visite am 27. April einen Besuch ab.

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Noch im Februar sah es so aus, als ob der alte in jedem Fall auch der neue Präsident sein werde. Komorowski führte in den Umfragen scheinbar uneinholbar mit bis zu 75 Prozent. Doch obwohl Komorowski beim Vertrauen weiter an der Spitze liegt, verlor er in der vorausgesagten Wählergunst stark an Boden: Nach einer am 1. Mai veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibris wollen ihn nur noch 39 Prozent der Polen wählen.

In der Wählergunst gewannen acht schillernde, wenn auch letztlich aussichtslose Kandidaten hinzu, darunter der ehemalige Rockmusiker Pawel Kukiz. Am stärksten aber holte Andrzej Duda auf, der Kandidat der zweiten großen Partei Polens, der von den Kaczyński-Brüdern 2001 gegründeten, nationalpopulistischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Duda, ein 42 Jahre alter Rechtsprofessor aus Krakau, der ebenfalls schon Minister war und heute im EU-Parlament sitzt, liegt laut Prognose bereits bei 27 Prozent.

In den sieben Jahren unter Donald Tusk hat Polen einige überfällige, schmerzhafte Reformen vorgenommen. Zwar wächst Polens Wirtschaft, doch gleichzeitig schrumpft und altert die polnische Gesellschaft. Die Regierung setzte deshalb das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre herauf. Falls er Präsident werde, wolle er als Erstes dafür sorgen, dass das Rentenalter wieder sinkt, umwarb Kandidat Duda die Wähler.

Der Gestaltungseifer der Regierung ist erlahmt

Sollte er sich tatsächlich durchsetzen, fände sich Polen zumindest bis zu einer Parlamentswahl im Oktober 2015 im Dauerkonflikt zwischen Regierung und Präsident wieder. Auch Bürgerplattform und PiS liegen in Umfragen etwa gleichauf - setzt sich die PiS durch, könnte es mit der Stabilität in der polnischen Politik erneut vorbei sein. Weitere Reformen, die Polen immer noch braucht, dürften dann in weite Ferne rücken. Schon jetzt ist auch der Gestaltungseifer der aktuellen Regierung im Zeichen des Dauerwahlkampfes erlahmt.

Eigentlich müsste Polen etwa dringend die jedes Jahr Hunderte Millionen Euro Verluste einfahrende Kohleindustrie reformieren. Deren führende Betriebe gehören immer noch ganz oder teilweise dem Staat. Im Januar legte ein Reformbeauftragter ein Konzept vor, demzufolge etwa der Kohlekonzern Weglowa vier seiner 15 Bergwerke schließen sollte. Dies hätte einen Verlust von 5000 der 49 000 Arbeitsplätze dort bedeutet - nach mehrtägigen Protesten der Bergleute legte Regierungschefin Kopacz die Kohlereform auf Eis.

Zunächst aber steht die Entscheidung über das Präsidentenamt an: Da am 10. Mai wohl kein Kandidat mehr als 50 Prozent der Stimmen bekommt, küren die Polen voraussichtlich erst am 24. Mai in einer Stichwahl den Sieger. Der Ausgang solcher Wahlen ist in Polen oft knapp, auch überraschend. 1995 etwa gingen die Polen am Wahlabend mit der Gewissheit ins Bett, Solidarność-Held Lech Wałęsa werde im Präsidentenpalast bleiben.

Doch am nächsten Morgen zeigte sich, dass sein postkommunistischer Herausforderer Aleksander Kwasniewski ihn besiegt hatte. Ähnlichspannend war es 2010: Nach der Flugzeugtragödie von Katyn, bei der der damalige Präsident Lech Kaczyński ums Leben kam, gingen viele davon aus, dass ihn sein Zwillingsbruder Jarosław beerben werde. Stattdessen gewann Komorowski.

© SZ vom 04.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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