Es wird eine Feierlichkeit, auf der sich Bronisław Komorowski noch einmal als Staatsmann von internationalem Format zeigen kann. Zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs empfängt Polens Präsident in Danzig am 8. Mai die meisten seiner Amtskollegen aus Mittel- und Osteuropa. Zwei Tage später wird Staatsmann Komorowski nur noch einer der Kandidaten für das Amt des Staatschefs sein: Am 10. Mai wählen die Polen einen neuen Präsidenten.
Der Wahlausgang entscheidet mit darüber, ob in Polen sowohl die Regierung als auch der Präsident aus dem gleichen politischen Lager kommen oder ob das Land in die scharfe Gegnerschaft zurückfällt, die Polens Politik früher bestimmt hat.
Noch im Februar schien Komorowski uneinholbar
Komorowski, 63 Jahre alt, wurde als langjähriger Parlamentarier, Verteidigungsminister und Parlamentspräsident im politischen Geschäft trainiert, bevor er von der seit 2007 regierenden Bürgerplattform (PO) 2010 als Präsidentschaftskandidat aufgestellt wurde und die Wahl knapp gewann. Zwar liegt auch in Polen der Großteil der Macht nicht beim Präsidenten, sondern beim Regierungschef.
Doch das Staatsoberhaupt bestimmt nicht nur die Richtlinien von Außen- und Verteidigungspolitik mit, sondern kann mit seinem Veto auch Gesetze blockieren, die ihm nicht passen. Eine solche Blockade gab es in Polen bereits: Zwischen 2007 und 2010 legte der nationalpopulistische Präsident Lech Kaczyński zentrale Gesetze des Konkurrenten und Ministerpräsidenten Donald Tusk per Veto auf Eis, etwa eine Gesundheitsreform.
Nachdem Kaczyński 2010 bei einem Flugzeugabsturz im russischen Smolensk starb, verlor sein Zwillingsbruder Jarosław eine vorgezogene Präsidentschaftswahl knapp gegen Komorowski. Die Blockade in Polens Politik war aufgehoben. Präsident und Regierung - von 2007 an unter Donald Tusk, seit Herbst 2014 unter Ministerpräsidentin Ewa Kopacz - zogen nun am gleichen politischen Strang.
Zudem erwarb sich Komorowski, Sprössling eines alten polnischen Adelsgeschlechts, praktizierender Katholik und Vater von fünf erwachsenen Kindern, das Vertrauen der meisten Polen. Außenpolitisch pflegt Komorowski enge Kontakte etwa zur CDU - auch Bundeskanzlerin Angela Merkel stattete Komorowski bei ihrer Polen-Visite am 27. April einen Besuch ab.
Noch im Februar sah es so aus, als ob der alte in jedem Fall auch der neue Präsident sein werde. Komorowski führte in den Umfragen scheinbar uneinholbar mit bis zu 75 Prozent. Doch obwohl Komorowski beim Vertrauen weiter an der Spitze liegt, verlor er in der vorausgesagten Wählergunst stark an Boden: Nach einer am 1. Mai veröffentlichten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibris wollen ihn nur noch 39 Prozent der Polen wählen.