Süddeutsche Zeitung

Polen über Russland-Politik der EU:"Dann müssen wir neue Sanktionen sofort verhängen können"

Die EU sollte vorbereitet sein: Falls Moskau in der Ostukraine aggressiv gegen Städte wie Mariupol vorgehe, müsse die EU schnell reagieren, fordert Polens Außenminister Schetyna. Er vergleicht die aktuelle Lage mit den Zeiten der Kubakrise und des Mauerbaus - von Kaltem Krieg will er aber nicht sprechen.

Von Stefan Braun und Florian Hassel

Polens neuer Außenminister Grzegorz Schetyna hat die EU aufgerufen, sich schon jetzt auf mögliche neue Sanktionen gegen Russland vorzubereiten, sollte Moskau in der Ostukraine mit weiteren Aggressionen gegen Städte wie Mariupol vorgehen. Schetyna sagte der SZ: "Dann müssen wir neue Sanktionen sofort verhängen können und sie nicht erst entwerfen müssen." Er betonte, Sanktionen und ein niedriger Ölpreis seien derzeit die stärksten Waffen gegen Moskau.

Zugleich warnte er vor einem militärischen Konflikt der Nato gegen Russland. "Er würde einen Dritten Weltkrieg bedeuten", so Schetyna. Der Nachfolger des früheren Außenministers Radosław Sikorski verglich die aktuelle Lage mit den Spannungen zu Zeiten der Kubakrise und des Mauerbaus Anfang der 1960er Jahre. Allerdings lehnte er es ab, schon jetzt von einem neuen Kalten Krieg zu sprechen. "Bisher haben wir keine neue Teilung quer durch Europa."

Grzegorz Schetyna im Wortlaut

Das vollständige Interview lesen Sie in der Freitagsausgabe der Süddeutschen Zeitung oder in der digitalen Ausgabe auf dem Smartphone oder Tablet.

Schetyna betonte, die größte Herausforderung für die Europäische Union sei es, gegenüber Moskau mit einer Stimme zu sprechen und Russlands Aggression beim Namen zu nennen. Das sei derzeit gar nicht so einfach. "Während die einen am liebsten zum business as usual übergehen würden, haben Lettland oder Estland Angst vor dem Morgen." Deshalb erwarte er von der Nato jetzt einen klaren Beweis dafür, "dass sie dem Druck Russlands etwas entgegensetzen will und wird".

Mit Blick auf die Motive des russischen Präsidenten für sein aggressives Vorgehen warnte Schetyna vor Illusionen. "Lesen Sie Präsident Putins Rede vom 18. März, nach der Annexion der Krim. Sie sagt alles. Da ging es sowohl um Neu-Russland wie um die Sowjetunion der sechziger Jahre." Die Sehnsucht nach der Zeit, als Russland eine Weltmacht war, sei in der Moskauer Elite weit verbreitet. Entsprechend gehe es Moskau jetzt darum zu zeigen, "dass es wieder eine Macht ist".

Zu möglichen Waffenlieferungen an die Ukraine sagte Schetyna, das liege ganz allein an Kiew. "Es gibt kein Waffenembargo gegen die Ukraine", betonte Polens Chefdiplomat. "Die Ukrainer können sich an die entsprechenden Firmen und Lieferanten wenden, und dann kann geliefert werden", sagte Schetyna.

Zur Debatte über ein größeres internationales Engagement Deutschlands sagte der polnische Minister: "Ganz offen, ganz klar: wir wollen und erwarten, dass sich Deutschland in Europa und in der Welt mehr engagiert."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2230995
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/gal
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.