Lebensmittelpreise:Maulwürfe auf Hamstertour

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Der will doch nur einkaufen: Die Zeichentrickfigur kleiner Maulwurf, erfunden von Zdeněk Miler, ist ein Symbol Tschechiens. Hier wirbt er auf der Leipziger Buchmesse für das Land. In Polen wird das Maskottchen auch schon mal boshaft verwendet. (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Großeinkäufe und ein umstrittener Tagebau sind Auslöser für Animositäten im Grenzgebiet zwischen Polen und Tschechien. Doch beide Seiten versuchen, die Wogen zu glätten.

Von Viktoria Großmann

Die polnische Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk beschreibt die Tschechen in ihrem Roman "Gesang der Fledermäuse" als friedfertiges Völkchen, das sich in gemütlicher Runde in kindlicher Sprache freundlich unterhält. Tatsächlich empfinden Polen das Tschechische oft als niedlich. Vielen Tschechen wiederum fällt zum Polnischen zuerst das Wort "laut" ein und dann: emotional. Die Tschechen gelten manchmal auch als die "Deutschen" unter den Slawen. In ein Klischee gepresst: erschreckend pedantische Ingenieure, die gern preisgünstig einkaufen.

Und an dieser Stelle wurde es zuletzt laut und emotional. "Demnächst werden wir uns ums Brot schlagen", zitierte die polnische Gazeta Wyborcza jüngst einen wütenden Einwohner der Grenzstadt Bogatynia, unweit auch der deutschen Grenze. Von einer "tschechischen Sintflut" war die Rede, welche die Läden auf der polnischen Seite entleert zurücklasse. Seit Jahren fahren die Tschechen gern zum Einkaufen über die Grenze, wie die Deutschen auch. Die polnischen Händler freute es. Aber genug ist genug. Die Inflationsrate ist im zweistelligen Bereich, in Polen etwas höher als in Tschechien, die Krone ist stark, der Złoty aber schwach, und in Polen wird bis Jahresende auf viele Waren keine Mehrwertsteuer erhoben. Das lockt noch mehr Tschechen zum "Marienkäferchen" - Biedronka, so heißt eine polnische Discounterkette. In einer Facebook-Gruppe tauschen mehr als 134 000 Tschechen Einkaufstipps aus.

Auf polnischer Seite wollte ein eifriger Kreisrat dem Treiben ein Ende setzen und heftete den Tschechen Flugblätter unter die Scheibenwischer ihrer Autos. Im Namen aller Bürger von Bogatynia bat er darum, "die Einkaufskultur zu wahren", und holte gleich zu einem weiteren Schlag aus. Schließlich habe die tschechische Regierung erst kürzlich versucht, den weiteren Ausbau des Braunkohletagebaus Turów zu verhindern. Dieser aber garantiere Arbeitsplätze und Wohlstand der gesamten Region. Tatsächlich hat die tschechische Regierung den Streit um den Tagebau beigelegt - und einem Vergleich zugestimmt, der Weiterbetrieb und Ausbau erlaubt. Nicht nur die Tschechen leiden unter den Folgen - so wird ihnen beispielsweise das Grundwasser abgegraben. Auch die sächsische Stadt Zittau sieht sich betroffen und hat vor einem Warschauer Verwaltungsgericht Klage eingereicht.

Es ist nicht das erste Mal, dass es wegen des Tagebaus Ärger zwischen Polen und Tschechien gibt. Vor einem Jahr wollten einige polnische Ladeninhaber und Gastronomen keine Tschechen mehr bedienen. Entsprechende Schilder illustrierten sie mit der tschechischen Zeichentrickfigur vom kleinen Maulwurf - der doch genauso ist, wie Tokarczuk die Tschechen beschreibt. Wer möchte ihn und seine Freunde nicht zu Gast haben?

Nun melden sich im Grenzgebiet versöhnliche Stimmen. Tschechen beteuern, sich für das maßlose Hamstern ihrer Landsleute zu schämen, auf polnischer Seite wird der Brief des Lokalpolitikers aus Bogatynia als übergriffiger Alleingang kritisiert und daran erinnert, dass die Einkaufsströme auch schon in die andere Richtung gingen. Ob im Streit um Toilettenpapier oder Braunkohle: Es sind nur Ansichten, die trennen und verbinden, nicht die Nationalität.

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