Polen:Senden, wie der Staat es will

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Von hier aus wird man künftig nicht mehr allzu unabhängig berichten können: Das Hauptquartier des polnischen Staatsfernsehsenders in Warschau. (Foto: Slawomir Kaminski / Agencja Gazeta / Reuters)
  • Polens nationalkonservative Regierung plant ein weiteres umstrittenes Pressegesetz: Dadurch sollen sämtliche Journalisten der Staatsmedien überprüft und gegebenenfalls entlassen werden können.
  • Bereits zu Silvester hatte das Parlament ein ähnliches Gesetz erlassen, mit dem Führungskräfte gekündigt werden können.

Von Florian Hassel, Warschau

Polens nationalkonservative Regierung plant ein weiteres Gesetz, um nach Führungskräften der staatlichen Fernseh- und Rundfunksender und der Presseagentur PAP auch sämtliche Journalisten der Staatsmedien überprüfen und gegebenenfalls entlassen zu können. Das könnte Tausende Journalisten betreffen.

Bereits am Silvestertag verabschiedete das von der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) kontrollierte Parlament die Änderungen des Mediengesetzes. Diese erlauben dem Minister für Staatseigentum, Führungskräfte der Staatsmedien ohne Angabe von Gründen jederzeit zu entlassen und durch eigene Leute zu ersetzen.

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Der Generalsekretär des Europarates, Thorbjorn Jagland, forderte Polens Präsident Andrzej Duda auf, das Gesetz wegen möglicher Verletzung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention festgelegten Meinungsfreiheit ohne Regierungseinmischung nicht zu unterschreiben. Bisher hat der von der PiS gestellte Duda alle Gesetze unterschrieben, die die Macht der Partei ausbauen.

Drei Monate nach Inkrafttreten sollen alle Mitarbeiter entlassen werden können

Schon liegt der Entwurf für ein weiteres Mediengesetz vor. Der Entwurf sieht PAP und Gazeta Wyborcza zufolge vor, das staatliche Fernsehen TVP, seine 17 regionalen Ableger, das staatliche Radio und die Nachrichtenagentur PAP durch eine Umwandlung der Rechtsform zu staatlichen Institutionen zu machen, die künftig von einem Direktor geführt werden, der gleichzeitig auch Chefredakteur sein soll.

Im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Rechtsform sollen alle Arbeitsverträge drei Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes ihre Gültigkeit verlieren und alle Mitarbeiter entlassen werden können - es sei denn, der neue Direktor schließt einen neuen Arbeitsvertrag ab. Dem Entwurf zufolge soll der Überprüfungsprozess im ersten Quartal 2016 stattfinden - was nahelegt, dass der Gesetzentwurf in den nächsten Tagen verabschiedet werden soll.

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Grundaufgabe der geplanten Staatsmedien soll etwa die "Pflege der Volkstraditionen und patriotischer und humanistischer Werte" oder die "Popularisierung von Bürgertätigkeiten" sein. Die neuen Volksmedien müssen "das christliche Wertesystem respektieren" und neben den Haltungen verschiedener Parteien vor allem "die Positionen des Sejms, des Senats, des Präsidenten, des Premiers, des Rechnungshofes und des Ombudsmannes verbreiten".

Unabhängiger Journalismus? "Ein idealisierter Mythos"

Als Aufsicht über die staatlichen Medien soll ein fünfköpfiger Rat der Volksmedien dienen, dessen Mitglieder von beiden Parlamentskammern und dem Präsidenten bestimmt werden. Alle Institutionen werden von der PiS kontrolliert. Die Staatsmedien sollen künftig auch gesellschaftliche Programmräte bekommen, die zur "Umsetzung der öffentlichen Mission inspirieren sollen". Die Räte sollen aus den christlichen Kirchen kommen, aus Gewerkschaften, Bauernverbänden, Arbeitgebern und Hochschulen.

Krystyna Pawłowicz, führende Parlamentarierin der PiS, macht kein Geheimnis daraus, dass die politische Kontrolle über die Staatsmedien der Grund für die Änderungen der Mediengesetze ist. Unabhängige, überparteiliche und nicht politisierte Medien seien ein "idealisierter Mythos, der die Führung des Staates erschwert". Die Regierung müsse direkten Einfluss auf die Staatsmedien haben, "nicht nur, um über die Lage des Staates und mögliche Probleme zu informieren, sondern auch, um eine ständige prostaatliche Politik" in Erziehung, Kultur oder Sicherheitsfragen durchzuführen, schrieb Pawlowicz in einem Artikel für den Internetdienst des der PiS nahestehenden Radio Mariya.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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