Dass es Asterix-Comics auf Schlesisch gibt, versteht sich von selbst. Wer hätte mehr für Verbreitung und Erhaltung aller möglichen Dialekte getan als die Asterix-Herausgeber? Ob der polnische Ministerpräsident Donald Tusk „Asteriks na szpilach ôlimpijskich“ gelesen hat, ist nicht bekannt, aber es gehörte zu seinen Wahlversprechen, das Schlesische als Regionalsprache anzuerkennen. Genauso wie das Kaschubische, das in Danzig und Umgebung noch gesprochen wird, wo Tusk geboren wurde.
Gut vier Monate nach Amtsantritt der Regierung Tusk stimmte Ende April tatsächlich die Mehrheit der Sejm-Abgeordneten dafür, das Schlesische als eigenständige Sprache anzuerkennen. Schlesisch dürfe im Schulunterricht verwendet werden, Ortsnamen könnten zweisprachig ausgewiesen werden. Einen Monat später legte Präsident Andrzej Duda ein Veto ein. Zum Schutz der polnischen Nation. Duda steht der rechtsnationalen PiS-Partei nahe, die ihn groß gemacht hat und acht Jahre lang regierte. Tatsächlich wagten im Sejm nur zwei PiS-Abgeordnete, für das Schlesisch-Gesetz zu stimmen. Bezeichnenderweise selbst Schlesier.
Dass jemand aus Schlesien kommt, merkt man üblicherweise daran, dass er oder sie es rasch mitteilt. Viele Menschen aus der Gegend um Katowice, Gliwice oder Rybnik fühlen sich zuerst als Schlesier, erst dann als Polen. In einer Befragung gaben 2021 beim Punkt „Volkszugehörigkeit“ fast 600 000 Menschen Schlesisch an. Man kann die Schlesier aber auch an ihrer Sprache erkennen. Oder ist es ein Dialekt? Eine Mundart, ein Ethnolekt?
Hier ist die Rede vom Schlesischen, das auch als polnischer Dialekt gilt, in Varianten aber auch im schlesischen Gebiet in der Slowakei und Tschechien gesprochen wird. Der deutsche schlesische Dialekt wird heute noch von Nachkommen vertriebener deutscher Schlesier gepflegt. Ein paar Überschneidungen gibt es. So hat das slawische Schlesisch einige deutsche Lehnwörter, darunter so schöne wie „szac“ (Schatz) oder „nudelkula“, also Nudelholz. Wobei nicht jeder Schlesier diese benutzt, es gibt regionale Unterschiede.
Das ist für die Schlesier ein Rückschlag auf dem Weg der Emanzipation
Umfassende und jahrzehntelange Erforschung des Schlesischen aber reichen dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda nicht aus, um das Schlesische als Sprache anzuerkennen und damit auch zu fördern. Duda hält das sogar für gefährlich – und zwar wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Die aktuelle Bedrohungslage nämlich erfordere „besondere Sorgfalt bei der Bewahrung der nationalen Identität“, und diese werde „insbesondere durch die Pflege der Muttersprache gewährleistet“, wie er sagt. Die Linken-Abgeordnete Magdalena Biejat, eine Warschauerin, antwortete dem Präsidenten auf X: „Fehlt eigentlich nur noch, dass er die Schlesier direkt als russische Agenten bezeichnet.“
Für die Schlesier ist es ein weiterer Rückschlag auf dem langen Weg der Emanzipation. Für sie wäre die Anerkennung ihrer Sprache nur der erste Schritt zur Anerkennung als Volksgruppe – inoffiziell sind sie die größte Minderheit Polens. Bei der Europawahl stimmten die Schlesier überwiegend für die Partei von Donald Tusk. Gut möglich, dass im kommenden Jahr bei der Präsidentschaftswahl nur derjenige Kandidat eine Chance hat, der Asterix auch auf Schlesisch lesen kann.