Süddeutsche Zeitung

Polen:Propaganda statt Pressefreiheit

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Die Regierung in Warschau macht es unabhängigen Medien immer schwerer: Staatliche Übernahmen und eine geplante Sondersteuer bedrohen ihre Existenz.

Von Florian Hassel, Warschau

Es war "eine der besten Nachrichten" der letzten Jahre für Jarosław Kaczyński. Die Freude war also groß bei dem Chef der Regierungspartei PiS und Polens faktischem Regierungschef, als der staatliche Ölkonzern Orlen am 7. Dezember bekannt gab, dass er von der Verlagsgruppe Passahu die Polska Press übernimmt. 20 von Polens 24 regionalen Tageszeitungen, zudem 120 Wochenzeitungen und 500 Internetportale sowie Druckereien gelangen damit in Staatsbesitz.

Bürgerrechtskommissar Adam Bodnar, der einem der letzten noch unabhängigen Verfassungsorgane Polens vorsteht, sagte, die Übernahme von Polska Press durch Orlen habe den Zweck gehabt, regionale Medien unter Kontrolle zu bringen, und sei "das Abschneiden der nächsten Scheibe von Freiheit". In Ungarn gebe es bereits "fast keine freien Medien mehr". In Polen, so Bodnar, "sterben die Medien, ähnlich wie die Demokratie, heute sang- und klanglos".

Auch das International Press Institute, die älteste Organisation zur Stärkung der Pressefreiheit, kritisiert Polen. Das Land habe unter der PiS-Regierung die Pressefreiheit durch juristische Schikanen und physische Angriffe, Entzug staatlicher Anzeigen, Manipulationen beim Vertrieb und regulatorische Diskriminierung umfassend geschrumpft, stellte es in einem neuen Report fest.

Sogar ein Gesetz zur "Repolonisierung der Medien" ist in Polen schon in Vorbereitung, es soll ausländischen Eigentümern die Kontrolle von Medien verbieten. Zudem will die Regierung Medien ab Juli 2021 mit einer Sondersteuer belegen. Bemäntelt ist diese Steuer als Gesetzentwurf über "zusätzliche Einkünfte des Nationalen Gesundheitsfonds, der Staatlichen Denkmalschutzstiftung und der Schaffung der Stiftung zur Unterstützung der Kultur und des nationalen Erbes im Bereich der Medien". Die Rechtfertigung: Polens Medien leisteten so ihren Beitrag zur Überwindung der Corona-Pandemie.

Unabhängige Medien kämpfen ums Überleben

Wird der Entwurf Gesetz, müssen Medienhäuser ab Juli Sondersteuern auf ihre - ohnehin schon besteuerten - Werbeeinnahmen zahlen. Die Regierung rechtfertigte dies mit der angeblich notwendigen Besteuerung von Internetgiganten wie Google oder Facebook. "Dies ist eine Steuer, eine Abgabe, die in vielen Ländern der EU ... eingeführt wurde", argumentierte Regierungssprecher Piotr Müller.

Polens Medienhäuser widersprechen: In Frankreich, Spanien oder Italien - von der Regierung ausdrücklich als angebliches Vorbild bezeichnet - würden nur Firmen besteuert, die weltweit 750 Millionen Euro oder mehr umsetzen. In Polen aber sollen auch kleine Medien zahlen. Der Steuerrechtler Adam Marianski erklärte in der Tageszeitung Rzeczpospolita, die geplante Sondersteuer komme einer mutmaßlich verfassungswidrigen Doppelbesteuerung gleich.

Die Sondersteuer träfe vor allem Polens noch unabhängige Medienhäuser, von denen viele ohnehin ums Überleben kämpfen: etwa die Agora-Gruppe, die die Gazeta Wyborcza verlegt, oder die Wochenmagazine Polityka und Newsweek Polska, die dem Schweizer Medienunternehmen Ringier und dem Springer-Verlag gehören, oder den im US-Besitz befindlichen privaten Fernsehsender TVN. Allein 2020 haben Polens Medien nach eigenen Angaben die Hälfte ihrer Werbeeinnahmen verloren.

Regierungsnahe Tageszeitungen, Magazine und Internetdienste sind dagegen gut versorgt mit Anzeigen etlicher Staatsfirmen. Auch bei Radio und Fernsehen ist die Unabhängigkeit bedroht. Der staatliche Medienrat wurde schon 2016, kurz nach der Regierungsübernahme, durch die PiS übernommen - das damals noch unabhängige Verfassungsgericht verurteilte dies als verfassungswidrig.

Zeitungen erschienen mit schwarzer Titelseite

Infolge dieser Übernahme untersteht der staatliche Fernsehsender TVP seitdem dem engen Kaczyński-Vertrauten Jarosław Kurski und ist das einflussreichste Propagandainstrument der PiS-Regierung. Diese schiebt TVP seit 2016 milliardenschwere Zuschüsse aus dem Staatshaushalt zu, kaufte Schuldscheine, gab Kredite und Anzeigen von Staatsfirmen.

Gegen die geplante Sondersteuer protestierten am 10. Februar mehr als 40 Verlage und Fernsehanstalten: Zeitungen erschienen mit einer schwarzen Titelseite, im Internet wurden einen Tag lang keine Nachrichten veröffentlicht. Noch ist über ihr Schicksal nicht entschieden, das Gesetz muss noch politische Hürden nehmen. Die PiS hat im polnischen Parlament allein keine Mehrheit, sie steckt in einer Regierungskoalition mit dem "Solidarischen Polen" von Justizminister Zbigniew Ziobro und der Partei "Verständigung" von Vizeministerpräsident Jarosław Gowin.

Und Gowin folgt Kaczyński in der Koalition nicht immer. Als die geplante Sondersteuer bekannt wurde, erklärte seine Partei, sie "analysiere mit Unruhe das Projekt der neuen Mediensteuer", das "in keinem Stadium" mit den Koalitionspartnern abgestimmt worden sei. Am Freitagabend ließ die Partei eine Erklärung folgen, die sich als Ablehnung der Sondersteuer verstehen lässt. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass Gowin sein Veto gegen ein Gesetz ankündigt, dem er letztlich doch zustimmt. Zudem verweigert ihm ein abtrünniger Parteiflügel die Gefolgschaft und will die Sondersteuer unterstützen.

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