Präsidentschaftswahlkampf in PolenRechte Rhetorik als notwendige Strategie?

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Ministerpräsident Donald Tusk (rechts) und Rafał Trzaskowski nach der Kommunalwahl 2024. Jetzt will Trzaskowski Präsident werden.
Ministerpräsident Donald Tusk (rechts) und Rafał Trzaskowski nach der Kommunalwahl 2024. Jetzt will Trzaskowski Präsident werden. (Foto: Marcin Obara)

Zurück nach Europa – das versprach der polnische Wahlsieger Donald Tusk vor gut einem Jahr. Jetzt ignoriert seine Regierung EU-Recht, sein Präsidentschaftskandidat fischt nach Wählerstimmen am rechten Rand.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Kindergeld nur noch für Ukrainer, die auch arbeiten gehen – das forderte Rafał Trzaskowski vor einer Woche. Mittlerweile widmet sich der Kandidat für die polnische Präsidentenwahl dem nächsten Thema: Sicherheit. Gleich nach dem Telefonat des US-Präsidenten Donald Trump mit dem russischen Diktator Wladimir Putin legte Trzaskowski einen Fünf-Punkte-Plan vor. Darunter ist das Vorhaben, fünf Prozent des polnischen Bruttoinlandproduktes für Verteidigung auszugeben.

Es ist Wahlkampf in Polen und auch die liberale Mitte versucht inzwischen, am rechten und ganz rechten Rand zu fischen. Debatten über die finanzielle Unterstützung ukrainischer Kriegsflüchtlinge gehören mittlerweile dazu.

Im Wahlkampf gegen Duda war Trzaskowski noch betont liberal aufgetreten

Trzaskowski ist Bürgermeister von Warschau, Stadtpräsident heißt das in Polen, und Kandidat der konservativ-liberalen Regierungspartei Bürgerplattform von Ministerpräsident Donald Tusk. Erst kürzlich bekam er vom ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij persönlich eine Auszeichnung für seine Stadt überreicht, weil sie sich so vorbildlich um ukrainische Kriegsflüchtlinge gekümmert hat.

Doch die Euphorie der Hilfsbereitschaft ist vorbei, im Wahlkampf will Trzaskowski anscheinend lieber Härte zeigen.

Vor fünf Jahren hatte Trzaskowski knapp gegen Amtsinhaber Andrzej Duda verloren. Damals trat Trzaskowski im Wahlkampf betont liberal auf. Er zeigte sich mit der Regenbogenflagge, trat als Unterstützer der von der damaligen rechtsnationalistischen PiS-Regierung extrem angefeindeten LGBT-Gemeinde auf. Es stand dem jugendlich wirkenden Bürgermeister der weltoffenen Metropole ganz gut zu Gesicht. Jüngere, städtische, eher linksorientierte Menschen blieben dennoch skeptisch.

Auch im Mai 2025 geht es wieder um viel. Ein Präsident Trzaskowski würde Donald Tusk das Regieren erheblich erleichtern. Denn Duda blockiert derzeit Tusks Koalition, wo er nur kann. Er verhindert vor allem die Rückkehr zu einer echten Gewaltenteilung. Noch immer ist die Justiz teilweise in den Händen der PiS. Und diese inszeniert sich als Tusks Opfer, wirft diesem einen Staatsstreich vor.

Es dürfte zur Stichwahl kommen – wer gewinnt?

Duda darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Die PiS hat einen neuen Kandidaten aufgestellt, den Historiker und Ex-Boxer Karol Nawrocki. Es gilt als sicher, dass Nawrocki und Trzaskowski in die Stichwahl kommen – doch wer diese gewinnt, erscheint noch völlig offen.

„Ohne Teile der rechten Wählerschaft schafft Trzaskowski es nicht“, sagt Agnieszka Łada-Konefał vom Deutschen Polen-Institut. „Er muss aus der Mitte herauskommen und Wähler erreichen, die genug von der PiS haben, aber auch die liberale Rhetorik nicht mögen.“ Und was ist mit seinen Stammwählern? Trzaskowski und sein Wahlkampfteam müssten letztlich darauf hoffen, dass diese den rhetorischen Rechtsruck verstehen – als notwendige Strategie.

Eine gefährlich allerdings. Die eigene Anhängerschaft ist ohnehin schon genervt. Die größte Gefahr sieht Politikwissenschaftlerin Małgorzata Kopka-Piątek derzeit darin, dass viele der Menschen, die bei der Parlamentswahl im Oktober 2023 Tusk und seinen Koalitionspartnern zum Sieg über PiS verholfen haben, im Mai 2025 nicht mehr zur Wahl gehen.

Tusk gewann auch, weil viele Frauen für ihn stimmten und Frauenrechtsorganisationen massiv zur Wahl aufriefen. Doch ein zentrales Wahlkampfthema, legaler Schwangerschaftsabbruch, ist derzeit vom Tisch. Polen hat weiterhin das zweitstrengste Abtreibungsverbot der EU, nach Malta. Tusk bekam in seiner Koalition keine Mehrheit für einen Gesetzentwurf zusammen. Enttäuscht seien auch viele andere Engagierte, die für freie Gerichte, Minderheitenschutz, Umweltschutz eintraten – und für Polens Platz in der EU. Die PiS-Regierung brach mehrfach EU-Recht, gehörte zu den ewigen Blockierern unter den EU-Staaten.

Tusk lehnt den EU-Asylkompromiss ab, Trzaskowski greift den Green Deal an

Jetzt erleben jene, die auf den Wahlkampfveranstaltungen von Tusk EU-Flaggen schwenkten, eine Regierung, die vorhat, gesetzlich das Asylrecht auszusetzen – und damit EU-Recht brechen würde. Ministerpräsident Tusk lehnt ebenso wie die PiS den EU-Asylkompromiss ab und Präsidentschaftskandidat Trzaskowski greift nun den Green Deal an – gegen den früher vor allem die PiS wetterte.

Wenn nun diese Enttäuschten am Wahltag zu Hause blieben, sagt Kopka-Piątek, dann „wäre das zugunsten der Rechten“. Also des PiS-Kandidaten sowie des ebenfalls in Umfragen sehr starken Kandidaten der rechtsextremen Konfederacja, der auf den dritten Platz kommen könnte. Und für wen würden sich dessen Anhänger wohl in der Stichwahl entscheiden?

Trzaskowski brauche eine eigene Erzählung, sagt Kopka-Piątek. Die fehle ihm und auch der ganzen Partei Bürgerplattform. „Sie reagieren nur, sie schaffen es nicht, ihre eigene Vision zu entwickeln.“ Doch das ewige Meckern über PiS reiche nun nicht mehr, da Tusk selbst im Amt ist und aus Sicht vieler Wähler noch viel zu wenig bewegt hat.

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