Wahlkampf in Polen:Aufstieg der jungen Rechten

Nach dem Brexit der Polexit? In Polen ist EU-Ablehnung weit verbreitet. Auch das Bündnis Konfederacja steht dafür.

Nach dem Brexit der Polexit? In der polnischen Politik gibt es einige EU-Skeptiker. Das Bündnis Konfederacja will sogar einen Austritt aus der EU.

(Foto: Maciej Luczniewski/Imago)

In Umfragen steht die PiS gut da, aber um nach der Wahl im Herbst weiter zu regieren, wird sie einen Partner brauchen. Und der könnte sehr weit rechts stehen.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Die Umfragen stehen nicht schlecht für die regierende Partei in Polen. Da führt die PiS mit weitem Abstand, kommt derzeit bei einem Institut auf 32,2 Prozent Wähleranteil, beim anderen auf glatte 33 Prozent.

Doch bis zur Wahl sind es ja noch mehr als fünf Monate hin. Irgendwann zwischen dem 15. Oktober und dem 5. November wird in Polen ein neues Parlament gewählt. Auf das genaue Datum hat sich der Präsident noch nicht festgelegt, Andrzej Duda hat damit noch Zeit bis Mitte Juli. Insofern ist eigentlich auch der offizielle Wahlkampf noch nicht eröffnet. Tatsächlich aber findet er auf jeder Pressekonferenz, an jedem Feiertag mit öffentlichen Reden und längst auch auf den Marktplätzen Polens statt, zu denen die Politiker aller Seiten durchs Land reisen.

Denn klar ist auch für die PiS: Im Vergleich zur Wahl 2019 hat sie deutlich an Zuspruch verloren, eine Mehrheit könnte sie mit 33 Prozent nicht erreichen. Ohnehin ist diese in den vergangenen Jahren auch im Sejm zusammengeschmolzen. Zwei Partner, die mit der PiS gemeinsam auf der Liste der "Vereinten Rechten" angetreten waren, gingen in die Opposition. Der noch verbliebene Partner, die Partei von Justizminister Zbigniew Ziobro, bleibt in Umfragen unter der Wahrnehmungsschwelle. Ziobros Partei versucht es nun mit einem Namenswechsel, nennt sich seit Mittwoch nicht mehr Solidarna Polska, sondern nun Souveränes Polen, was ihrer EU-feindlichen Haltung wohl eher entspricht.

Ein Bündnis der PiS mit der Konfederacja galt kürzlich noch als undenkbar

Nur einer Gruppierung scheint es derzeit zu gelingen, neue Wähler zu gewinnen, der Konfederacja. Im eigentlichen Sinne ist sie keine Partei, eher ein Bündnis mehrerer Gruppierungen, zusammengehalten von dem Wunsch, die EU zu verlassen und die polnische Währung Złoty zu behalten. Eines ihrer Mitglieder, Sławomir Mentzen, fasste die Ziele im Bündnis vor vier Jahren so zusammen: "Wir wollen ein Polen ohne Juden, Homosexuelle, Abtreibungen, Steuern und die Europäische Union." Mit zwölf von 460 Sitzen ist die Konfederacja bereits im Sejm vertreten, sie zog 2019 als kleinste Fraktion ein. In Umfragen ist sie mit etwa zehn Prozent nun die drittstärkste Partei.

Zum Selbstverständnis der Konfederacja gehört es auch, nicht nur den Rest der Opposition, sondern auch die Regierung als schwach und verlogen hinzustellen. Offizieller Slogan: Wir geben euch Polen zurück.

Mit der Zustimmung zur Konfederacja wachsen die Befürchtungen, dass die PiS diese zum neuen Koalitionspartner machen oder sich mit ihrer Hilfe zumindest eine Minderheitsregierung absichern könnte. Diese äußerte zum Beispiel Oppositionsführer Donald Tusk von der Partei Bürgerplattform. Schließlich bleibe außer der Konfederacja keine Partei mehr übrig, mit der die PiS inhaltlich etwas gemeinsam habe, begründete Tusk.

Noch bis vor Kurzem galt so ein Bündnis eigentlich als undenkbar. Denn Mitglieder der Konfederacja hatten sich in den vergangenen Jahren oft prorussisch geäußert. Eine Haltung, die im polnischen Parteienspektrum einmalig ist.

Nun versuchen die Konfederacja-Leute Ängste zu schüren, vor sozialer Ungleichheit durch die vielen ukrainischen Flüchtlinge im Land. Von denen die meisten schnell eine Arbeit gefunden haben. Konfederacja sieht sich als Unterstützerin polnischer Bauern im Kampf gegen den Preisverfall wegen ukrainischer Getreideimporte, ihre Mitglieder fotografieren sich mit streikenden Lkw-Fahrern, die ihre Arbeit durch günstige Konkurrenz aus dem Osten bedroht sehen.

Auch Frauen gibt es bei der Konfederacja, nicht viele, aber es scheint, als habe man im Bündnis daran gedacht, dass das heutzutage wichtig ist. Sie haben eine eigene Gruppe im Bündnis. Eine erklärt etwa in einem Twitter-Video, dass Regierung und Opposition immer die Falschen für Gewalt gegen Frauen verantwortlich machen. Nämlich "Männer und das Patriarchat". Ihre Antwort: Es sind Ausländer. Eine andere warnt, dass das Klimaschutzprogramm der EU, "Fit for 55", zu enorm steigenden Lebenshaltungskosten führen wird.

Die rechte Konfederacja versucht, junge Polen anzusprechen - mit einigem Erfolg

Mit diesem Thema und mit der Art der Präsentation könnten sie einen Nerv treffen, vor allem unter jungen Wählern. Nach einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung würden mehr als 19 Prozent der 18- bis 30-Jährigen Konfederacja wählen. Nach anderen Umfragen ist der Anteil noch höher. Gerade unter Jüngeren gibt es Sorgen, eine bezahlbare Wohnung zu finden, die Zukunftsaussichten werden eher düster beurteilt. Und die Aufmerksamkeit der PiS scheint nur den Rentnern zu gelten.

Der Tiktok-Star der Konfederacja, Sławomir Mentzen, bringt es in einem seiner Videos auf den Punkt: "Kaczyński und Tusk sind älter als meine Eltern", erzählt der 36-jährige Unternehmensberater seinen etwa 740 000 Followern. Es sei also Zeit, die Parteivorsitzenden der PiS und der größten Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) in Rente zu schicken. "Zeit, dass sie aufhören, jungen Leuten ihr Leben vorzuschreiben."

Der angesprochene Donald Tusk und andere Oppositionspolitiker warnen mittlerweile bei jeder Gelegenheit vor der Konfederacja. Dabei tun sie sich selbst schwer, Wähler zu mobilisieren. Tusks Partei PO kommt in den Umfragen auf 24 bis 25 Prozent, die Linke kaum über neun Prozent.

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