Eines hat der PiS-Kandidat für die Präsidentschaftswahl allen Mitbewerbern voraus: Er ist weder Parteimitglied noch Politiker. Den Nachteil, dass er deshalb in der Bevölkerung auch wenig bekannt ist, kann er ausgleichen – gewählt wird erst im Mai. Das genaue Datum steht noch gar nicht fest. Genug Zeit also, um durchs Land zu reisen und sich einen Namen zu machen.
Karol Nawrocki heißt der Mann, den die Partei Recht und Gerechtigkeit am Sonntag in Krakau als ihren Kandidaten präsentiert hat – und zwar ausdrücklich als bürgerlichen und überparteilichen. Dass ein Wahlsieg Nawrockis als Parteisieg angesehen würde, ist aber auch klar. Und so gesehen besetzt PiS das Präsidentenamt nun schon mehr als neun Jahre – auch Andrzej Duda war ihr Kandidat gewesen. Er darf nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten.
Der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński lobte Nawrocki als Patrioten und Mann mit gesundem Menschenverstand. Nawrocki wird auch einer der jüngsten Kandidaten im Rennen sein – er ist erst 41 Jahre alt. Das Prädikat patriotisch hat sich der Historiker als derzeitiger Präsident des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) und vorheriger Direktor des Museums des Zweiten Weltkriegs verdient. PiS hatte diese Einrichtung in acht Jahren Regierungszeit stark politisiert und für ihre Auslegung der Geschichte Polens genutzt. Als Direktor des Weltkriegsmuseums in Danzig hatte Nawrocki die Dauerausstellung verändert, wogegen die Ausstellungsmacher geklagt hatten. Sie warfen Nawrocki eine politische Motivation vor.
Tusks Bürgerkoalition setzt auf den Warschauer Oberbürgermeister
Das Gericht gab den Autoren der Ausstellung schließlich recht, allerdings seien die Veränderungen gering und müssten daher nicht rückgängig gemacht werden. Mittlerweile unter neuer Leitung ist das geschehen – was wiederum Protest von PiS-Politikern hervorrief.
Nawrocki stellte sich in Krakau mit den Worten vor: „Ich bin einer von euch. Ich möchte euer Präsident werden, denn ich weiß und verstehe, dass Polen, um zu bestehen, groß sein muss.“ Der Name des Historikers war schon länger im Gespräch gewesen, jedoch waren auch zwei frühere Minister und der ehemalige Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in der engeren Auswahl. Sie alle hat Nawrocki nun überflügelt.
Bereits am Samstag hatte die Bürgerkoalition von Ministerpräsident Donald Tusk ihren Kandidaten vorgestellt: Es wird der Warschauer Oberbürgermeister Rafał Trzaskowski, der bereits 2020 gegen Amtsinhaber Andrzej Duda angetreten und nach einem im Pandemie-Sommer kurzen und durch die Vorherrschaft der PiS-Partei in den öffentlich-rechtlichen Medien unfairen Wahlkampf knapp unterlegen war.
Trzaskowski hat ein starkes Votum der eigenen Partei von 75 Prozent im Rücken. Doch die Wähler zu überzeugen, wird vermutlich deutlich härter werden. Für die Regierung von Donald Tusk geht es um viel: Sie braucht einen Präsidenten, der bereit ist, die Politisierung des Verfassungsgerichts aufzugeben und der nicht aus parteipolitischen und ideologischen Gründen jede Gesetzesinitiative der Regierung blockiert.
Doch der Wahlkampf wird nicht nur zwischen Trzaskowski und Nawrocki entschieden. Als Erster, schon im Spätsommer, hatte sich der Rechtsextreme Sławomir Mentzen von der Partei Konfederacja als Kandidat präsentiert. Die Partei ist mit PiS gemeinsam in der Opposition. Zudem will aus den Reihen von Tusks Regierungskoalition auch Szymon Hołownia erneut antreten. Er ist Vorsitzender der christlich-grünen Partei Polska 2050 und trat ebenfalls bereits 2020 an. Hołownia ist nicht Teil des Regierungskabinetts, sondern Vorsitzender des Sejm. Der ehemalige Fernsehmoderator macht sich seit Amtsantritt dadurch beliebt, dass er auf sehr unterhaltsame Weise die Abgeordneten zur Einhaltung der Regeln aufruft.
Zeremonienmeister Hołownia wies nun darauf hin, dass der Wahlkampf offiziell erst am 8. Januar beginne. Und er warnte vor einem Sieg eines der Kandidaten der großen Parteien. Denn dann werde deren Zweikampf nie aufhören, und selbst wenn Trzaskowski Präsident werde, werde nach weiteren fünf Jahren wieder PiS gewinnen. Dann lieber gleich Hołownia wählen, so die kaum verhohlene Botschaft. Aber noch ist ja ein halbes Jahr Zeit.