Untersuchungskommission:Liebesgrüße nach Moskau

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"Einer der treuesten Verbündeten Putins": Die Regierung wirft Oppositionschef Donald Tusk vor, ein russischer Agent zu sein. (Foto: Wojtek Radwanski/AFP)

Wie die Regierungspartei PiS versucht, Oppositionschef Donald Tusk zu diskreditieren.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Man darf gespannt sein, was die "Kommission zur Untersuchung russischer Einflüsse auf die innere Sicherheit der Republik Polen in den Jahren 2007 bis 2022", wenn sie denn einberufen ist, eigentlich gegen Donald Tusk vorbringen will. Denn Tusk ist ja das Hauptziel des Gesetzes, mit dem die Kommission eingesetzt werden soll. Das erklärt die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, PiS, ganz unverhohlen.

Donald Tusk, Vorsitzender der größten Oppositionspartei Bürgerplattform (PO), war von 2007 bis 2014 Ministerpräsident Polens, danach ging er nach Brüssel und wurde EU-Ratspräsident. Dieses ehemalige Amt macht ihn in der Rhetorik der jetzigen Regierungspartei bis heute zum verlängerten Arm der EU-Kommission, die aus PiS-Sicht von Frankreich, vor allem aber Deutschland gesteuert wird und in etwa so imperialistisch auftritt wie Russland. Tusk ist der PiS zufolge ein Deutschenfreund und ein russischer Agent.

Nicht nur aus Kaczyńskis Sicht gehört Tusk ins Gefängnis

Das ist er in der PiS-Logik schon deshalb, weil er etwa die Ermittlungen nach dem Flugzeugunglück von Smolensk 2010, bei dem der damalige Staatspräsident Lech Kaczyński ums Leben kam, Russland überlassen habe. Lechs Zwillingsbruder, der heutige PiS-Vorsitzende Jarosław hält bis heute daran fest, dass der Flugzeugabsturz vorsätzlich herbeigeführt wurde - obwohl auch polnische Ermittler dafür keinerlei Hinweise fanden.

Nicht nur aus Kaczyńskis Sicht gehört Donald Tusk ins Gefängnis. Tusk müsse dafür zur Verantwortung gezogen werden, "einer der treuesten Verbündeten Putins" zu sein, sagte etwa der stellvertretende Landwirtschaftsminister Janusz Kowalski im April im staatlichen Sender TV Polska. Schließlich habe Tusk in seiner Regierungszeit Gazprom und Kreml mit einer Milliarde Złoty gefüttert, umgerechnet 222 Millionen Euro.

Im Frühjahr kamen zehn Prozent des polnischen Öls aus Russland

Tatsächlich hat Tusk in seiner Amtszeit mit ähnlicher Vehemenz das Nord-Stream-Projekt abgelehnt wie seine Nachfolger von der PiS. Und die Tusk-Regierung hat - wie später die PiS-Regierungen - Öl, Gas und Kohle aus Russland importiert. Nach der völkerrechtswidrigen Krim-Annexion 2014 fuhr Tusk allerdings die russischen Kohle-Importe herunter. In diesem April nun leitete die Warschauer Bezirksstaatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Tusk genau deswegen ein. Er habe damit in Importverträge eingegriffen und seine Kompetenzen als Ministerpräsident überschritten. Die PiS triumphierte, jede Anklage gegen Tusk kommt ihr gelegen - auch wenn Tusk nur getan hatte, was die PiS immer fordert.

Im Frühjahr machte die Umweltorganisation Greenpeace bekannt, dass Polen noch immer, ein Jahr nach Kriegsbeginn in der Ukraine, bis zu zehn Prozent seines Ölbedarfs aus Russland deckt. Zudem wird weiterhin das Autogas LPG aus Russland bezogen - Polen ist europäischer Spitzenreiter bei Autos mit dieser Antriebsart. Sonst allerdings hat Polen seit dem russischen Überfall auf die Ukraine alle Importe gestoppt, zudem hatte sich das Land schon länger auf eine Unabhängigkeit von russischen Energieträgern vorbereitet. So wurde im September die Baltic Pipe eröffnet, durch die Polen norwegisches Erdgas bezieht. Es ist ein Projekt, das bis in die Neunzigerjahre zurückreicht, aber unter der PiS-Regierung zu Ende geführt wurde.

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