Polen:Massenproteste in Polen gegen umstrittene Justizreform

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  • In Polen haben erneut Zehntausende Menschen gegen den Umbau des Justizsystems demonstriert.
  • Dabei riefen sie Parolen wie "Wir verteidigen die Demokratie".
  • Präsident Duda hat mit seinem Veto gedroht, sollte das Gesetz nicht noch einmal überarbeitet werden - Kritiker sprechen von einem Scheinmanöver.

Zehntausende Polen haben erneut gegen den von der nationalkonservativen Regierung vorangetriebenen Umbau des Justizsystems protestiert. Allein in der Hauptstadt Warschau gingen nach Angaben des Bürgermeisteramts 50 000 Menschen auf die Straße, um gegen den zuvor vom Parlament verabschiedeten Gesetzentwurf zu demonstrieren. Durch die Reform könnte der Oberste Gerichtshof des Landes unter Regierungskontrolle gestellt werden. Am Freitag könnte der Senat über den Entwurf abstimmen.

Die Demonstranten in Warschau skandierten unter anderem "Wir verteidigen die Demokratie" und "Freie Gerichte". Die Polizei in der Hauptstadt sprach von 14 000 Demonstranten, die sich zunächst vor dem Präsidentenpalast versammelten und dann zum Parlamentssitz weiterzogen. Auch in zahlreichen anderen Städten des Landes gab es wieder Proteste.

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Die Abgeordneten des von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS kontrollierten Unterhauses hatten zuvor mit 235 Jastimmen für das Gesetz gestimmt, 192 Parlamentarier votierten dagegen, es gab 23 Enthaltungen. Gemäß dem Gesetzesvorhaben soll der Justizminister künftig die Macht haben, die Richterkandidaten für den Obersten Gerichtshof auszuwählen.

Nach einer Zustimmung des Senats muss Präsident Andrzej Duda das Gesetz noch unterschreiben, damit es in Kraft tritt. Der zum Regierungslager zählende Präsident hatte sich allerdings überraschend gegen das Gesetz in dieser Form gestellt und sein Veto angedroht, sollte es nicht noch einmal überarbeitet werden. Kritiker vermuten allerdings, dass es sich um ein Scheinmanöver handelt.

Die Justizreform stößt in der EU auf massive Kritik. Die EU-Kommission drohte Warschau sogar mit Sanktionen, die bis zum Entzug des Stimmrechts gehen können. Auch die US-Regierung hat sich beunruhigt zu Polens Plänen geäußert. "Es macht uns Sorgen, dass die polnische Regierung weiter eine Gesetzgebung verfolgt, die die Justiz zu begrenzen und die Rechtsstaatlichkeit in Polen zu schwächen scheint", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Washington.

© SZ.de/dpa/AFP/jael - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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