Polen:Warschau gibt nach

Jaroslaw Kaczynski

Jarosław Kaczyński gilt als einflussreichster Politiker in Polen.

(Foto: Czarek Sokolowski/AP)

Auf Druck der EU schafft die PiS-Regierung die umstrittene Disziplinarkammer für Richter und Staatsanwälte ab, das Herzstück der Justizreform.

Die EU-Kommission hat zurückhaltend auf Polens Ankündigungen im Streit über ein System zur Disziplinierung von Richtern reagiert. Eine Sprecherin sagte am Samstagabend in Brüssel, man habe die Anordnungen zur Kenntnis genommen und werde sie nun sorgfältig analysieren. Die Kommission erwarte, dass Polen bis 16. August darüber informiere, wie die Umsetzung von Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Mitte Juli garantiert werde.

Polens Vize-Regierungschef Jarosław Kaczyński hatte zuvor am Samstag der Nachrichtenagentur PAP zufolge angekündigt, "wir werden die Disziplinarkammer in ihrer jetzigen Form auflösen, und damit verschwindet auch dieses Streitthema". Der Chef der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PiS gilt als der eigentliche starke Mann Polens. Die Präsidentin des Obersten Gerichts des EU-Mitgliedslandes, Małgorzata Manowska, hatte die Kammer bereits von einigen Aufgaben entbunden.

Im Raum stand ein täglich von Polen zu bezahlendes Zwangsgeld

Der EuGH hatte geurteilt, dass Polen mit seinem System zur Disziplinierung von Richtern gegen europäisches Recht verstößt. Die 2018 eingerichtete Disziplinarkammer am Obersten Gericht, die bislang jeden Richter und Staatsanwalt entlassen kann, biete nicht alle Garantien für Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Kritiker befürchteten, sie könne dazu dienen, Richter für unbotmäßige Entscheidungen zu maßregeln. Zudem erließ der EuGH eine einstweilige Verfügung. Damit wurde Polen aufgefordert, die Bestimmungen auszusetzen, mit denen die Kammer ermächtigt wird, über Anträge auf Aufhebung der richterlichen Immunität sowie über Beschäftigung und Pensionierung von Richtern zu entscheiden. Die Disziplinarkammer galt als das Herzstück der umstrittenen Justizreformen der nationalkonservativen PiS-Regierung.

Da Warschau auf das Urteil nicht reagiert hatte, setzte die EU-Kommission ein Ultimatum bis Mitte August. Andernfalls will sie auf finanzielle Sanktionen wie etwa ein tägliches Zwangsgeld bestehen.

Im Gespräch mit PAP verteidigte Kaczyński die Justizreform gegen Vorwürfe aus der EU und wies das EuGH-Urteil zurück. "Ich erkenne solche Urteile nicht an", sagte er am Samstag. Der EU-Gerichtshof überschreite seine Kompetenzen, indem er sich in nationale Hoheitsrechte einmische. Kaczyński räumte dann aber ein, die Disziplinkammer sollte nach den weiteren Plänen des Justizministeriums ohnehin aufgelöst werden. Die EU streitet seit Jahren mit Warschau über die Justizreformen, die Kommission hat bereits mehrere Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.

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