Zweiter Weltkrieg:Polen stellt Geschichtsverfälschung unter Strafe

ehemaliges Konzentrationslager Auschwitz

Auschwitz als "polnisches Konzentrationslager" zu bezeichnen soll künftig mit Gefängnis bestraft werden.

(Foto: Jacek Bednarczy/DPA)
  • In Polen diskutiert das Parlament über einen Gesetzentwurf, der es unter Strafe stellen soll, von Deutschen begangene Kriegsverbrechen den Polen anzulasten.
  • Allerdings ist es auf der Basis existierender Gesetze bereits möglich, solche Äußerungen zu ahnden - so wurde etwa das ZDF verklagt.
  • Das Gesetz enthält auch eine Passage, die Strafen für Falschaussagen über andere, zeitlich nicht definierte Kriegsverbrechen vorsieht.

Von Florian Hassel, Warschau

Das polnische Parlament berät am Mittwoch über ein Gesetz zum Schutz des guten Namens Polens. Der Entwurf sieht Gefängnisstrafen für jene vor, die dem Land fälschlicherweise von Deutschen begangene Verbrechen des Zweiten Weltkrieges zuschreiben. Die regierende nationalpopulistische Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) rechtfertigt die Initiative damit, dass gegen Geschichtsverfälschung wie etwa die Bezeichnung "polnische Konzentrationslager" diplomatischer Protest nicht ausreiche. Kritiker sehen hinter dem Vorstoß, der wegen der absoluten Mehrheit der PiS schnell Gesetz werden dürfte, ein Propagandamanöver, mit dem die Opposition und kritische Historiker in die Defensive gedrängt werden sollen.

In Artikel 5 des Gesetzentwurfes heißt es: "Wer öffentlich und wider die Fakten dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für Verbrechen zuschreibt, die während des Dritten Reiches durch die Nazi-Besatzer begangen wurden", werde mit "bis zu drei Jahren Freiheitsentzug bestraft". Der Artikel hält ausdrücklich fest, dass das Gesetz "für polnische Staatsbürger und für Ausländer" gelten soll.

Das ZDF wurde bereits verklagt

Schon jetzt ist es dem Juraprofessor Wojciech Sadurski zufolge möglich, etwa Auschwitz-Leugner auf Basis anderer Gesetze vor Gericht zu stellen. Auch die historische Wahrheit wurde in Polen schon unter der vorherigen Regierung ernst genommen: Ein Gericht in Krakau führte 2015 bereits einen Prozess gegen das ZDF, der Fernsehsender hatte in einer Doku über die Befreiung der KZ in Polen den Begriff "polnische Konzentrationslager" verwendet. Der rhetorische Missgriff unterlief später auch US-Präsident Barack Obama.

Kritiker wie Sadurski schlagen nun aus einem anderen Grund Alarm. Der Gesetzentwurf ist weit gefasst und enthält eine Omnibus-Passage: Auch wer Polen fälschlich anderer, zeitlich nicht definierter Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldige oder die echte Verantwortung für sie verzerre, soll vor Gericht gestellt werden können.

Historiker verweisen auf antisemitische Verbrechen der Untergrundarmee

Schon im April 2016 verhörten Staatsanwälte in Krakau den an der US-Universität Princeton lehrenden polnisch-amerikanischen Historiker Jan Tomasz Gross. Dieser hatte 2015 in einem Aufsatz über die Ablehnung der Aufnahme von Flüchtlingen durch osteuropäische Länder auch mit deren "mörderischer Vergangenheit" begründet. Die Polen etwa seien zwar "verdientermaßen stolz auf den Anti-Nazi-Widerstand ihrer Gesellschaft", hätten aber während des Krieges "tatsächlich mehr Juden als Deutsche getötet". Mit der Passage spielte Historiker Gross auf antisemitische Verbrechen der polnischen Untergrundarmee an. Schon 2001 hatte er das viel diskutierte Buch "Nachbarn" vorgelegt: Es schilderte, wie polnische Bewohner des unter deutscher Besatzung stehenden Dorfes Jedwabne 1941 mehrere Hundert jüdische Nachbarn zusammentrieben und in einem Holzgebäude verbrannten.

Polens staatliches Institut für nationales Gedenken (IPN) ist nicht nur für offizielle Geschichtsschreibung und den Schulunterricht zuständig, sondern auch für die Untersuchung etwa von Kriegsverbrechen. Nach dem Erscheinen von "Nachbarn" stellte 2002 ein Staatsanwalt des IPN offiziell die Richtigkeit der Darstellung von Gross in den wesentlichen Punkten fest. Das IPN wird jetzt auch für die Strafverfolgung bei angeblicher Verletzung des guten Namens Polens zuständig sein. Das Institut hat seit Kurzem einen neuen Direktor: Der PiS-nahe Historiker Jarosław Szarek, der in seinen Büchern vor allem polnische Heldentaten beschreibt, bestritt in seiner Anhörung im Justizausschuss des Parlaments die polnische Verantwortung für das Jedwabne-Massaker.

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