Polen:Europäische Haftbefehle gelten trotz umstrittener Justizreform

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Der irische High Court hatte den Europäischen Gerichtshof um Rat gebeten. (Foto: imago stock&people)
  • EU-Staaten müssen einen Europäischen Haftbefehl aus Polen in bestimmten Fällen nicht mehr vollstrecken.
  • Droht wegen der jüngsten polnischen Justizreform im konkreten Fall ein unfaires Gerichtsverfahren, können die Gerichte anderer EU-Staaten die Auslieferung untersagen.
  • Das gilt aber nur, wenn es deutliche Hinweise auf ein möglicherweise unfaires Verfahren gibt. Das hat der Europäische Gerichtshof entschieden.

Polen ist prinzipiell noch ein Rechtsstaat, aber nicht so sehr Rechtsstaat, dass dorthin jeder Gesuchte ausgeliefert werden muss. Droht wegen der jüngsten polnischen Justizreform im konkreten Fall ein unfaires Gerichtsverfahren, können die Gerichte anderer EU-Staaten die Auslieferung untersagen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch.

Der irische High Court hatte den Europäischen Gerichtshof in einem Eilverfahren um Rat gebeten. Im Streitfall geht es um einen Polen, der sich in Irland aufhält und gegen den Polen gleich drei Europäische Haftbefehle ausgestellt hat. Er wehrt sich gegen die Auslieferung, weil er fürchtet, in Polen kein faires Verfahren zu bekommen.

Wie nun der EuGH entschied, reicht dies aber nicht aus. Die irischen Gerichte müssten zudem in einem zweiten Schritt prüfen, ob wegen der Reformen auch im konkreten Einzelfall ein unfaires Verfahren droht. Wenn die Gerichte dies bejahen, könne Irland aber davon absehen, dem Europäischen Haftbefehl Polens Folge zu leisten.

In der Urteilsbegründung heißt es, wenn die vollstreckende Justizbehörde eine "echte Gefahr" sehe, dass das Grundrecht auf ein faires Verfahren verletzt wird, müsse sie "in einem zweiten Schritt konkret und genau prüfen, ob es unter den gegebenen Umständen ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass die gesuchte Person nach ihrer Übergabe einer solchen Gefahr ausgesetzt sein wird".

Mit dem Urteil bewertet der EuGH die Rechtsstaatlichkeit des EU-Mitglieds Polen. Kritiker werfen der regierenden nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) vor, dass ihre Justizreform die polnische Verfassung und die Rechtsstaatlichkeit untergrabe. Erst am Freitag hat das polnische Abgeordnetenhaus einem weiteren Teil der Reform zugestimmt, der der Regierung mehr Einfluss auf Richter verschafft. Zudem wurde kürzlich das Pensionsalter für Richter von 70 auf 65 Jahre gesenkt. Nach Ansicht der PiS befindet sich die Präsidentin des Obersten Gerichts, Małgorzata Gersdorf, seitdem im Ruhestand.

Die EU-Kommission hat bereits seit mehr als zwei Jahren Bedenken gegen den Umbau der Justiz. Im Dezember hatte sie erstmals in der Geschichte der Staatengemeinschaft ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen möglicher Gefährdung von EU-Grundwerten gegen Polen gestartet.

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