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Polen:Erster Wahlgang für einen neuen Präsidenten

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Der liberale Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski könnte dem Amtsinhaber Andrzej Duda gefährlich werden. Laut Prognosen kommt es in zwei Wochen zur Stichwahl.

Amtsinhaber Andrzej Duda hat Prognosen zufolge die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Polen gewonnen, aber die absolute Mehrheit verpasst. Bestätigen sich die Zahlen, muss er am 12. Juli in einer Stichwahl gegen den Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski antreten. Dieser kam laut einer Prognose des Meinungsforschungsinstitut Ipsos auf 30,4 Prozent, Duda auf 41,8 Prozent.

Die Präsidentenwahl wurde als Stimmungstest für die nationalkonservative Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gewertet, die in Polen nahezu über ein Machtmonopol verfügt und auch Dudas Kandidatur für eine zweite fünfjährige Amtszeit unterstützte. Die Bedeutung, welche die Menschen im politisch tief gespaltenen Polen der Wahl zumaßen, war auch an der hohen Wahlbeteiligung zu erkennen. Trotz Corona-Ängsten war sie am späten Nachmittag mit 47,89 Prozent so hoch wie noch nie in der 30-jährigen Geschichte der Demokratie in Polen, wie die Wahlkommission mitteilte. An vielen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen.

Duda dankte am Sonntagabend seinen Wählern für die Unterstützung. Wichtig sei, dass das Land so geführt werde, wie es die Mehrheit der Bevölkerung wolle, sagte Duda unter Jubelrufen seiner Anhänger. Er gratulierte seinem Herausforderer Trzaskowski zu dessen Erfolg. Trzaskowski sagte in Warschau, das Ergebnis zeige, dass ein hoher Prozentsatz der Polen den Wechsel wolle. "Wir haben immer noch die Chance, zu siegen." Die zweite Wahlrunde werde darüber entscheiden, ob Polen einen Präsidenten bekomme, der der Regierung genau auf die Finger sehe, oder jemanden, der seine eigene Unterschrift nicht achte. Ein Sieg des oppositionellen Kandidaten könnte bedeuten, dass die PiS bei fast allen Gesetzesvorhaben damit rechnen muss, dass der Präsident von seinem Veto-Recht Gebrauch macht und die Initiativen stoppt. Trzaskowski hat bereits angekündigt, dass er die umstrittene Justizreform der PiS rückgängig machen will. In einer Stichwahl hätte Duda es laut Umfragen schwerer, sich durchzusetzen, da sich viele Stimmen der Opposition wohl hinter seinem Gegner versammeln würden. Obwohl der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich nach Ansicht vieler Kritiker und NGOs dezidiert hinter Duda gestellt hatte, bröckelten zuletzt seine Umfragewerte. Grund dafür war vermutlich, dass die anderen Präsidentschaftskandidaten nach der Aufhebung von Corona-Beschränkungen wieder Wahlkampf machen konnten. Die Wahl war ursprünglich für den 10. Mai geplant gewesen, wurde aber wegen der Corona-Pandemie verschoben. In den Wahllokalen galten am Sonntag besondere Schutzvorschriften.

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SZ vom 29.06.2020 / AP
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