Gegen den Ablauf der Präsidentschaftswahlen in Polen sind zahlreiche Beschwerden eingegangen. Das berichtet die Tageszeitung Gazeta Wyborcza, mehrere Wahlbeobachter beklagen ungesetzliches Vorgehen bei den Wahlen und Unregelmäßigkeiten. Auch die Koalicja Obywatelska, der Zusammenschluss bürgerlicher Parteien, der den unterlegenen liberalen Kandidaten Rafał Trzaskowski im Wahlkampf unterstützt hatte, hat Beschwerde beim Obersten Gerichtshof eingereicht - wegen unfairer Wahlkampfbedingungen.
Die Beschwerde richtet sich vor allem gegen das öffentlich-rechtliche Fernsehen, das fest in der Hand der Regierungspartei PiS ist, die den alten und neuen Präsidenten Andrzej Duda unterstützt hatte. Das Fernsehen hatte in erster Linie positiv über Duda berichtet, über die anderen Kandidaten nicht oder überwiegend abwertend.
Präsidentenwahl:Dudas Sieg spiegelt die Zerrissenheit Polens wider
Viele schätzen die dominierende PiS für eingelöste Versprechen und höhere Sozialleistungen. Andere hingegen sehen das Land auf demselben Weg wie Ungarn oder Weißrussland.
"Es lief alles sehr chaotisch ab", sagt die Juristin Małgorzata Szuleka von der Helsinki-Stiftung für Menschenrechte in Polen. Das habe vor allem daran gelegen, wie diese Wahlen festgesetzt worden seien. Sie hatten eigentlich am 10. Mai stattfinden sollen, waren dann aber wegen der Corona-Pandemie verschoben worden - auf juristisch höchst fragwürdige Weise. Der neue Termin wurde im Schnellverfahren festgelegt, den neuen Kandidaten blieben nur knapp sechs Wochen, sich den Wählern vorzustellen. "Die Art, wie es organisiert war, spielte der PiS in die Hände", sagt die Juristin.
"Aus meiner Sicht müssten die Wahlen wiederholt werden", sagt der Aktivist Marcin Skubiszewski, der 2016 die Wahlbeobachtungsorganisation Obserwatorium Wyborcze gegründet hat. Skubiszewski berichtet von Fällen, in denen in Altersheimen 100 Prozent der Wähler für Andrzej Duda gestimmt hätten - Wahlbeobachter waren nicht zugelassen, nur das Personal führte die Aufsicht.
Senioren wurden bevorzugt
Noch kurz vor der Stichwahl am 12. Juli verkündete die PiS, dass Senioren bei den Wahlen bevorzugt würden - sie müssten nicht in der Schlange warten. Von denen gab es viele, die Wahlbeteiligung war mit 69 Prozent historisch hoch. Auch unter den 540 000 im Ausland lebenden Polen war das Interesse zu wählen groß. Sie wählen üblicherweise liberale Parteien und Kandidaten. So auch diesmal. Doch das Verfahren wurde bereits bei den Parlamentswahlen im Herbst 2019 kritisiert und soll nun noch schwieriger gewesen sein. So sollen Wahlunterlagen zu spät oder gar nicht eingetroffen sein. Schwierig war es auch, die Wahlzettel fristgerecht wieder einzureichen - 80 000 angeforderte Stimmzettel wurden nicht zurück gesendet.
Was wohl nicht an allen Fällen daran liegt, dass die Wähler es sich anders überlegt haben. "Es wurde einfach nicht alles dafür getan, dass die Menschen wählen können", sagt Małgorzata Szuleka.
Mit 422 385 Stimmen Vorsprung hat der nationalkonservative Duda die Stichwahl gegen seinen liberalen Herausforderer Trzaskowski gewonnen. Hätte das Wahlergebnis anders aussehen können, wenn alles geordneter zugegangen wäre? "Es wird schwer, das nachzuweisen", sagt Juristin Szuleka. "Egal, wie unfair es war." Zumal auch der Zeitraum für Bürger, sich zu beschweren und für das Gericht, darüber zu urteilen bei dieser Wahl im Vergleich zu früheren extrem verkürzt ist. "Dass es viele Beschwerden gibt, heißt nicht, dass die Wahl angefochten werden kann", sagt auch Wahlforscher Robert Lech von der Stiftung Verantwortliche Politik. Einig sind sich die Experten in ihrer Kritik an den staatlichen Medien. "Sie haben wirklich jede Linie überschritten", sagt Lech. Nur sei dieses Problem vor Gericht kaum durchzukämpfen.
Das habe auch damit tun, dass die zuständige Kammer des Obersten Gerichts fest in der Hand der PiS sei. "Polen ist zur Zeit ein Hybrid zwischen einem demokratischen und einem autoritären Staat", sagt Marcin Skubiszewski. Hoffnung auf einen Erfolg seiner Beschwerde macht auch der Aktivist sich nicht, aber den Schritt sieht er als seine "moralische Pflicht" ab. Er könne nicht abwarten, bis vielleicht bei den Parlamentswahlen im Jahr 2023 eine andere Partei gewinne.