Polen:Die Abtreibungsgegner der Neu-Rechten sind vor allem gegen Frauen

People demonstrate against the Polish government's plan to tightening the abortion law in Krakow, Poland

Mit einer Gebärmutter, die den Mittelfinger zeigt, demonstrieren Frauen in Polen gegen das geplante Abtreibungsverbot der Regierung.

(Foto: REUTERS)

Viele neue Rechte, wie Donald Trump, die AfD und auch Polens Jaroslaw Kaczynski verteidigen niemanden so inbrünstig wie die Ungeborenen. Damit wollen sie Frauen ihre Version vom Glück vorschreiben.

Kommentar von Nadia Pantel

In Polen wird gerade eine Zeichnung durchs Internet gereicht, auf der eine Gebärmutter den erhobenen Mittelfinger zeigt. Es gibt zu den Vorgängen im Unterleib einer Frau sehr klare Meinungen, aber nicht ganz so klare Vorstellungen, wie es dort eigentlich aussieht. Daher, zur Erinnerung: Eine Gebärmutter sieht aus wie ein V, das sich oben in zwei Schnörkeln ausbreitet. Zeichnerisch ist es simpel die V-Schnörkel, also die Eierstöcke, zu einer zornigen, kleinen Faust zu machen. Eine schlüssige Erweiterung, denn kein anderes Organ wird so heftig politisiert und umkämpft.

Polen wagt dabei den neuesten Vorstoß. Dort wurde vergangenen Sonntag in allen katholischen Gottesdiensten ein Hirtenbrief verlesen. Folgende Kunde ging an die Schäfchen: Eure Kirche unterstützt ein Bürgerbegehren, das gesetzlich festschreiben will, dass Frauen für Abtreibung mit Gefängnis bestraft werden können, auch nach Vergewaltigung oder Inzest. Ein solches Gesetz fänden sowohl Ministerpräsidentin Beata Szydlo als auch ihr Parteivorsitzender Jaroslaw Kaczynski eine gute Idee. Die Gebärmutter mit erhobenem Mittelfinger ist der Aufruf zur Gegendemo am kommenden Wochenende.

Konservative gegen Abtreibung, Liberale dafür

Man könnte meinen, dass der Streit um Abtreibung ein medizinischer sei. Dass es um die Frage geht, wann Leben beginnt. Aber wer sich die Debatten zum Thema anschaut, lernt wenig über die Entwicklungsstadien befruchteter Eizellen, sondern viel über Moralvorstellungen, religiöse Gefühle und Frauenbilder. Dabei sind die Rollen klar verteilt:

Konservative gegen Abtreibung, Liberale dafür. Die beiden Lager schreien einander dann solange an, bis es klingt, als seien die einen für niedliche Babys und die anderen dagegen.

Die aufgepumpte Neu-Rechte hat dieses Geschrei nun für sich entdeckt. Von Donald Trump über Jaroslaw Kaczynski über Marine Le Pen bis zur deutschen AfD: Wer findet, dass Muslime ein Problem sind und dass "der Westen" sich mit seinem laissez-faire selber abschafft, der ist meist auch gegen Abtreibung. Keine zwingende Logik, aber eine faktisch bestehende. Im Umfeld von Le Pens Front National gilt Abtreibung manchen als "französischer Genozid", AfD-Spitzenfrau Beatrix von Storch brüstet sich mit ihrem Einsatz für das Leben Ungeborener.

Vorgemacht haben diese Rhetorik die USA: Wenige Menschen werden von republikanischen Hardlinern so inbrünstig unterstützt, wie die, die noch nicht geboren sind. Als Donald Trump vor kurzem forderte, dass abtreibende Frauen bestraft werden müssen, hatte er sich zwar in den Argumenten seiner eigenen Partei verheddert, und vergessen, dass seine Wähler Frauen schonen und Ärzte strafen wollen, doch trotz aller Wirrnis stellte er klar: Wer für das Gute ist, der ist auch für den Fötus.

Föten wachsen nun mal nicht in Petrischalen

Tatsächlich ist wenig gegen Föten zu sagen. Sie sind maximal unschuldig. Nur wachsen sie eben nicht in Petrischalen heran, sondern in Frauen. Und deren Schutz scheint Trump, Kaczynski, Le Pen und von Storch wenig wert zu sein. Das Guttmacher Institute, das zu Geburtenkontrolle forscht, geht davon aus, dass im Jahr 2008 weltweit 20 Millionen Frauen ohne ärztliche Unterstützung abgetrieben haben und dabei ihr eigenes Leben riskierten, weil sie keine legale Alternative hatten. Und in den US-Staaten mit den restriktivsten Abtreibungsgesetzen wird besonders häufig gegoogelt, wie man sich am Besten eine Treppe hinunterstürzt, damit der Fötus tödlichen Schaden nimmt.

Dieselben Politiker, die mit Verweis auf die in der Tat miese Situation der Frauen in Iran, Saudi-Arabien oder Pakistan vor dem Islam warnen, empfehlen eine Familienpolitik, die von religiösen Dogmen, statt von Vernunft geprägt ist. Viele Christen in Deutschland mag das immens ärgern, aber der Papst rät immer noch zum Verzicht auf Kondome und verbietet Abtreibungen. Die einzige Form von Verhütung die dann bliebe, ist Enthaltsamkeit. Dass das für die Mehrheit keine Option ist, zeigt bei jedem Frühlingsspaziergang die Masse knutschender Pärchen. Wer gegen Sex ist, holt keine Wähler an die Urne.

Daher zielt der rechte Sexual-Wahlkampf nicht auf das Verhalten von Mann und Frau, sondern nur auf das der Frau. Macht, was ihr wollt, aber wenn die Frau schwanger wird, muss sie auch gebären. Es gibt durchaus menschenfreundliche Gründe, die für eine strenge Abtreibungspraxis sprechen. Etwa die Erkenntnis, dass einige pränatale Tests dazu führen können, dass nur noch zu 100 Prozent nicht behinderten Kindern das Leben geschenkt wird. Darüber sollten Linke wie Rechte diskutieren, aber doch nicht über die Frage, ob Frauen nach Vergewaltigung oder Missbrauch zum Austragen eines Kindes gezwungen werden sollten.

In Ländern mit halbwegs solider sexueller Aufklärung sinkt die Zahl der Abtreibungen kontinuierlich, weil weniger ungewollte Kinder gezeugt werden. Wozu also die Aufregung? Sie hat mehr mit dem Familienideal der neuen Rechten zu tun als mit einem realen Problem. Der Junggeselle Kaczyński, die geschiedene Le Pen, der Frauensammler Trump: Keiner von ihnen war in der lebenslangen Kleinfamilie zufrieden. Umso rigoroser glauben sie nun, ihre Version von privatem Glück durchsetzen zu müssen.

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