Süddeutsche Zeitung

Polen:Demokratie ade

Die Änderung des Wahlgesetzes widerspricht in Form und Inhalt gleich mehrfach der Verfassung. Doch es niemand in Sicht, der den faktischen Herrscher Jarosław Kaczyński aufhalten könnte.

Von Florian Hassel

Sollte Polen die im Mai angesetzte Präsidentenwahl durchziehen, dann ist das ein weiterer Schritt zum Aufbau eines Regimes, für das nur der Schein zählt, nicht aber Demokratie und Recht. Die Änderung des Wahlrechts, die der faktische Herrscher Jarosław Kaczyński nun durchsetzte, widerspricht in Form und Inhalt mehrfach der Verfassung.

Eine Abstimmung in Zeiten einer Epidemie ist schon deshalb fragwürdig, weil der dazugehörige Wahlkampf ausfällt. Auch ist der Plan, auf dem voraussichtlichen Höhepunkt der Krise Zehntausende Postboten durchs Land zu schicken und Hunderttausende Polen in lokalen Wahlkommissionen zu verpflichten, so absurd, wie er nur Wille und Vorstellung eines autokratischen Herrschers entspringen kann. Eines Herrschers, dem seine Untertanen längst egal sind: Gerade noch neun Prozent der Polen wollen eine Wahl im Mai. Protestieren können sie freilich nicht, schließlich dürfen auf der Straße höchstens zwei Polen zusammenstehen.

Leider kann Kaczyński niemand aufhalten: Das Verfassungsgericht ist seit Jahren nur noch ein Schaugericht, und die Regierung sowie Präsident Andrzej Duda sind nur Marionetten. Zudem eint sie der Wille zur Macht. So kommen in der Corona-Krise nach Ungarn auch in Polen die Reste von Rechtsstaat und Demokratie unter die Räder.

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Quelle:
SZ vom 08.04.2020
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