EU-Außengrenze:Ein Zaun gegen Geflüchtete - mehr als 186 Kilometer lang

EU-Außengrenze: Vor allem Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten soll der Wall abhalten.

Vor allem Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten soll der Wall abhalten.

(Foto: Omar Marques/Getty Images)

Polen hat seinen neuen Grenzzaun zu Belarus fertig gebaut. Wenn der mal nicht mehr Probleme schafft, als er lösen kann.

Von Viktoria Großmann

Die Mauer steht. Genau fünf Monate hat es gedauert, im Urwald an der EU-Außengrenze zwischen Polen und Belarus aus 49 000 Tonnen Stahl und auf mehr als 186 Kilometern diesen Zaun zu bauen. Viereinhalb Meter hoch sind die Stahlelemente, gekrönt von einem weiteren Meter Stacheldraht, etwa 350 Millionen Euro wurden dafür ausgegeben. Es ist ein Erfolg für die polnische, rechtsnationale Regierung. "Der Damm ist Ausdruck unserer Leistungsfähigkeit, ein Beweis für unser Verantwortungsbewusstsein, unsere Umsicht und Voraussicht", sagte Premier Mateusz Morawiecki am Donnerstagmorgen bei einer Pressekonferenz im Grenzort Kuźnica.

Die Mauer soll weitere illegale Einwanderung aus Belarus verhindern. Menschenrechtler, Anwohner und Umweltschützer protestierten von Beginn an gegen die Mauer. Sie zerstöre die geschützten Wälder und Sümpfe, zerschneide den Lebensraum vieler Tiere. Für die Migranten, die dennoch kämen, mache die Mauer die Grenze nur noch gefährlicher und tödlicher. Am Mittwoch reichten die Gegner eine Petition mit 100 000 Unterschriften gegen die Mauer bei der EU-Kommission ein. Auch Oppositionsführer Donald Tusk hatte sich schon im Oktober gegen die Mauer ausgesprochen.

Vor etwa einem Jahr hatte eine Flüchtlingskrise an der östlichen EU-Außengrenze begonnen, als der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko mit falschen Versprechungen Migranten, zumeist aus dem Nahen und Mittleren Osten, aber auch aus Afrika, nach Minsk gelockt und diese dann in Richtung Polen, Litauen und Lettland geschickt hatte.

Tausende kamen im vergangenen Sommer und Herbst über die Grenzen, Litauen lehnte nach eigenen Angaben die meisten Asylanträge ab. Auch Belarus schickte schließlich einige Menschen zurück. Viele aber harrten über den Winter in Lagern auf belarussischer Seite aus, seit dem Frühjahr nahmen die Grenzübertritte nach Polen wieder zu. Doch kamen pro Tag allenfalls ein paar Dutzend. Wie auch in dieser Woche: Am Dienstag wurden 44 Menschen, die meisten aus afrikanischen Ländern, an der Grenze aufgegriffen. Am Montag neun Afghanen, so teilt es der polnische Grenzschutz auf seiner Website mit.

Das Bauwerk soll noch mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgerüstet werden

Die Grupa Granica (Gruppe Grenze), ein Verband polnischer Hilfsorganisationen, schreibt auf Facebook, zwischen dem 16. und 22. Juni von 132 Menschen um Hilfe gebeten worden zu sein. In diesem Zeitraum zählt die Gruppe 14 Pushbacks zurück über die polnische Grenze nach Belarus, darunter ein Kind. Diese Pushbacks sind rechtswidrig und sie beschäftigen nicht nur NGOs, sondern auch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) und den polnischen Ombudsmann für Bürgerrechte, der diese Praxis ebenfalls kritisierte.

Auch Litauen bekam Ärger mit dem EuGH, der in dieser Woche urteilte, dass die Inhaftierung von Menschen, die illegal über die Grenzen kommen, rechtswidrig ist. Nun soll das Land allerdings 55 Millionen Euro von der EU erhalten, um seine Grenze besser bewachen zu können. Polen hingegen erhält für seine Stahlmauer keine Mittel von der EU. Das Bauwerk soll noch mit Kameras und Bewegungsmeldern ausgerüstet werden.

Als Grund für den Bau der Mauer nennt Morawiecki den "Migrationsdruck", der eine Bedrohung für Polen sei. Lukaschenkos Instrumentalisierung der Einwanderer bezeichnete Morawiecki als den "ersten Akkord des Krieges in der Ukraine". Durch die Mauer sei nun die Sicherheit Polens wie auch der EU gewährleistet.

Schließlich bedankte sich Morawiecki für das "Einfühlungsvermögen" der Grenzschützer im Umgang mit den Flüchtlingen. Für die vielen freiwilligen Helfer muss es wie Hohn klingen. Zwar hatte eine Mitarbeiterin von Grupa Granica im Gespräch mit der SZ im März gesagt, es gebe Unterschiede bei den Beamten, manche leisteten durchaus Hilfe. Doch die Berichte von Menschen, die tagelang auch bei Kälte im Wald herumirren, von belarussischer wie polnischer Seite immer wieder zurückgestoßen, überwogen.

Immerhin wurde das Betretungsverbot für die drei Kilometer breite Sperrzone an der Grenze aufgehoben. Auch, wer humanitäre Hilfe leisten wollte, hatte keinen Zutritt. Die Aktivisten nutzen die Gelegenheit - für ein Protestwochenende.

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