Gesetzesreform:Polens Regierung zerstreitet sich über Abtreibungsrecht

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Nach dem Scheitern der Reform des Abtreibungsrechts protestierten Tausende vor dem Parlament in Warschau. (Foto: WOJTEK RADWANSKI/AFP)

Premier Tusk hatte vor der Wahl versprochen, die rigide Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch zu liberalisieren. Nun ist er mit der Reform gescheitert. Die Folgen dieser Blamage könnte er schon bald zu spüren bekommen.

Von Viktoria Großmann, Warschau

Einer Frau bei einem Schwangerschaftsabbruch zu helfen, ist in Polen weiterhin strafbar. Und eine Hilfe ist es schon, einer Frau Medikamente zu geben, die einen Abgang des Embryos einleiten. Solche Medikamente, die den Wirkstoff Mifepriston enthalten, werden von der Weltgesundheitsorganisation WHO als verträglichste Variante für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur zwölften Woche empfohlen. Kein Klinikaufenthalt, keine Narkose, ein Arzt muss nicht anwesend sein.

Immerhin macht sich die Frau, die diese Tabletten nimmt, nicht strafbar. Doch es hat in Polen Fälle gegeben, in denen Elternteile zu Bewährungsstrafen verurteilt wurden, weil sie ihren Teenager-Töchtern Abtreibungspillen im Internet bestellt hatten. Eine Gruppe von Staatsanwälten hatte 600 solcher Verfahren analysiert, die Tageszeitung Gazeta Wyborcza zitierte aus dem Bericht.

Die Regierung von Donald Tusk wollte nun zumindest diese Beihilfe entkriminalisieren – und scheiterte äußerst knapp an ihren eigenen Leuten, vier Stimmen fehlten zur Mehrheit. Das bedeutet eine schwere Niederlage für Tusk und führt seine Vier-Parteien-Koalition in eine echte Krise. Eine Reform des strikten polnischen Abtreibungsrechts war ein wichtiges Wahlkampfthema gewesen und nun misslingt selbst eine Mini-Reform.

Es gilt damit weiter das Recht, das die rechtsnationalistische PiS-Partei geschaffen hat

Das heißt: Weiterhin gilt in Polen das Recht, das die rechtsnationalistische PiS-Partei in ihrer Regierungszeit geschaffen hat. Abtreibungen sind demnach nur erlaubt, wenn ein Staatsanwalt den Vorwurf einer Vergewaltigung für glaubwürdig befunden hat oder wenn Ärzte das Leben der Mutter in Gefahr sehen. Allerdings kam es bereits mehrmals vor, dass Schwangere im Krankenhaus an einer Sepsis starben, weil die Ärzte zu spät eingriffen. Gegner des PiS-Gesetzes machen dafür auch die Angst und Verunsicherung der Ärzte angesichts der restriktiven Rechtslage verantwortlich.

Alle jetzt an der Regierung von Donald Tusk beteiligten Parteien hatten im Wahlkampf vergangenes Jahr versprochen, das bestehende Gesetz aus PiS-Zeiten zumindest zu reformieren. Tusk selbst befürwortet eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen bis zum Ende der zwölften Woche. Dasselbe will auch die Linkspartei Lewica. Doch besonders Tusks Partei hatte für diese Ankündigung bei der Wahl im Oktober viele Stimmen erhalten. Nun steht der Premier unter Druck, die Erwartungen zu erfüllen.

Dass die Ansichten zum Abtreibungsrecht innerhalb der Koalition weit auseinandergehen, war immer bekannt. Doch jetzt ist klar, dass sich die vier Koalitionspartner nicht einmal auf einen Minimalkompromiss einigen können. Und dass die konservative Bauernpartei PSL bei diesem Thema lieber mit PiS und der rechtsextremen Konfederacja stimmt, als mit der eigenen Regierung. PSL war zur Wahl mit der Partei Polska 2050 als Bündnis Dritter Weg angetreten. Gemeinsam hatten sie erklärt, das PiS-Gesetz gefährde die Gesundheit von Frauen, müsse deshalb rückgängig gemacht werden. Inzwischen erscheint das Bündnis zerstritten.

Er fühle sich schlecht, sagt Tusk nach seiner schweren Niederlage

Und Premier Donald Tusk hat sogar zwei Mitglieder seiner Partei Bürgerkoalition suspendiert, weil sie bei der entscheidenden Abstimmung nicht anwesend waren. Einer der beiden war zudem stellvertretender Entwicklungsminister und als solcher während der Abstimmung auf Dienstreise in den USA gewesen. Tusk entließ ihn von dem Posten. Das andere Parteimitglied, der Anwalt Roman Giertych, ist ein bekannter Abtreibungsgegner. Wurde aber von Tusk – gegen den Protest vieler Frauen – im Wahlkampf aufgestellt, weil er auch ein eifriger Verfolger von Straftaten der PiS ist.

Er fühle sich schlecht, sagte Tusk bei einer Pressekonferenz am Dienstag, „weil nicht alle so abgestimmt haben wie ich“. Er sei verantwortlich dafür, es sei ihm nicht gelungen, genügend Abgeordnete der Regierungsfraktionen zu überzeugen. Erneut gehen die Frauen in Polen nun auf die Straße, in Warschau wurde am Dienstag vor dem Sejm demonstriert, in Krakau auf dem Marktplatz.

Im nächsten Jahr wird in Polen schon wieder gewählt – ein neuer Präsident. Der PiS-nahe Andrzej Duda tritt nach zwei Amtszeiten nicht mehr an. Das liberale Tusk-Lager möchte dann den eigenen Kandidaten im Amt sehen. Das wäre wichtig, etwa um endlich das Verfassungsgericht wieder unabhängig zu machen. Doch nun warnen einige, wenn Tusk beim Abtreibungsrecht nichts erreicht, könnten seine enttäuschten Wählerinnen der Wahl fernbleiben – und PiS gewinnen.

Tusks Regierung will nun zumindest klarere Richtlinien für die Verfolgung der Beihilfe zur Abtreibung festschreiben. Damit soll Ärzten die Angst vor Strafen genommen werden. Und das geht auch ohne Sejm-Beschluss.

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