Süddeutsche Zeitung

Pofalla-Affäre:So beschädigt Merkel das Image der Politik

Im Fall Pofalla möchte Merkel Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen. Man kann nur hoffen, dass sie damit nicht durchkommt. Denn als Regierungschefin ist die Kanzlerin mit für die Affäre verantwortlich.

Ein Kommentar von Robert Roßmann, Berlin

Die Kanzlerin ist für ihre Moderationskünste ja schon seit Jahren bekannt, vermutlich wird das Zuschütten politischer Konflikte dereinst als "ausmerkeln" in den Duden eingehen. Doch der Balanceakt, den die Kanzlerin seit einigen Tagen zeigt, ist selbst für Merkels Verhältnisse ein gewagtes Kunststück: Die CDU-Chefin will sich von Pofallas schnellem Wechsel zur Bahn distanzieren, ohne sich von Pofalla zu distanzieren.

Merkel lässt ausrichten, sie habe dem Ex-Minister "ihren Überzeugungen entsprechend" geraten, vor einem Wechsel eine "gewisse zeitliche Distanz" herzustellen. Dass es diese Distanz nun nicht gibt, will sie aber nicht kritisieren. Merkel möchte Abstand zeigen, ohne Abstand zu nehmen.

Man kann nur hoffen, dass die Kanzlerin mit dieser Pontia-Pilatus-Nummer nicht durchkommt. Denn der Fall offenbart nicht nur eine erschütternde Stillosigkeit im Umgang mit höchsten Staatsämtern, er schadet auch der Akzeptanz des gesamten politischen Systems. Merkel mag persönlich zu Recht als untadelig gelten. Als Regierungschefin ist sie aber nicht nur für ihr eigenes Verhalten verantwortlich.

Die Kanzlerin hat Staatsminister Eckart von Klaeden selbst nach der Ankündigung des Wechsels zu Daimler nicht entlassen. Und jetzt durfte sich auch noch Pofalla aus dem Kanzleramt heraus um einen hochdotierten Job bemühen. Kein Wunder, dass immer mehr Bürger glauben, manch einer in Berlin denke eher ans Versilbern seiner politischen Tätigkeit als an die Politik. Gerhard Schröder hat mit seinem schnellen Wechsel zur Gazprom-Tochter Nord Stream persönlich zu diesem Ansehensverlust beigetragen. Merkel tut es indirekt durch Unterlassen. In letzter Konsequenz macht das keinen Unterschied.

Der Fall Pofalla schadet dem politischen System

Die Fälle Pofalla und Klaeden zeigen einmal mehr, dass es gesetzlicher Regeln für den Übergang von Ministern in die Wirtschaft bedarf. Selbst die gern geschmähte EU hat für ihre Kommissare längst eine Karenzzeit von 18 Monaten eingeführt.

Der Fall Pofalla schadet nicht nur dem Ansehen der Politik, sondern auch dem System selbst. Denn gegen einen Wechsel aus der Politik in die Wirtschaft ist prinzipiell nichts einzuwenden. In Deutschland gibt es sogar zu wenig Austausch zwischen den beiden Sphären. Im Bundestag kommen mehr als 200 Abgeordnete aus dem öffentlichen Dienst. Aktive Unternehmer gibt es dagegen nur zwei Dutzend.

Es würde den Sachverstand des Parlaments nicht schmälern, wenn es ein paar mehr wären. Und der Wirtschaft und ihren oft arg abgeschotteten Vorständen dürfte die Erfahrung von in Wahlkämpfen gestählten Politikern auch nicht schaden. Pofalla diskreditiert mit seinem Verhalten aber solche Wechsel.

Einige der Forderungen, mit denen die Opposition jetzt hausieren geht, sind allerdings wohlfeil. So will die Linke Regierungsmitgliedern fünf Jahre lang jeden Wechsel auf einen Spitzenjob in der Wirtschaft verbieten. Das gleicht einem Berufsverbot. Außerdem beziehen Minister höchstens zwei Jahre lang Übergangsgeld, sollen sie dann auch noch die restlichen drei Jahre einen Ausgleich vom Staat beziehen?

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SZ vom 07.01.2014/les/gal
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