Bundestag :„Pöbelparagraf“ wird verschärft

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Manche Zwischenrufe im Bundestag – hier die nicht selten aufgeregte AfD-Fraktion – gehen über ein „Hört, hört!“ weit hinaus. (Foto: Kay Nietfeld/dpa)

Seit die AfD im Bundestag sitzt, ist der Umgang miteinander dort rauer. Nun will die Ampel die Regeln verschärfen. Ist die freie Rede im Parlament bedroht?

Von Georg Ismar, Berlin

Für die Beleidigung anderer Abgeordneter oder unflätige Äußerungen in den Ausschüssen sollen Mitglieder des Deutschen Bundestags künftig deutlich stärker bestraft werden. Das Ordnungsgeld dafür soll auf 2000 Euro steigen, dies wäre doppelt so viel wie bisher. Das sieht ein Antrag der Ampelfraktionen SPD, Grüne und FDP zur Änderung der Geschäftsordnung des Bundestags vor. Dieser liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Konkret geht es etwa um Paragraf 37, der wegen der starken Zunahme an Pöbeleien verändert werden soll. Muss ein Abgeordneter innerhalb von drei Sitzungswochen dreimal zur Ordnung gerufen worden, soll der sitzungsleitende Präsident des Bundestags ein Ordnungsgeld gegen das Mitglied des Bundestags festsetzen. Kommt es zu einer „nicht nur geringfügigen Verletzung der Ordnung oder der Würde des Bundestags“ kann das Ordnungsgeld auch sofort angeordnet werden, also ohne vorherige Ordnungsrufe. Die Höhe des Ordnungsgeldes soll künftig 2000 Euro betragen. „Im jeweiligen Wiederholungsfall erhöht sich das Ordnungsgeld auf 4000 Euro“, heißt es in der Änderungsvorlage. Wahrscheinlich nach der Sommerpause sollen die Änderungen im Bundestag endgültig beschlossen werden.

„Das geht natürlich voll gegen uns“, sagen die Rechtspopulisten

In Koalitionskreisen wird das vor allem mit dem Verhalten der AfD-Abgeordneten begründet. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich sagte am Dienstag am Rande einer Fraktionssitzung, ihn betrübe, dass es überhaupt so eine Verschärfung brauche. „Das hat ja etwas damit zu tun, was in dieses Haus eingezogen ist.“ Wenn zudem nach seiner Kenntnis Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten nicht nur angepöbelt, sondern auch ihre Büro-Namensschilder im Bundestag beschmiert würden, „weil sie aus anderen Regionen hier nach Deutschland geflohen sind oder weil sie unseren Arbeitsmarkt stärken wollen, zeigt das, was mittlerweile auch in diesem Haus möglich ist“. Das empfinde er nicht nur als Belastung, sondern als hochdramatisch, so Mützenich.

Der Justiziar der AfD-Fraktion, Stephan Brandner, sagte der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf die Verdopplung des Ordnungsgeldes: „Das geht natürlich voll gegen uns.“

Da es gerade auch in den Fachausschüssen immer wieder zu Pöbeleien kommt, soll auch das Durchgriffsrecht der jeweiligen Ausschussvorsitzenden gestärkt werden. Sie erhalten eine ordnungsrechtliche Kompetenz und können bei größeren Störungen andere Mitglieder mit der Zustimmung einer Mehrheit des Ausschusses von der weiteren Sitzung ausschließen. Zugleich sollen Debatten im Plenum lebendiger werden, durch das Zulassen von Zwischenfragen etwa in Aktuellen Stunden, um auf das Gesagte dort direkt eingehen zu können.

Aber wenn auch in Reden oder sonstigen Beiträgen „beleidigende, diskriminierende, rassistische oder sexistische Wortwahl“ gebraucht wird, soll dies künftig wegen eines Verstoßes gegen die Grundsätze der parlamentarischen Debattenkultur mit den Mitteln des parlamentarischen Ordnungsrechts geahndet werden können. Dies wiederum kritisiert auch die Union: „Eine Einschränkung der freien Rede im Parlament lehnen wir entschieden ab“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU). Zudem sei der Begriff einer diskriminierenden Äußerung viel zu unbestimmt und allgemein, meint Frei – und warnt vor künftigen Dauerkonflikten um mögliche Ordnungsrechtsfälle.

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