SZ-Podcast "Auf den Punkt":Pro Asyl: "Nicht die vergessen, die die Flucht noch nicht geschafft haben"

Mehr als drei Millionen Menschen sind seit Kriegsbeginn aus der Ukraine geflohen. Welche Hilfe sie benötigen, was anders ist als 2015 und was noch kommen könnte, erklärt Karl Kopp von Pro Asyl.

Von Lars Langenau

Die humanitäre Lage in der Ukraine ist laut dem Roten Kreuz an vielen Orten katastrophal. Das UN-Flüchtlingshilfswerk schätzt, dass fast 13 Millionen Menschen Hilfe und Schutz benötigen. Drei Millionen sind schon geflohen. 1,8 Millionen nach Polen, fast eine halbe Million nach Rumänien. Millionen weitere Menschen werden noch fliehen, prognostizieren die Vereinten Nationen. Deutschland hat bislang nur einen Bruchteil der Geflüchteten aufgenommen. Nach Angaben der Bundesregierung sind es 175 000. Tatsächlich aber dürfte die Zahl weit höher liegen, denn Ukrainer können ohne Visum einreisen und müssen sich nicht sofort registrieren. An diesem Donnerstag wollen Kanzler Scholz und die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen über Aufnahme, Verteilung und Kosten sprechen.

"Die Bereitschaft zu helfen ist sogar noch größer als 2015 und da war es schon phänomenal", sagt Karl Kopp, Leiter Europa der Menschenrechtsorganisation Pro Asyl. Der Staat, die Wohlfahrtsverbände und die Kirchen seien bei der Hilfe ganz zentral. "Aber wir brauchen auch staatliche Strukturen, die den Privaten helfen", damit man die Helfer nicht überfordere. Zudem brauche man staatlich organisierten Schutz vor Gewalt und Ausbeutung der oftmals traumatisierten Geflüchteten. "Es kommen schwerst traumatisierte, zum Teil auch sehr kranke Menschen." Kopp: "Und wir müssen Frauen und Kinder ganz besonders schützen, auch vor Männern, die Schlimmes im Schilde führen."

Kopp warnt, dass bereits in den kommenden Wochen nicht nur drei Millionen fliehen, wie bereits bis heute. Das könne die Schwelle "von zehn Million überschreiten". Je länger der Kriege dauere, umso mehr würden nicht mehr zurückkehren in ihre Heimat, so Kopp. In der zweiten Welle kämen sehr viele Frauen, Kinder und viele alte kranke Menschen. Es seien auch Tausende nicht-ukrainische Studierenden geflohen. Und "es werden auch Roma aus Rumänien fliehen", sagt Kopp. Bald werde man ein breiteres Spektrum von Geflüchteten haben. "Jetzt kommen auch andere Gruppen, die sehr bedürftig, sehr vulnerabel sind." Waisenkinder, Bewohner von Behindertenheime, Krebskranke, die ihre Therapie nicht fortsetzen können. Es benötige deshalb eine schnelle Koordination in Deutschland bei der Verteilung. "Wir brauchen das auch europäisch." Das werde "eine große Herausforderung, aber es gibt keine Alternative. Wir müssen das schaffen". Und irgendwann, meint Kopp, sei das Trauma, das die Leute erfahren haben, so stark, dass man sich fragen müsse: "Kann man diesen Menschen überhaupt noch eine Rückkehr zumuten?"

Wenn Sie darüber nachdenken, Geflüchtete bei sich aufzunehmen oder es vielleicht schon gemacht haben, dann finden Sie hier Antworten auf wichtigen Fragen.

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