Süddeutsche Zeitung

Platzeck und die Vertrauensfrage:Politischer Coup ohne Pointe

Matthias Platzeck bleibt Ministerpräsident von Brandenburg. Das ist eine Nachricht, die er selbst provoziert hat. Dass er die selbst gestellte Vertrauensfrage gewinnen würde, war zu erwarten - und von der Debatte bleibt höchstens sein Bonmot in Erinnerung, er wolle den Flughafen jetzt endlich "aufs Gleis setzen".

Von Thorsten Denkler, Berlin

Platzeck ist weg und der FDP-Fraktionschef wundert sich. Andreas Büttner steht gerade am Pult im Landtag und hält eine an sich nicht weiter erwähnenswerte Rede zur Vertrauensfrage, die der Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck an diesem Montagmorgen dem Parlament gestellt hat. Er dreht sich zu Platzeck um, der rechts hinter ihm sitzen sollte: Der Stuhl ist leer. Büttner stockt.

Minuten später taucht Platzeck von links plötzlich wieder auf, federt seinem Platz entgegen und erklärt dem fragenden Büttner: "Ich musste nur mal kurz einen Schluck Wasser trinken." Ganz schön lässig für so einen historischen Moment. Es ist die erste Vertrauensfrage, die es in der Geschichte des Brandenburgischen Landesparlamentes gegeben hat. Und dann noch eine so unnötige.

Es war klar, dass Platzeck die Abstimmung gewinnen würde. Die Koalitionsfraktionen von SPD und Linken stimmten geschlossen für Platzeck, die Oppositionsfraktionen geschlossen gegen ihn. Am meisten verwundert, dass Platzeck das überhaupt gemacht hat. Weder haben ihm wichtige Leute unter Sozialdemokraten und Linken die Gefolgschaft aufgekündigt, noch gab es aus den eigenen Reihen wahrnehmbare Kritik an seiner Amtsführung. Platzeck ist damit nicht mal der Opposition zuvorgekommen.

Die hatte nämlich gar kein Grund gesehen, wegen des Flughafen-Debakels einen Misstrauensantrag gegen Platzeck zu stellen. Ganz im Gegenteil: "Verfassungsmissbrauch" nennt Grünen-Fraktionschef Vogel den Winkelzug des Ministerpräsidenten.

Der positive Schwenk

Es sollte ein politischer Coup sein, die Vertrauensfrage zu stellen, nachdem klar war, dass auch der vierte Eröffnungstermin für den Pannen- und Skandal-Flughafen Berlin Brandenburg nicht zu halten war. Tatkraft und Demut wollte Platzeck damit demonstrieren. Allerdings auf Kosten des Parlamentes.

Platzeck übersteht die drei Stunden Debatte bis zur Abstimmung im Plenum mal vorgebeugt, mal zurückgelehnt, mal aufs Pult gelehnt. Er lächelt, manchmal lacht er. Zuvor macht er in seiner Regierungserklärung, was er in der vergangenen Woche durchgehend gemacht hat. Die Zustände am Flughafen beschreibt er wie sie sind. Der sei auf "schwerwiegende Weise in Not geraten". Ob das ein Desaster sei oder eine Katastrophe überlässt er den "individuellen sprachlichen Vorlieben". Er kann offenbar mit beidem leben.

Dann der positive Schwenk: In der Krise stecke eine Chance. Brandenburg brauche den Flughafen. Es gebe ohnehin keine Alternative, als weiter zu machen. Und er, Platzeck, sei jetzt zu der Überzeugung gelangt, dass er, Platzeck, jetzt auch mehr Verantwortung übernehmen müsse. Darum will er Vorsitzender des Aufsichtsrates der Flughafengesellschaft werden.

Sein politisches Schicksal verknüpft er mit dem Erfolg des Flughafens Berlin Brandenburg. "Wenn das Ding nicht fliegt, dann fliege ich", kündigte er bei Jauch an. Was immer das dann auch heißen mag. Grünen-Mann Vogel merkt später an, dass Platzeck ja die Bedingungen gar nicht genannt habe, die er an einen möglichen Rücktritt knüpfen würde.

In der Tat steht derzeit noch nicht mal ein neuer Eröffnungstermin fest. Der könnte auch nach der Landtagswahl in Brandenburg im Herbst 2014 liegen. Dann stellt sich die Frage bis dahin gar nicht. Oder ihm geht es um die Kosten. Wenn die einen bestimmten Betrag übersteigen, dann zack, ist Platzeck weg. Und das nicht nur zum Wasser trinken. Platzeck legt sich aber auch da nicht fest.

Er macht den Flughafen lieber zur Chefsache. In der Staatskanzlei schafft er eine eigene Arbeitsgruppe, die sich um das Großprojekt kümmern soll. Jeden Dienstag nach Kabinettsitzungen will er die noch zu findende neue Geschäftsführung der Flughafengesellschaft zum Rapport einbestellen.

Alles gute Ideen. Dieter Dombrowski, CDU-Fraktionschef, erinnert Platzeck nur daran, dass der bereits seit 2003 Mitglied im Aufsichtsrat sei und dort im Grunde nichts weiter unternommen habe. "Ich weiß nicht, ob ich Ihnen zu diesem Jubiläum wirklich gratulieren soll", sagt er. Da applaudieren auch die fünf Grünen im Landtag mit, die an diesem Vormittag ohnehin eine bemerkenswerte Applauskoalition mit der CDU gegen Platzeck bilden.

Den SPD-Fraktionschef Ralf Holzschuher scheint zu stören, dass kaum einer im Plenum die Vertrauensabstimmung wirklich ernst zu nehmen scheint. Was ihn dazu treibt, die fürchterlichen Konsequenzen aufzuzeigen, die es haben könnte, wenn Platzeck sie nicht gewinnen sollte. Die wären etwa die Auflösung des Parlamentes bis hin zu Neuwahlen! Er klingt dabei so, als würde er einer Gruppe Heranwachsender mit schauriger Stimme und bei Kerzenschein erklären, was wäre, wenn es Gespenster wirklich gäbe.

Ansonsten lebt die Debatte von den wenigen Bonmots. Christian Görke, Linken-Fraktionschef, warnt etwa vor einer "Nabelschau nach hinten", wie auch immer das technisch umzusetzen wäre. FDP-Mann Büttner droht an einer Stelle den "erbitterten Widerstand" seiner, äh, siebenköpfigen Fraktion an. Und Platzeck will den Flughafen endlich "aufs Gleis setzen". Das könnte eine völlig neue Herausforderung für den Logistikdienstleister Deutsche Bahn werden.

Platzeck hat heute nichts gewonnen und nichts verloren. Er sitzt genauso fest im Sattel wie zuvor. Er hätte sich die Vertrauensfrage auch einfach sparen können. Niemand hätte sie vermisst.

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