Knapp eine Woche vor der Bundestagswahl haben Wirtschaftsforscher ein Programm gegen die ungleiche Verteilung von Vermögen und Einkommen vorgelegt. "Zu viel Ungleichheit belastet den gesellschaftlichen Zusammenhalt und stört die Wirtschaftsentwicklung", sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn. Nun sei es "Zeit, die Ungleichheit zu reduzieren".
Ob und in wie weit die Ungleichheit zugenommen hat, ist unter Ökonomen umstritten. Das IMK, das zur gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gehört, beruft sich auf das sozioökonomische Panel, eine repräsentative jährliche Umfrage bei fast 30 000 Menschen in Deutschland. Die Forscher teilten an Hand dieser Daten die Bevölkerung in drei Einkommensgruppen ein. Demnach gehört zur unteren Schicht, wer weniger als 70 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat. Wer mindestens 150 Prozent ausgeben kann, zählt zur oberen Schicht, der Rest zur Mitte. Nach den IMK-Berechnungen ist das durchschnittlich verfügbare Einkommen der oberen Gruppe von 1991 bis 2014 um gut 17 Prozent gestiegen, das der Mitte um zehn Prozent. Die Geringverdiener mussten sich in diesem Zeitraum mit Zuwächsen von knapp drei Prozent begnügen.
Der Staat soll Wertpapiere kaufen und Zinsen sowie Dividenden an die Bürger ausschütten
Die Forscher schlagen nun ein Bündel von Maßnahmen vor, um ein weiteres Auseinanderdriften von Arm und Reich zu verhindern. Erster Punkt in ihrem Programm: Starke sollen sich stärker beteiligen. Konkret schlägt IMK-Direktor Horn vor, Steuer-Schlupflöcher zu schließen, den Steuersatz für Spitzenverdiener anzuheben, die Vermögensteuer wieder einzuführen und Unternehmenserben stärker zu besteuern. Gleichzeitig sprechen sich die IMK-Forscher dafür aus, die Grundsteuer in eine Bodenwertsteuer umzuwandeln. Besteuert werde dann der "Wert des Bodens, auf dem die Immobilie steht", sagte Horn. Dies werde dazu beitragen, die Spekulation mit Grundstücken einzudämmen. Außerdem werde Grundbesitz in Städten mit einem Mangel an bezahlbaren Wohnungen effizienter genutzt. Bewohner von Ein- und Zweifamilienhäusern würde dies stärker belasten, die Bewohner von mehrgeschossigen Gebäuden, typischerweise Mieter, auf die die Grundsteuer abgewälzt wird, entlasten.
Um Armut zu bekämpfen, plädieren die Forscher dafür, die Hartz-IV-Leistungen genauso so wie den Mindestlohn steigen zu lassen. Davon würden Hartz-IV-Empfänger stärker profitieren, auch in Zeiten steigender Reallöhne mit geringen Inflationsraten. Zusätzlich verlangt das IMK, mehr Tarifverträge für allgemein verbindlich zu erklären, so dass sie für alle Beschäftigten in einer Branche gelten. Bislang ist dies am Vetorecht der Arbeitgeber gescheitert, das die Wissenschaftler abschaffen wollen.
Außerdem schlägt das Institut einen Staatsfonds vor. Darin soll der Bund Überschüsse einzahlen, damit Wertpapiere kaufen und dann Zinsen und Dividenden an die Bürger gleichmäßig ausschütten. Auch Arme kämen so zu Kapitaleinkünften. Die Forscher nennen das "bedingungsloses Kapitaleinkommen".