Plagiatsvorwurf:Verdacht auf Seite 85f.

Plagiatejäger erläutert, welche Fehler er in der Doktorarbeit von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht, und hält es für "wahrscheinlich", dass der Titel aberkannt werde.

Von Paul Munzinger und Roland Preuss

Kabinettssitzung

„Wir müssen doch was machen!“ – Franziska Giffey vor einer Kabinettssitzung in Berlin.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Plagiatejäger hatten die Doktorarbeit von Franziska Giffey schon vor Jahren im Visier. Im Forum der Internetplattform VroniPlag Wiki habe es bereits im Juli 2011 einen Hinweis auf Plagiate in der Dissertation gegeben. Dies sagte der federführende Prüfer auf VroniPlag in einem schriftlichen geführten Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Er nennt sich Robert Schmidt, ein Deckname, da er seine wahre Identität nicht offenlegen will. Im Sommer 2011 war die Plattform, die Doktorarbeiten und Habilitationsschriften kollektiv auf Plagiate untersucht, im Zuge der Affäre um den zurückgetretenen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gerade gegründet worden. Nach einem Hinweis im vergangenen März habe er sich die Arbeit dann genauer vorgenommen, schreibt Schmidt.

Er halte es für "wahrscheinlich", dass der heutigen Bundesfamilienministerin Giffey der Doktorgrad aberkannt werde. "Die Menge an Plagiaten für sich betrachtet würde dafür schon ausreichen", so Schmidt. Hinzu kämen aber die "zahlreichen willkürlichen Referenzierungen, die durch schludriges Arbeiten allein nicht zu erklären sind". Damit meint Schmidt Quellenangaben in der Arbeit, die bestimmte Aussagen belegen sollen, - etwa, dass ein Autor eine bestimmte These vertritt -, dies an der genannten Literaturstelle aber gar nicht zu finden ist. Er sehe deshalb nicht, "wie diese Arbeit zu halten wäre".

Zum Beleg verweist Schmidt auf einen Abschnitt auf den Seiten 85 und 86 der Dissertation. Er ist nur unwesentlich verändert aus einem wissenschaftlichen Aufsatz übernommen, auf den zwar zwei Absätze zuvor in einer Anmerkung verwiesen wird, aber nicht an dieser Stelle. Stattdessen folgt eine Anmerkung, die insgesamt zwölf Titel umfasst. Alle zwölf Titel listet auch das Literaturverzeichnis einer anderen Arbeit auf. Bei acht von ihnen finden sich dort allerdings kleine Ungenauigkeiten, mal fehlt eine Seitenzahl, mal ist ein Substantiv klein geschrieben. Alle diese Fehler tauchen auch bei Giffey auf. Dadurch drängt sich der Verdacht auf: Sie hat die zwölf Werke nicht selbst eingesehen, sondern aus dem Anhang einer anderen Arbeit kopiert - und mit den fremden Erkenntnissen auch fremde Fehler übernommen. Dieses Muster haben die Plagiatejäger an mehreren Stellen in Giffeys Arbeit ausgemacht.

Die Ministerin hatte am Freitag betont, sie habe die Arbeit "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst". Weitere Angaben zu den Vorwürfen machte sie nicht. Die verantwortliche Hochschule, die FU Berlin, will auf Giffeys Bitte hin in Kürze anfangen, die Vorwürfe offiziell zu prüfen.

Schmidt hatte nach eigenen Angaben bereits die Arbeiten der früheren Bildungsministerin Annette Schavan, von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und vom früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert federführend geprüft. Zu seinen Motiven schreibt er, niemand solle "mit einem akademischen Betrug" durchkommen. Er wolle zudem darauf aufmerksam machen, dass es unabhängig von der Parteizugehörigkeit "in der ersten und zweiten Reihe der Politik doch ein paar Leute gibt, die mir suspekt erscheinen".

Das Interview in voller Länge finden Sie unter sz.de/giffey

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