Plagiatsvorwürfe gegen FDP-Spitzenfrau:Silvana Koch-Mehrin tritt zurück

Lange hat sie geschwiegen, am Ende war der Druck dann wohl doch zu groß: Die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin ist von allen Führungsämtern zurückgetreten. Zuvor war bekanntgeworden, dass der einstigen Vorzeigefrau der Liberalen die Aberkennung ihres Doktortitels droht.

FDP-Spitzenpolitikerin Silvana Koch-Mehrin ist von allen Führungsämtern in der Partei zurückgetreten. Dies teilte sie in einer Erklärung mit, die an diesem Abend in Brüssel veröffentlicht wurde. Darin heißt es, Koch-Mehrin trete als Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments zurück.

Koch-Mehrin verstaerkt wegen Plagiatsvorwuerfen unter Druck

Einstige Nachwuchshoffnung und FDP-Frontfrau im Europawahlkampf: Silvana Koch-Mehrin ist von allen Führungsämtern in der FDP zurückgetreten, Abgeordnete im Europäischen Parlament will sie bleiben.

(Foto: dapd)

Unmittelbar nach der Umgestaltung der FDP-Führung legt die Politikerin außerdem ihr Amt als Vorsitzende der FDP im Europäischen Parlament nieder und ist damit ab sofort auch kein Mitglied des FDP-Parteipräsidiums mehr. Sie "hoffe, dadurch meiner Partei den Neuanfang mit einem neuen Führungsteam zu erleichtern". Abgeordnete im Europäischen Parlament will Koch-Mehrin nach Angaben ihres Sprechers allerdings bleiben.

Ihren Rücktritt vom Amt der Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments begründete Koch-Mehrin damit, sie wolle "nicht in führender Position ein Ziel für Angriffe auf die einzige demokratisch legitimierte Institution der Europäischen Union" bieten. "Ich möchte mit diesem Schritt auch verhindern, dass meine gesamte Familie durch die öffentliche Diskussion weiter belastet wird", erklärte sie.

Zu ihrer Dissertation erklärte Koch-Mehrin, sie habe die Arbeit an der Universität Heidelberg eingereicht, und dort werde sie jetzt überprüft. Sie wünsche, dass diese Prüfung nun "vertraulich, fair, nach rechtsstaatlichen Maßstäben und ohne Ansehen der Person durchgeführt" und nicht dadurch belastet werde, dass sie herausgehobene Ämter innehabe (Die Erklärung im Wortlaut finden Sie hier).

Auf die Frage der Nachrichtenagentur dapd, warum Koch-Mehrin ausgerechnet jetzt ihre Ämter aufgebe, sagte ihr Sprecher in Brüssel: "Sie ist verärgert, darüber dass Einzelheiten aus dem laufenden Prüfungsverfahren an der Universität Heidelberg an die Öffentlichkeit gelangten, bevor es abgeschlossen wird".

Die Universität Heidelberg hatte am Vortag erklärt, sie erwarte von Koch-Mehrin eine Stellungnahme. Es wurde bekannt, dass sich der Plagiatsverdacht gegen die Politikerin erhärtet habe. Die Universität habe die Vorwürfe nach Informationen der Süddeutschen Zeitung für so substantiell befunden, dass sie die FDP-Politikerin zu einer Erklärung aufgefordert hatte.

Öffentlich hatte Koch-Mehrin bislang zu den Vorwürfen geschwiegen. In Universitätskreisen gab es Andeutungen, dass man mit einer Aberkennung des Titels rechne, sollte Koch-Mehrin nicht noch eine gute Erklärung liefern, die die Vorwürfe ausräumt.

In einer offiziellen Mitteilung betonte die Universität, sie befinde sich "nach wie vor im Prüfverfahren". Der Vorsitzende des zuständigen Promotionsausschusses, Manfred Berg, sagte, erst nach einer Stellungnahme Koch-Mehrins würden die Anschuldigungen bewertet. Eine Entscheidung werde es nicht vor Ende Mai geben.

Die FDP-Politikerin hatte im Jahr 1999 ihre Doktorarbeit "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik: die Lateinische Münzunion 1865 - 1927 " eingereicht. Sie wurde mit "cum laude" bewertet.

Einer Untersuchung der Internet-Plattform "VroniPlag Wiki" zufolge soll Koch-Mehrin in ihrer Doktorarbeit gezielt abgeschrieben haben. "Bis zum jetzigen Zeitpunkt wurden auf 56 von 201 Textseiten Plagiatstellen nachgewiesen. Dokumentiert sind Textübernahmen aus insgesamt 15 verschiedenen Quellen", heißt es in dem Bericht.

Bei den angeblich kopierten Quellen handele "es sich auffallend häufig um Artikel aus Handbüchern der Wirtschaftswissenschaft und der Wirtschafts- und Sozialgeschichte". Die anonymen Plagiatsjäger betonen: "In der untersuchten Dissertation wurden in erheblichem Ausmaß fremde Quellen verwendet, die nicht oder nicht hinreichend als Zitat gekennzeichnet wurden."

Die zahlreichen textuellen Anpassungen der Plagiate sowie die Tatsache, dass Plagiate über die gesamte Dissertation hinweg zu finden seien, ließen darauf schließen, "dass die Textübernahmen kein Versehen waren, sondern bewusst getätigt wurden".

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