Bislang hält sich die Universität Bayreuth bedeckt in der Frage nach dem Vorsatz bei Karl-Theodor zu Guttenbergs Kunst des wissenschaftlichen Abschreibens. Bei der Aberkennung des Doktorgrades habe sie in untadeliger und durchaus professioneller Weise den schnellsten Weg beschritten und zunächst die am leichtesten begründbare Entscheidung gefällt, sagt Oliver Lepsius.
Nun ist Lepsius, 47, dort nicht nur Professor der Jurisprudenz, sondern auch, was der Sache zusätzlich Brisanz verleiht, Nachfolger auf dem Lehrstuhl von Peter Häberle, Guttenbergs Doktorvater.
Und er hat eine sehr klare Meinung über den ehemaligen Doktor: Lepsius hält den Verteidigungsminister für einen Betrüger. So sagt er das. "Wir sind einem Betrüger aufgesessen. Es ist eine Dreistigkeit ohnegleichen, wie er honorige Personen der Universität hintergangen hat."
Unterlassungsklage durch Guttenberg unwahrscheinlich
Gegen einen derart zugespitzten verbalen Angriff könnte Guttenberg nun wegen einer Vorverurteilung mit einer Unterlassungsklage vorgehen und Strafanzeige wegen Beleidigung erstatten. Doch Lepsius ist sich sicher, dass der Verteidigungsminister den Kürzeren ziehen würde und auf ein juristisches Vorgehen verzichtet.
Ähnlich scharf hat sich in der Plagiatsfrage bislang noch kein Vertreter der Hochschule zu äußern gewagt. Doch Oliver Lepsius kann sich, wie zahlreiche Reaktionen renommierter Akademiker zeigen, der Unterstützung vieler Gelehrter sicher fühlen.
Es wäre denn auch verwunderlich, wenn die wissenschaftliche Kommission der Universität Bayreuth, die derzeit die Täuschungsfrage prüft, zu einer anderen Auffassung gelangte als der Jurist Lepsius. Da die Plagiate zum Bewerten auf dem Tisch liegen und nicht erst eruiert werden müssen, könnte die Prüfung in spätestens vierzehn Tagen abgeschlossen sein, heißt es aus der Uni.
Mangelndes Unrechtsbewusstsein
Guttenberg beharrt auf dem Standpunkt, er habe die abgekupferten Stellen unbewusst und ohne Vorsatz zusammengestopselt. Das lässt Lepsius nicht gelten. "Der Minister leidet unter Realitätsverlust", sagte er der Süddeutschen Zeitung. "Er kompiliert planmäßig und systematisch Plagiate, und er behauptet, nicht zu wissen, was er tut. Hier liegt die politische Dimension des Skandals."
Lepsius sorgt sich - "und zwar als Staatsbürger" -, wie sich "dieser Realitätsverlust" sowie die in seinen Augen "unverantwortliche" vorgeschobene Ahnungslosigkeit, die der Professor als mangelndes Unrechtsbewusstsein auslegt, mit Guttenbergs Amt als Verteidigungsminister in Einklang bringen ließen. Hier wird die Plagiatsfrage zur Charakterfrage.
Und sie tangiert auch Guttenbergs politische Mitstreiter. Die Stellungnahmen hochrangiger Regierungspolitiker, die Guttenberg die Stange halten, ist nach Lepsius' Dafürhalten "von Seiten der Wissenschaft nicht hinnehmbar".
Neben der Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sie habe einen Verteidigungsminister und keinen wissenschaftlichen Assistenten berufen, empört ihn die Haltung von Bundesbildungsministerin Annette Schavan. "Wenn sie sagt, es sei egal, ob und wie jemand promoviere, vergrößert das den Skandal", sagt Lepsius. "Man kann nur entsetzt sein."
Hohe Geldbußen wegen Plagiieren
An diesem Punkt der Guttenberg-Affäre setzt auch der Deutsche Hochschulverband mit Kritik an. "Die Marginalisierung schwersten wissenschaftlichen Fehlverhaltens durch höchste Repräsentanten unseres Staates ist empörend", sagt Präsident Bernhard Kempen. Er hält es für "unerträglich, wie die Bedeutung der Wissenschaft und ihrer ehernen Gesetze politisch kleingeredet wird".
Ein anderer Unionspolitiker - er war als Vorsteher des westfälischen Landesverbandes Lippe niedrigeren Ranges als Guttenberg - musste wegen einer Plagiatsaffäre den Hut nehmen.
Wie die Lippische Landes-Zeitung (LZ) berichtet, plagiierte der Jurist in seiner Dissertation an der Universität Göttingen, an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer wurde das Plagiat aufgedeckt. Die Staatsanwaltschaft schaltete sich ein, er musste laut LZ wegen Verstoßes gegen das Urheberrecht 90 Tagessätze à 100 Euro Strafe und zudem eine Geldbuße in Höhe von 10.000 Euro zahlen. Der Landesverband enthob ihn seines Amtes.
Auch dieser Mann galt bis dahin als Senkrechtstarter in seiner Partei. Und auch er beteuerte stets, seine Studie nach bestem Wissen und Gewissen verfasst zu haben.