Süddeutsche Zeitung

Plagiatsaffäre:Der Preis für Guttenberg

Die Solidarität, die Guttenberg aus der Union zuteilwird, ist fatal. Denn sie ergibt sich nicht aus Überzeugung - sondern aus Angst vor dem geballten Volkszorn. Damit stellt die Partei jene Werte in Frage, die sie als Markenkern bezeichnt.

Stefan Braun

Das Wort "alternativlos" wird seit den großen Finanzkrisen Angela Merkel zugeschrieben. Damit begründete die Kanzlerin den Milliarden-Rettungsschirm für die Banken, die Griechenlandhilfe und die Euro-Rettung. Seit Montag gehört in diese Reihe auch die politische Rettung ihres Verteidigungsministers. Sie erscheint der Kanzlerin und ihrer Union "alternativlos", die Unterstützung im Parlament unterstreicht das. Damit freilich zeigt die Koalition, wie taktisch sie mit diesem Minister inzwischen umgeht. Und der schnelle Beschluss der Uni Bayreuth, ihm den Doktortitel abzuerkennen, legt das Taktische besonders offen.

Die Solidarität, die Karl-Theodor zu Guttenberg aus der Union zuteil wird, ist nämlich nicht der Überzeugung geschuldet, er habe nur ein Kavaliersdelikt begangen. Viele in der Unionsspitze wissen ganz genau, dass da viel mehr war. Freilich schämen sie sich dafür nur heimlich. Ihre Unterstützung für den Plagiator ergibt sich allein aus der Angst, im Fall eines Guttenberg-Sturzes dem geballten Volkszorn seiner Fans ausgesetzt zu werden - und in der Folge wichtige Landtagswahlen zu verlieren.

Sicher, Parteien kämpfen stets um ihren eigenen Vorteil. Und die Union muss nicht viele Umfragen lesen, um zu sehen, dass ein Abrücken vom Volksliebling sehr unbequeme Konsequenzen nach sich ziehen würde. Der Preis für die Entscheidung, den Schutz vor dem Zorn der Menschen wichtiger zu nehmen als den Schutz der eigenen Glaubwürdigkeit, ist hoch. Denn damit stellt die Union vieles in Frage, was sie bis heute als ihren Markenkern bezeichnen würde: Werte wie Redlichkeit, Anständigkeit, Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und vorbildhaftes Verhalten. Seit Jahren reist die Kanzlerin überdies um die Welt, um für den Schutz geistigen Eigentums zu werben. Kann sie das noch, wenn sie nicht die Kraft hat, im eigenen Kabinett Probleme mit dem geistigen Eigentum beim Namen zu nennen? Es wird, gelinde gesagt, sehr sehr schwer werden. Sie wird damit leben müssen, immer wieder bösen Spott zu ernten.

Immerhin hat Guttenberg eines geleistet: Er ist der Fragestunde im Bundestag nicht aus dem Weg gegangen. Und er ist dabei zwangsläufig leiser aufgetreten als zuletzt im Wahlkampf. Die Frage aber, wie er derart viel kopieren, abschreiben und nicht kennzeichnen konnte, hat er nicht beantwortet. Er hat erklärt, "nicht bewusst getäuscht" zu haben. Hat er also eine "unbewusste Dissertation" geschrieben? Wenn er damit durchkommt - wie wird er erst auftreten, sollte wirklich irgendwann drüber Gras wachsen?

Vor der Affäre ist Guttenberg einer gewesen, dem scheinbar keiner was anhaben konnte. Mehr noch: Er hat den Generalinspekteur so gnadenlos gefeuert und den Kapitän der Gorch Fock ebenso kaltherzig suspendiert, dass einem das Blut in den Adern gefrieren konnte. Wenn er sich nicht ändert, hat er nichts verstanden. Die Union sollte sich dann freilich nicht beklagen. Sie hat ihm einen Freifahrschein gegeben.

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SZ vom 23.02.2011/hai
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