Süddeutsche Zeitung

Plagiats-Vorwürfe:Die Strategie des Dr. Putin

Russlands Präsident ist nicht nur Ex-KGB-Agent, sondern auch Jurist mit einem Doktor der Wirtschaftswissenschaften. US-Wissenschaftler wollen allerdings herausgefunden haben, dass es mit diesem Titel nicht weit her ist.

Daniel Brössler

Russlands Präsident Wladimir Putin ist ein gelehrter Mann. Vom Studium her Jurist, verfügt der einstige KGB-Agent auch über einen Doktor der Wirtschaftswissenschaften.

An der Bergbau-Universität in St. Petersburg legte er in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre eine Arbeit mit dem Titel "Die strategische Planung regionaler Ressourcen bei der Bildung von Marktbeziehungen" vor. Dafür erkannte ihm die Uni den Titel zu.

Amerikanische Wissenschaftler wollen nun herausgefunden haben, dass es mit den akademischen Würden des Präsidenten nicht weit her ist. Putin sei ein Plagiator, behauptet der Russland-Experte Clifford Gaddy von der Brookings Institution in Washington.

Lange hatten die Wissenschaftler eine Kopie der Putin-Doktorarbeit gesucht und wurden schließlich in der elektronischen Datenbank der Moskauer Technischen Universität fündig. Nach Studium der 218 Seiten wollen sie ermittelt haben, dass Putin entscheidende Passagen aus einem US-Lehrbuch von 1978 übernommen haben soll. "Das läuft auf ein Plagiat heraus", sagte Gaddy der Washington Times.

Schummelte er selbst? Lies er schummeln?

Bedient haben soll sich Putin, damals auf dem Karriere-Sprung aus dem Petersburger Rathaus in die Moskauer Kreml-Verwaltung, aus einem Werk namens "Strategische Planung und Politik".

Es war von zwei Professoren an der Universität von Pittsburgh verfasst worden und soll in den frühen neunziger Jahren von einem Institut mit Verbindung zum KGB ins Russische übertragen worden sein. Gaddy wirft Putin vor, 16 der 20 Seiten, die den Hauptteil seiner Doktorarbeit einleiten, aus dem Pittsburgher Buch übernommen zu haben. Außerdem seien auch sechs Schaubilder dem amerikanischen Werk entlehnt.

Der Verdacht amerikanischer Wissenschaftler geht nach Darstellung der Washington Times noch weiter. "Es war wirklich sehr üblich für einen aufstrebenden Apparatschik, sich von einem Ghostwriter eine Arbeit schreiben zu lassen und so einen akademischen Grad zu erlangen", zitiert das Blatt E. Wayne Merry vom American Foreign Policy Council.

Nach dieser Theorie hätte sich Putin die Mühe des Plagiierens gar nicht selbst gemacht. Eher unwahrscheinlich ist, dass die Wahrheit über Putins akademisches Wirken ans Licht tritt. Der Kreml schweigt zu dem Thema - ebenso wie die meisten russischen Medien.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2006
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