Süddeutsche Zeitung

Verteidigungsminister: Plagiatsvorwürfe:Guttenberg plünderte noch mehr Bundestags-Gutachten

In der Guttenberg-Dissertation finden sich zwei weitere Bundestags-Papiere, die der Minister in der Arbeit völlig verschwiegen hat. Der CSU-Mann behauptet, diese Gutachten nicht zu kennen - und "freut" sich darauf, sie zu lesen.

Karl-Theodor zu Guttenberg mag gehofft haben, mit seinem Auftritt im Bundestag die Plagiatsaffäre beenden zu können, doch die Opposition sieht das anders und greift den Verteidigungsminister weiter an. Und dann tauchen in seiner Dissertation noch mehr abgekupferte Passagen auf. Dabei handelt es sich um zwei weitere Gutachten aus der Feder der Wissenschaftlichen Dienste des Parlaments.

In der Aktuellen Stunde hatte der CSU-Politiker an diesem Mittwoch lediglich eingeräumt, sich bei vier Expertisen der Bundestagsdienste bedient zu haben. Bei den beiden neu gefundenen und offensichtlich großzügig abgekupferten Werken handelt es sich um die fünfseitige Arbeit "Europäischer Konvent und der Konvent von Philadelphia - Parallelen und Unterschiede" vom 28. Oktober 2003 sowie um den 13-seitigen Text vom 15. Dezember 2005 über "Europäische Verfassungsentwürfe seit 1945".

Stichproben der Nachrichtenagentur dapd ergaben, dass Teile dieser Gutachten in die Doktorarbeit Guttenbergs eingeflossen waren. In Guttenbergs umstrittenem Werk fehlen jegliche Hinweise auf diese beiden Expertisen: Anders als im Falle der vier bekannten Bundestags-Papiere fände sich weder in einer Fußnote noch im Literaturverzeichnis ein Hinweis auf die Ausarbeitungen der Beamten, schreibt Spiegel Online.

Ältestenrat beschäftigt sich mit der Causa

Am Donnerstagsnachmittag befasst sich der Ältestenrat des Bundestages mit der Sache Guttenberg. Wie man in dem Gremium über die Causa denkt, deutete Bundestagspräsident Norbert Lammert zuvor an. Der Christdemokrat monierte im WDR, sollten Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste ohne Quellenangaben genutzt worden sein, "wäre das offenkundig ein doppelter Verstoß sowohl gegenüber den Regelungen des Deutschen Bundestages in der Nutzung des Wissenschaftlichen Dienstes als auch gegenüber den wissenschaftlichen Mindeststandards bei der Verfassung von wissenschaftlichen Arbeiten".

Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sprach davon, dass der Ältestenrat des Parlaments ratlos angesichts Guttenbergs Verhalten sei. Die Grüne kritisierte, der Minister tue immer noch so, als handele es sich um einen "kleinen Fehler, der irgendwie nebenbei passiert". Zudem gebe er immer nur zu, was ohnehin gerade herausgekommen sei. Seine Reumütigkeit sei daher für sie nicht "wahnsinnig überzeugend", sagte die Grünen-Politikerin. Es stelle sich die Frage, wie viel Vertrauen man noch in den Minister haben könne, der in einem "höchst sensiblen" Amt tätig sei.

Guttenberg war bereits während seines Auftritts im Bundestag von der SPD mit den weiteren beiden übernommenen Expertisen konfrontiert worden. Der Verteidigminister beteuerte, ihm seien nur vier Gutachten bekannt. "Von sechs weiß ich bisher nichts", sagte der Minister höflich und schob nach: "Ich freue mich, wenn ich sie sehe."

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält Guttenberg wegen der weiteren Prüfung seiner Doktorarbeit durch die Universität Bayreuth für einen Minister auf Abruf. Union und FDP hätten frohlockt, dass das Prüfverfahren mit der Aberkennung des Doktortitels abgeschlossen sei, erklärte Steinmeier am Donnerstag in Berlin. "Diese Hoffnung ist heute geplatzt." "Die Universität Bayreuth besteht darauf, zu klären, ob Guttenberg bewusst getäuscht hat. Damit ist zu Guttenberg ein Minister auf Abruf." Und damit sei der CSU-Politiker ungeeignet, die anstehende Bundeswehrreform zu bewältigen. Das müsse Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erkennen. Die Uni Bayreuth hatte zuvor mitgeteilt, dass nun auch geprüft werde, ob Guttenberg die Promotionskommission mit seiner fehlerhaften Dissertation getäuscht habe.

GuttenPlag will weitere Dissertationen prüfen

Unteressen kündigten die Initiatoren der Internetseite GuttenPlag-Wiki an, sich nach der Dissertation des Verteidigungsministers weitere Dissertationen von Spitzenpolitikern vorzuknöpfen. Sie schlugen knapp 30 Doktorarbeiten vor, die nun ebenfalls untersucht werden sollen. Darunter befinden sich auch die Arbeiten von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sowie die fast aller anderen Kabinettsmitglieder mit Doktortitel. Eine erfolgreiche politische Karriere unter einem akademischen Titel fuße nicht zwangsläufig auf ehrlicher Arbeit, heißt es auf der Seite.

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